Opfer muss erneut aussagen
Im Strafverfahren zur mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung im Grödental kündigt sich ein verkürztes Verfahren an. Und das Opfer wird wohl noch einmal aussagen müssen.
von Thomas Vikoler
Im Mai vergangenen Jahres hatte die 23-jährige Frau aus Finnland bereits – hinter einem schwarzen Vorhang im Gerichtssaal – eine umfassende Aussage zu den Ereignissen um den 19. Jänner 2023 gemacht: Das Aufeinandertreffen mit einigen jungen Männern in einem Après-Ski-Lokal in Wolkenstein, die Gruppenvergewaltigung zunächst in einem Auto, dann in einem Hotel unterhalb des Panider Sattels, schließlich wieder in einem Auto.
Auch wenn die Verteidiger der drei Angeklagten – gebürtige Kosovaren zwischen 22 und 28 Jahren, die im Grödental in Hotels arbeiten – in den Aussagen des mutmaßlichen Opfers entdeckt haben wollen, hält es die Staatsanwaltschaft für glaubwürdig.
Wie es aussieht, muss die Frau ein weiteres Mal vor Gericht aussagen. Dies wurde auf der gestrigen zweiten Hauptverhandlung am Landesgericht bekannt. Der Richtersenat unter Vorsitz von Stefan Tappeiner hatte dort zunächst die beiden, auf der Verhandlung im Jänner vorgebrachten Einsprüche der Verteidigung zurückgewiesen. Einer betraf eine vermeintliche Unregelmäßigkeit bei der Übersetzung der Opfer-Aussage im Beweissicherungsverfahren vom Finnischen ins Englische bzw. Italienische, der zweite die Ernennung von Vittorio Papa als Nebenkläger-Anwalt.
Für den Richtersenat war alles regulär.
Auf der nächsten Verhandlung am 25. März müsste demnach mit der Einvernahme der ersten der rund hundert Zeugen begonnen werden. Doch dazu wird es vorerst nicht kommen.
Anklage und Verteidigung debattierten gestern über die Möglichkeit eines bedingten verkürzten Verfahrens mit wenigen Zeugen. Voraussetzung dafür ist, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage abändert – und wie es scheint, besteht die Bereitschaft dafür. Geplant ist allerdings nicht eine Abschwächung der Anklage, sondern deren Ausweitung um den erschwerenden Umstand der verminderten Abwehrfähigkeit des Opfers.
Geschieht das, öffnet sich für die Verteidigung erneut die Frist für einen Antrag auf ein verkürztes Verfahren, das bei einer Verurteilung ein automatisches Drittel Strafnachlass bei einer Verurteilung bringen würde.
Die Anwälte der drei Angeklagten möchten auf jedem Fall, dass in diesem die Frau aus Finnland noch einmal aussagt. Sie verweisen dazu auf den Umstand, dass sie als erste Zeugin der Anklage für das Hauptverfahren aufgelistet ist. „Auch angesichts der Übersetzungsprobleme im Beweissicherungsverfahren, wäre eine erneute Befragung die fairste Lösung“, findet Marco Ferretti, einer der Verteidiger. „Es gibt einige Dinge und Ungereimtheiten zu klären“, betont Federico Fava, der zweite.
Neben der Haupt-Belastungszeugin möchten die Anwälte auch den Eigentümer des Hotels am Panider-Sattel anhören, der über die zahlreichen Videokameras im Hotel Auskunft geben soll. Bekanntlich gibt es ein Video einer Überwachungskamera, das die finnische Touristin und einen der Angeklagten händehaltend beim Verlassen des Hotels zeigt. Schließlich soll der Arzt befragt werden, der das mutmaßliche Opfer am Tag danach im Bozner Krankenhaus untersuchte.
Dazu wurde gestern bekannt, dass der Sanitätsbetrieb die in einem Kühlfach gelagerten Beweisstücke in einen Aufbewahrungsort der Justizverwaltung verlegen möchte.
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