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Die Zithervirtuosin

Reinhilde Gamper: Ich bin nicht allein auf weiter Flur, vielleicht nur radikaler und lauter. (Foto: Gruber & Chizzali)

Die Zither gilt als betuliches Instrument, das von alten Männern in der Stube hinter einem Holztisch gespielt wird. Doch wenn Reinhilde Gamper darauf spielt, klingt es, als würde Jimi Hendrix in die Saiten greifen. Nichts weniger, als das Instrument zu entstauben und ins Rampenlicht zu stellen, hat sie sich vorgenommen.

Tageszeitung: Frau Gamper, die Zither hat nicht unbedingt den Ruf, besonders sexy zu sein. Wie und warum hat ausgerechnet dieses als eher betulich geltendes Instrument den Weg in Ihr musikalisches Herz gefunden?

Reinhilde Gamper: In der Tat war ich als Kind und Jugendliche nicht gerade überglücklich, das gefühlt leiseste und uncoolste Instrument in die Hand gedrückt zu bekommen. Das spielten vorwiegend alte Männer in der Stube hinter einem Holztisch, also das Letzte, was sich ein junges Mädchen als Vorbild nimmt. Schnell entwickelte sich in mir jedoch das Ziel, dieses besondere Instrument zu revolutionieren und ins Rampenlicht zu stellen. Und dieses Ziel verfolge ich nach wie vor und staube ab, wo sich die Gelegenheit ergibt.

Kaum ein Instrument hat so viele Klangmöglichkeiten und ist so unterschätzt. Was macht die Zither als Instrument so besonders?

Für mich ist die Klangwelt der Zither immer wieder eine Überraschung und eine Quelle ständiger Neu-Entdeckungen. Sie bietet einen Pool aus schier unendlichen Möglichkeiten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Aktuell beschäftige ich mich intensiv mit der Verknüpfung von elektronischer Musik und der Zither. Dabei habe ich das Gefühl, dass ich das Instrument mit neuem Leben füllen kann, indem ich mit diesen Klängen, Sounds und Möglichkeiten experimentiere.

Bei der Zither denkt man reflexhaft an alpenländische Volksmusik in gemütlichen Bauernstuben oder an zwangslustige Menschen, die zum Tanz aufspielen. Ärgert Sie dieses Klischee?

Ich muss sehr oft schmunzeln, wenn ich Kommentare von Zuhörern meiner Konzerte höre. Sie sind von Land und Region so unterschiedlich und lustig. Von Erfahrungsberichten, wie es früher mal war, bis hin zu unbekannten Flugobjekten oder der Frage, was das wohl für ein Apparat sei, ist da so einiges dabei. Mich stört der Bezug zur alpenländischen Volksmusik keinesfalls. Ich bin damit aufgewachsen, und man darf ja nicht vergessen, dass die Zither ein Volksmusikinstrument ist. Ich spiele selbst so manches Mal liebend gern unsere Volksmusik und blicke damit mit meiner Formation CORDES Y BUTONS gerne über den musikalischen Tellerrand hinaus und begebe mich auf neue Reisen.  Ende März bin ich nach Tunis (Tunesien) eingeladen, die Klangwelten der alpenländischen Zither mit der einer tunesischen Zitherspielerin gegenüberzustellen und zu verknüpfen. Das wird ein außerordentlich spannendes Konzert werden.

Das Klavier des kleinen Mannes wurde das Instrument genannt. Gibt es auch bei Zithern so einen Kult um die Erbauer wie bei den Geigen?

Die Zither ist gleich dem Akkordeon erschwinglicher als das Klavier und so trifft dieses Statement „Die Zither ist das Klavier des kleinen Mannes“ zu. Um die Erbauer der Zither gibt es, wie bei jedem Instrument einen Kult. Nur ist er im Fall der Zither klein und bescheiden. Die Zither hat sich jedoch in den letzten 20 Jahren besonders in Bezug auf Klang und Aussehen enorm weiterentwickelt und unterscheidet sich nun deutlich von den ursprünglichen Instrumenten.

