Der schweigende Nachbar
Ein Beinahe-Herzinfarkt und ein Mann, der im Streit nicht schreit: Im Schwurgerichtsprozess zum Mord an Alexandra Mocanu in der Bozner Trieststraße sagen die Nachbarn und die Verwandten des Angeklagten Avni Mecja aus.
von Thomas Vikoler
„Wir sind einfache Bauern, sie hingegen war sehr anspruchsvoll“. So charakterisiert die Mutter des Angeklagten das soziale Gefälle in dessen Beziehung mit der 35-jährigen Alexandra Mocanu. Eine Beziehung, die sie abgelehnt habe, wie die aus Albanien stammende Frau, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einem Dorf bei Verona lebt, vor dem Bozner Schwurgericht erklärt.
Dort gibt es an diesem Vormittag eine dramatische Szene: Als der Vater von Avni Mecja für seine Zeugenaussage in den Gerichtssaal tritt, bricht er in einen heftigen Weinkrampf aus. Ansonsten hat er nicht sehr viel zu sagen über seinen Sohn und die bewegenden Tage zwischen 23. und 24. Oktober 2022. Der Sohn hatte der Familie via WhatsApp mitgeteilt, dass nach ihm gefahndet werde und dass er deshalb nach Albanien müsse.
Die Mutter sagt im Zeugenstand, dass sie zunächst davon ausgegangen sei, Avni müsse wegen eines Verkehrsunfalls einige Wochen zuvor oder einer Rauferei flüchten. Wegen des Schrecks über diese Nachricht habe sie beinahe einen Herzinfarkt erlitten und ins Spital müssen, so die Mutter.
Die Familie beschaffte sich kurzerhand Flugtickets, um sich an jenem Sonntag in das Heimatdorf Krovje in Albanien zu begeben. Dort habe man in einer Bar kurz Gelegenheit gehabt, mit dem Sohn zu sprechen. „Er war gelb im Gesicht und hat gezittert“, berichtet die Mutter. Und er habe gestanden, seine Partnerin Alexandra in der gemeinsamen Wohnung in der Bozner Trieststraße erschlagen zu haben. Aus Eifersucht.
Dann habe Avni in einem 20 Kilometer entfernten Ort die Großeltern besucht, um am darauffolgenden Montag nach Verona zurückzufliegen und sich dort den Behörden zu stellen.
Wiederholt werden den Verwandten Fragen zum Verhältnis zwischen Mecja und Alexandra Mocanu gestellt. „Seitdem er mit ihr zusammen war, hat er sich stark verändert. Er wurde verschlossener und ernster“, berichtet sein Cousin, ein in Meran lebender Zimmermann. „Sie hat den Eltern Avni nicht gepasst, weil sie keine Albanerin war und sich provokant kleidete. Ich selbst hielt sie für nicht seriös“.
Mecjas Bruder sagt, er habe ihm 5.650 Euro für einen Autokauf überwiesen, das Auto sei dann aber auf Alexandra geschrieben worden (was der Zeuge erst nach dem Mord erfuhr).
Am Nachmittag werden einige Nachbarn des Paares im Kondominium in der Trieststraße angehört. Eine Nachbarin konnte die „täglichen“ Streitigkeiten in dessen Wohnungen durch die Wand mithören. „Geschrien hat stets die Frau, der Mann blieb ruhig oder schwieg“, erzählt der Zeuge. Gegangen sei es zumeist um Putzarbeiten im Haus und wer den Müll hinunterträgt.
Ein weiterer Nachbar bekam ebenfalls wiederholte Reibereien mit und befürchtete, dass es irgendwann zu Handgreiflichkeiten kommen würde. Doch davon habe er nichts mitbekommen – bis zum Hammer-Mord am Abend des 22. Oktober 2022.
Eine weitere Nachbarin berichtet von einem blauen linken Auge von Alexandra Mocanu, die einmal, im September 2022, im Aufzug in Tränen ausgebrochen sei. Eine weitere Nachbarin will dagegen eine Wunde am linken Kiefer der Frau beobachtet haben.
Angehört wird auch die Bozner Stadtpolizistin, die am 23. Oktober gegen 13.00 Uhr auf einem Diensthandy das schriftliche Mordgeständnis Mecjas erhalten, aber erst drei Tage später an die Polizei weitergeleitet hat.
Der Prozess wird am Freitag mit der Einvernahme des Angeklagten fortgesetzt.
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