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Julia Bornefeld auf der Biennale

Julia Bornefeld: „Die Arbeit für die Biennale baue ich gerade.“

Julia Bornefeld zeigt in der Galerie Antonella Cattani Contemporary Art  eine neue Ausstellung. Im April ist sie beim größten Kunstereignis des Jahres vertreten: Der 60. Biennale von Venedig. Zu sehen ist ihre Arbeit im Ausstellungsraum der Republik Kamerun.

 

(sh) Die vom 20. April bis 24. November stattfindende Biennale in Venedig ist das Kunstereignis des Jahres. Mit Adriano Pedrosa leitet zum ersten Mal ein Lateinamerikaner das Kunstfest in der Lagune. Thematisch stellt der 1965 in Rio de Janeiro geborene Kurator die Erfahrung von Fremdheit, Migration und Exil in den Fokus. Der Titel „Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere” (Fremde überall) zitiert eine Serie von Neonlicht-Skulpturen des Kollektivs Claire Fontaine, in dem die Worte „Foreigners Everywhere“ in einer Vielzahl von Sprachen wiedergeben werden. Diese beziehen sich ihrerseits auf den Namen des Turiner Kollektivs „Stranieri Ovunque“, das in den frühen 2000er Jahren gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kämpfte. „Wo immer du hingehst, wo immer du bist – du wirst immer Ausländer treffen. Und zweitens, wo auch immer du bist, du bist in deinem tiefsten Inneren immer selbst auch ein Ausländer“ schreibt Pedrosa in seinem Konzeptpapier.

Werke von 332 Künstler:innen und Kollektiven werden in zwei großen Sektionen der Zentralausstellung präsentiert: Einem Nucleo Storico, der Arbeiten aus dem Globalen Süden des 20. Jahrhunderts bündelt, und einem Nucleo Contemporaneo. Auch Rückgriffe auf Klassiker der Moderne sind zu sehen: Frida Kahlo, Diego Rivera, Wifredo Lam, Tarsila do Amaral oder Gino Severini. Und in einer Sektion, Disobedience Archive, mit Videokunst auf der Schnittstelle zwischen künstlerischer Praxis und Aktivismus, finden sich Arbeiten von Kunstprominenz wie Zanele Muholi und Hito Steyerl. Aber der Schwerpunkt der Auswahl liegt auf Künstler:innen aus Lateinamerika, Afrika, dem Mittleren Osten und Asien, die bislang nicht auf einer Venedigbiennale vertreten und im europäischen Kunst- und Ausstellungsbetrieb kaum wahrnehmbar waren.

Zusätzlich zur internationalen Ausstellung besteht die Venedig-Biennale wie immer auch aus Beiträgen einzelner Länder, den so genannten Nationalen Pavillons in den Giardini, im Arsenale und im Stadtgebiet von Venedig. 90 nationale Beiträge sind es in diesem Jahr. Das erste Mal dabei sind Benin, Äthiopien, Tansania und Osttimor. Das erste Mal mit einem eigenen Pavillon vertreten sind Nicaragua, Panama und Senegal.

Bereits zum zweiten Mal vertreten hingegen ist die Republik Kamerun. 2002 widmete sich der afrikanische Staat ganz der digitalen Kultur und war damit der erste „NFT-Pavillon“ der Biennale. Unter dem Titel „Nemo propheta in patria“ haben die Kuratoren Paul Emmanuel Loga Mahop und Sandro Orlandi Stagl heuer Jean Michel Dissake, Hako Hankson, Kendji & Ollo Arts, Patrick-Joël Tatcheda Yonkeu, Guy Wouete, Angelo Accardi,  Cesare Catania, Adélaïde Laurent-Bellue, Franco Mazzucchelli, Rex and Edna Volcan, Giorgio Tentolini, Liu Youju und Julia Bornefeld eingeladen.

Die in Kiel geborene, in Bruneck und Berlin lebende Künstlerin ist eine Grenzgängerin.Seit ihren Anfängen in den 1980er Jahren – sie studierte unter anderem bei Emilio Vedova in Venedig –  entwickelt sich ihre Kunst gleichlaufend in unterschiedlichen Gattungen: Malerei, Fotografie, Video, Installation, Objektkunst und stark körperbezogene, performative Werke korrespondieren in einem fließenden, niemals abgeschlossenen Transfer von Themen und Medien. Ihre Arbeitsweise setzt eine Kettenreaktion aus emotionaler Direktheit, Spontaneität und kulturhistorischer Recherche in Gang, die zu einer Balance aus schwindelerregender Theatralik, ästhetischer Souveränität und Reflexion führt, ohne dass es eine Vorherrschaft des Einen über das Andere geben würde. Es beginnt im Unbewussten des Körpers und eröffnet Möglichkeitsräume, die suggestiv mit Bezügen zu ihrer Biographie, zur Mythologie und mit Fluchtpunkten in der feministischen Kunst der 60er und 70er Jahre aufgeladen werden.

Es ist kein Wunder, dass häufig Musik und Tanz, das Denken des Körpers in Bewegung, die Matrix dieses steten Verwandlungsprozesses bilden. In ihrer Ausstellung „Alter Ego komm tanz mit mir! Oder die Emanzipation der Dissonanz“ war der Tanz bereits im Titel versprochen. Tanzende Frauenbeine mit eindeutig libidinöser Energie überblenden das Notenblatt eines wunderschönen alten Klaviers, in das in Hinrichtungsmanier ein gewaltiges Messer hineingerammt war. Harmonie und Dissonanz, eine zarte Beethoven-Sonate und lasziver Sinnesrausch, die Projektion männlichen Begehrens wie des weiblich Ungezähmten, all die Phantasien, die sich seit jeher an den Tanz geknüpft haben, kollidieren da.

Auch vor dezidiert männlich dominiertem Terrain wie dem Fußball („Der goldene Schuss“), kennt sie keine Scheu, ebenso wenig vor Feuerritualen, ganz häufig spielt sie mit Schwebeobjekten oder lässt kinetische Objekte wie „Ariadnes Asteroiden Schleuder“ in der Festung Franzensfeste ihre ewigen Runden drehen. Julia Bornefeld bleibt auf der Suche nach der „fremden Vertrautheit“.

Welche Arbeit wird sie auf der Biennale zeigen. Dazu will sie noch nichts Genaues sagen: „Die baue ich gerade.“

Zu sehen ist die Ausstellung der Republik Kamerun ab 20. April im Palazzo Donà delle Rose, Fondamente Nove, 5038.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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