Der griechische Gott Apollo höchstpersönlich soll eine Kithara gespielt haben, von der sich das Wort Zither ableitet. Zum alpenländischen Nationalinstrument wurde sie aber von Bayern aus. Was sollte man denn über die Geschichte der Zither wissen?

Die Geschichte der Zither reicht bis in die Antike zurück und ist mit zahlreichen prominenten Persönlichkeiten verbunden. Persönlich interessiert mich jedoch mehr die Zukunft als die Vergangenheit dieses Instruments, da ich sie als weitaus spannender empfinde.

Was sagen denn die Hardcore Zither-Traditionalisten, wenn Reinhilde Gamper die Bühne rockt?

Das möchte ich nicht unbedingt wissen.

Wenn man Ihnen zuhört und die Augen schließt, denkt man, da könnte auch Jimi Hendrix auf der Bühne stehen. Wie machen Sie das?

Jimi Hendrix? Wie cool ist das denn! Da fühle ich mich ja wirklich geehrt, mit solchen Größen in Verbindung gebracht zu werden. Ich habe das große Glück, dass in den letzten Jahren sehr intensiv am Bau der E-Zither gearbeitet wurde, und ich nun ein sehr tolles E-Instrument habe, das sich sehr gut mit den Effekten der E-Gitarristen kombinieren lässt. So kann ich so manchen Sound berühmter Legenden durch meine Zither jagen.

Gemütvolles Herumzupfen und –Zirpen ist es nicht, wenn Sie sich über die Zither beugen. Es schaut richtig nach Arbeit wie bei einem Rockgitarristen aus. Sind Sie im Herzen eigentlich Rockerin?

Ich liebe beides: mit weichen, sphärischen Klängen zu arbeiten und eine ruhige Atmosphäre zu kreieren macht mir genauso viel Spaß wie laute Sounds und Riffs durch eine Anlage zu jagen und Staub aufzuwirbeln. Meine rockige Seite zeige ich immer wieder gerne.

Nicht wenige zeitgenössische Komponisten entdecken die Zither neu. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich bin immer wieder beglückt, wenn Komponisten die Zither als spannend empfinden. Wenn sie auf der Suche nach Neuem sind, bietet sich die Zither perfekt an, um diesen Pool an Klangmöglichkeiten zu erforschen. Ich würde auch sofort die Zither wählen, wollte ich ein Stück schreiben. Sie bietet unendliche Klangmöglichkeiten in Bezug auf Cluster, Tonumfang, Mikrotonalitäten und Sounds, bei denen andere Instrumente einfach nicht mithalten können. Ich bin ein absoluter Super-Fan der Zither.

Ton-Cluster, Mikrotonalität, rockige, perkussive Elemente – das klingt, als ob die Zither den Sprung ins Zeitgenössische doch noch schaffen könnte.

Die Zither hat diesen Sprung längst geschafft.

Zumindest hierzulande geht die Wiederentdeckung und Revolutionierung der Zither allein auf Ihre Kappe. Täuscht das, oder sind Sie wirklich ziemlich allein auf weiter Flur?

Wie gesagt, mein großes Ziel, die Zither ins Rampenlicht zu rücken und abzustauben, habe ich als junges Mädchen ganz großgeschrieben. Von diesem Weg weiche ich auch heute noch nicht ab und gebe mein Bestes. Ich bin nicht allein auf weiter Flur, vielleicht nur radikaler und lauter.

Sie sind auch als Lehrerin an Musikschulen tätig. Gibt es genügend junge Zitherspieler, die nachkommen?

