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Zur Aktion Verzicht

„Eine Toilette ist ein Ort, an dem alle gleich sind“ (Wim Wenders)

Bald heißt es Abschied nehmen von einem Film, der viel zu sagen hat. Wenders‘ „Perfect Days“ ist wohl nur noch diese Woche im Kino.

von Renate Mumelter

Mit dem Slogan „Aktion Verzicht“ wird seit Aschermittwoch die Fastenzeit begleitet. Verzicht ist ein Wort, das mühsam negativ klingt, weil es davon spricht, etwas nicht zu tun. Dass dieses „nicht“ auch anders erlebt werden kann, erzählt niemand so einprägsam wie Wim Wenders in „Perfect Days“. Deshalb ist es nur folgerichtig, nicht auf diesen Film zu verzichten – und aufs Kino auch nicht.

Weniger ist mehr

das zeigt Protagonist Hirayama angenehme zwei Stunden lang. Er lebt in Tokio, putzt Klos, und es geht ihm nichts ab. Seine Tage haben einen Rhythmus, der ihm angenehm ist. Vielleicht ist es aber auch genau umgekehrt, und Hirayama schafft es, sein Leben als angenehm zu empfinden ohne nach besser, größer, mehr streben zu müssen.

Er hat ein älteres Handy, nutzt es aber nur für Dienstzwecke. Er hat ein Dach über dem Kopf, einen analogen Fotoapparat, er hat immer ein Buch zum Lesen, hat ein Auto, mit dem er zu den Toiletten in Shibuya fährt, und er hat Musikkassetten, die er im Auto in den Kassettenrecorder schiebt. Er könnte auch ein anderes Leben leben, aber er tut’s nicht.

The Tokyo Toilet

hieß ein Stadterneuerungsprojekt, bei dem 17 öffentliche Toiletten in der japanischen Hauptstadt von Architekten aus der ganzen Welt in wahre Kunstwerke verwandelt wurden. „Eine Toilette ist ein Ort, an dem alle gleich sind, es gibt keine Reichen und Armen, keine Alten und Jungen, alle sind Teil der Menschheit“, sagte Wim Wenders als er ankündigte, dass er einen Film über das Tokioter Toilettenprojekt machen werde. Jetzt ist der Toiletten-Film fertig, ist eine Kinofreude und ist als japanischer Beitrag Oscar-Kandidat in der Kategorie Bester internationaler Film. Mit dabei sind dort auch noch „Io Capitano“, „Das Lehrerzimmer“, „The Zone of Interest“, „Das Lehrerzimmer“, „Die Schneegesellschaft“.

Komorebi

ist ein japanisches Wort, das aus Kanji-Zeichen besteht, die für Baum, Sonne, Durchscheinen stehen. Es bezeichnet den magischen Moment, wenn Sonne durch das Blattwerk fällt. Hirayama genießt solche Momente und hält sie auf seiner analogen Olympus fest. Seine Bilder sind im Film zu sehen. Sie stammen übrigens von Wenders‘ Frau, der Fotografin Donata Wenders.

Die besondere Achtsamkeit zeigt sich auch, wenn Hirayama im Park kleine Sprösslinge sammelt und diese zu Hause groß zieht.

Kōji Yakusho

heißt der Darsteller, der Hirayama ins Leben ruft. In Cannes gewann er den Darsteller-Preis für seine zurückhaltende Interpretation, und genau das ist es, was Kino auch ausmacht. Nicht das Plakative, Laute, das drüber donnert sondern jenes Zurückhaltende, das dem Publikum Raum für Eigenes lässt.

Der Soundtrack

ist auch Hauptdarstellerîn in diesem Film. Er kommt von den Kassetten, die Hirayama hört, und die Auswahl der Musik ist nie zufällig. Lou Reeds „Perfect Days“ begleitet den Titel des Films, Nina Simones „Feeling Good“ entlässt im Abspann nach Hause, und dazwischen wird Wenders zu seinem eigenen DJ und spielt den Soundtrack seines Lebens ab.

Zu sehen ist „Perfect Days“ im Filmclub Bozen (auch in OmU) und im Filmtreff Kaltern.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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