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Diffizile Interessensgebiete

Grausame Idylle „The Zone of Interest“

Nicht jeder Kinoabend ist gleich. Ein Abend mit „Past Lives“ kann evtl. rühren, einer mit „The Zone of Interest“ berühren – eher unangenehm allerdings.

von Renate Mumelter

The Zone of Interest

Am Anfang ist die Leinwand dunkel, nur der Ton wummert, und erst wenn das Publikum einen Projektionsfehler vermutet, kommt leises Vogelgezwitscher herein, das Bild lichtet sich, um den Blick auf eine sommerliche Uferlandschaft freizugeben, wo Erwachsene und Kinder sich sonnen. Das ist die Familie von Rudolf Höß.

In diesem Film hat der Ton das Sagen, weil das zu Zeigende zu grausam wäre. Regisseur Jonathan Glazer erzählt eine hinlänglich bekannte Geschichte, bei der sich nur fragt, ob sie an Grausamkeit zu überbieten ist. Es geht um den Holocaust. Und da kommt notgedrungen die Frage auf, ob sich die Geschichte der Familie Höß unter anderen Vorzeichen wieder irgendwo anbahnt oder abspielt, und ob wir Aufgeklärte wieder unsere Komfortzone wahren und wegschauen.

An der Lagermauer

„The Zone of Interest“ spielt direkt an der echten Lagermauer von Auschwitz. Dort steht die Villa, in der Rudolf Höß mit Familie wohnt. Rudi macht seinen Vernichtungsjob, Frau Hedwig macht glückliches Familienleben mit Schwimmbad und Garten. Nur in der Tonspur gibt es Hundegebell, ab und zu Schüsse, laute Drohungen. Und es dröhnt.

Die Männer haben alle kahl rasierte Nacken, die Frauen ordentlich hochgezwirbelte Haare. In Rudolfs Stabssitzungen werden die technischen Vorzüge der neu entwickelten Ring-Einäscherungsöfen mit erhöhtem Potential erläutert.

Am Ende des Films kotzt einer, und es ertönen Staubsauger, mit denen die Auschwitz-Gedenkstätte heute sauber gehalten wird. Wir haben nichts damit zu tun. Die Höß’sche Komfortzone ist lange her. Jetzt gibt’s andere.

„The Zone of Interest“ ist vor allem wegen seiner Tonspur interessant. Dafür erhielt Johnnie Burn eine Nominierung, die sich in einen Oscar umwandeln sollte. Die Inhalte des Films sind, wie könnte es anders sein, zum Kotzen.

Nawalny

Und weil wir grad beim Thema sind: Der oscarprämierte Dokumentarfilm „Nawalny“ von Daniel Roher wäre zum unbedingt Wiedersehen. Vielleicht gelingt es ja. Der Filmverleih jedenfalls ist dabei, den Film aus traurig aktuellem Anlass für einzelne besondere Vorstellungen in die Kinos zu bringen. Es ist zu hoffen, dass er es bis Südtirol schafft.

Past Lives

Oft werde ich gefragt, ob dieser oder jener Film etwas „Gscheits“ ist – was immer das auch heißen mag. Diese Woche wäre das Empfehlen schwierig, denn „was Gscheits“ hängt immer auch von dem ab, was erwartet wird: etwas für’s Gemüt, etwas zum Nachdenken, etwas zum Diskutieren, etwas zum Sinnieren oder einfach etwas zum Zuschauen. Für Letzteres eignet sich Celine Songs „Past Lives“, eine melancholische Liebesgeschichte, die manchen im Publikum Tränen in die Augen treibt.

Nora und Hae Sung haben in ihrer frühen Jugend in Korea Händchen gehalten. Dann trennte sie das Leben. Nora musste mit ihren Eltern nach Kanada auswandern, wie Regisseurin Celine Song übrigens auch. Als Erwachsene lernt Nora Arthur kennen und lieben. Später trifft sie im Netz wieder auf Hae Sung, und irgendwann treffen sie sich zu dritt und denken darüber nach, wie das Leben so spielt, vor allem in dieser ach so mobilen Welt, in der viele Leben gelebt werden können. „Past Lives“ ist gut gespielt und schön gedreht, und doch hat mir im Film etwas gefehlt. „Past Lives“ hat zwei Oscar-Nominierungen (bestes Drehbuch, bester Film).

Tipp

Am nächsten Samstag kommt „der“ Fellini zur Filmclub-Matinee, sein „Amarcord“, Anno 1973.

 

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