Meine Passion ist es, jungen Menschen das geniale Instrument Zither beizubringen. Meine Zitherklassen an der Musikschule Bruneck und Klausen sind voll besetzt, und ich bemühe mich immer wieder, einen Platz für neue begeisterte Schüler zu finden. Ich glaube, ich habe es mittlerweile geschafft, das Instrument Zither zu popularisieren und eine Zither-Familie zu schaffen, in der junge Zitherspieler das Gefühl und die Begeisterung haben, gemeinsam tolle musikalische Erinnerungen zu sammeln. Für mich bedeutet es, immer wieder Neues zu entdecken und am Puls der Zeit zu bleiben, und das wird wohl mein Lebensmotto bleiben.

Wie steht denn um das Geschlechterverhältnis: Interessiert die Zither mehr Buben oder mehr Mädchen?

Ich glaube, das Interesse an einem Instrument hängt sehr stark von den Ausführenden und Lehrenden ab. Ich bin ich eine Frau und habe mehr Mädchen in meiner Zitherklasse. Jungs sind aber auch stark vertreten.

Für junge Menschen steht der Coolness-Faktor eines Instruments ganz weit oben. Wie lassen sich junge Menschen für das Instrument begeistern?

Natürlich spielt der Coolness-Faktor eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ein Instrument zu erlernen. Meiner Meinung nach ist es jedoch eine Kombination aus Liebe zur Musik, Gemeinschaft, spannenden Projekten und persönlichem Wohlbefinden, die den Anreiz schafft, ein Instrument zu erlernen. Der Einsatz der E-Zither unterstützt mich dabei enorm, den aktuellen Musikgeschmack der jungen Zitherspielerinnen und -spieler bestmöglich umzusetzen.

Die Zither soll Pop werden – ist das Ihr großes Ziel?

Mein großes Ziel ist es, das die Zither in unterschiedlichen Genres erklingt und junge Menschen berührt. Wann, wo und wie ist für mich nebensächlich, wenn es gut gemacht wird.

Was macht Reinhilde Gamper, wenn sie nicht Zither spielt?

Der Mittelpunkt meines Lebens ist meine Familie. Es fasziniert mich immer wieder, zu sehen, wie meine zwei Töchter heranwachsen. Mein Mann ist Hubschrauberpilot, und ich liebe es, mit ihm zu fliegen und die Welt von oben zu betrachten. Lange Zeit war ich eine erfolgreiche Naturbahnrodlerin und habe durch die Verbindung von Sport und Musik enorm profitiert. Unsere atemberaubenden Berge und der Sport spielen nach wie vor eine große Rolle in meinem Leben, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf der Musik liegt.

Interview: Heinrich Schwazer

 

Zur Person

Reinhilde Gamper, 1980 in Brixen geboren, ist eine vielseitige Zitherspielerin und Musikpädagogin. Ihr Fokus liegt auf der Zither, und sie erkundet neugierig neue Klänge sowie Einsatzmöglichkeiten des Instruments. Bekannt ist sie für Projekte wie TRIO GREIFER (Neue Musik für drei Zithern) und CORDES Y BUTONS (Zither, Geige und Steirische Harmonika). Mit zahlreichen musikalischen Erfolgen und Auszeichnungen, darunter der Ernst-Volkmann Preis 2006, präsentiert sich Reinhilde Gamper als hochqualifizierte Künstlerin. Ihre musikalische Reise begann mit dem Abschluss am Musikgymnasium in Innsbruck 1999, gefolgt von einem IGP-Studium am Tiroler Landeskonservatorium. 2004 erhielt sie das Hochschuldiplom als Diplommusiklehrerin im Fach Zither in München. 2013 schloss sie den Master-Studiengang “Neue Musik” mit Bestnote an der Hochschule für Musik und Theater München ab. Aktuell unterrichtet Reinhilde Gamper als Zitherlehrerin am Institut für Musikerziehung in Südtirol. Sie beeindruckt durch ihre solistische Konzerttätigkeit und Ensembles wie Trio GREIFER und CORDES Y BUTONS, die grenzüberschreitend in Europa auftreten.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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