Sinner im Paradies
Nach dem Sieg im Tennis-Krimi von Melbourne liegt eine ganze Nation dem erst 22-jährigen Sextner Jannik Sinner zu Füßen. Die Zahlen und Fakten zum Phänomen Sinner.
von Artur Oberhofer
Die „Gazzetta dello Sport“ erzählte das Sinner-Märchen mit biblischen Worten. Am Sonntag um 13.32 Uhr habe der Rotschopf aus den Südtiroler Bergen das „Tor zum Paradies“ aufgestoßen. „Il ragazzo d’oro“, so titelte Italiens größte Sportzeitung und zitierte die australische Tennislegende Rod Laver mit den Worten: „Er wird noch lange dominieren.“
Giorgia Meloni umarmte den Puschtra Bui so fest, dass er ganz verlegen dastand.
Der Papst und der Staatspräsident outeten sich in dieser Woche ebenfalls als Sinner-Fans.
Jannik Sinner ist nach seinem Sieg bei den Australian Open definitiv ein Nationalhelden geworden. Das sagen auch die Zahlen. Am Sonntagvormittag hatte der 22-jährige Sextner noch 1,7 Millionen Follower auf Instagram.
Am Sonntagabend waren es bereits über zwei Millionen.
Jannik Sinner ist mit seinem ersten Grand-Slam-Titel in den Olymp des internationalen Sports aufgestiegen. Er kann, so sagen Experten, ein zweiter Roger Federer werden. Auch was seinen Marktwert und das Sex Appeal für Sponsoren angeht.
Nur um die Relationen aufzuzeigen: Der Schweizer Federer hat zuletzt 85 Millionen Euro an Preisgeldern und Sponsorengeldern verdient. Pro Jahr!
Jannik Sinner spielt jetzt in dieser Liga – in der Liga der zehn wichtigsten Sportler der Welt.
Das „Projekt Sinner“ ist sportlich und marketingtechnisch bereits jetzt ein gigantisches Projekt, das auch deswegen so gut funktioniert, weil der 22-Jährige von allen äußeren Einflüssen hermetisch abgeschirmt wird und sich voll und ganz auf das Tennis konzentrieren kann.
Hinter Jannik Sinner steht ein Stab aus Top-Trainern, Beratern, Physiotherapeuten und ausgewieften PR-Profis, wobei ein Mann die Fäden zieht: Lawrence Frankopan.
Frankopan ist der Chef des StarWing Sport mit Hauptsitz in London, diese Agentur ist seit Oktober 2019 für Sinners Medienkontakte und für die Sponsorenverträge, sprich: Vermarktung zuständig.
Lawrence Frankopan hat unlängst erklärt, warum er Jannik Sinner unter Vertrag genommen hat: „Jannik“, so sagte Frankopan, „hat den X-Faktor.“
Unter X-Faktor versteht man das Mindset eines Athleten, also Kopf, Geist.
Manchen Athleten fehlt die nötige Lockerheit, um zu gewinnen, also der X-Faktor. Jannik Sinner hat diesen X-Faktor, er siegt, weil er im Kopf stark ist.
Im Unterschied zum Kalterer Andreas Seppi, der sein gesamtes Tennisleben mit einem einzigen Trainer – Massimo Sartori – bestritten hat, hatten Sinner und seine engsten Berater vor zwei Jahren den Mut, die höchst erfolgreiche Zusammenarbeit mit Riccardo Piatti zu beenden, und mit Simone Vagnozzi und Darren Cahill zwei neue Trainer zu engagieren.
Eine Entscheidung, die anfangs für Verwunderung und auch für Argwohn sorgte.
Riccardo Piatti hatte Sinner im zarten Alter von 13 Jahren in sein Camp nach Bordighera geholt. Er hat großen Anteil an Jannik Sinners Erfolgen, aber den Feinschliff zum Superstar hat Sinner erst durch das Duo Vagnozzi-Cahill erhalten, sagen Tennis-Experten.
Jannik Sinners wichtigster Berater ist Alex Vittur.
Der 39-jährige Brunecker war es, der Sinner (auf einen Tipp von Massimo Sartori hin) zu Riccardo Piatti gebracht hat. Sinner, so heißt es, unterschreibt keinen Vertrag, ohne zuvor mit Alex Vittur gesprochen zu haben.
Zwei weitere wichtige Figuren im interdisziplinären Stab von Jannik Sinner sind Joseph Cohen, ein 31-jähriger Brite, und Ruben Zrihen, ein Franzose.
Joseph Cohen ist der „Schutzengel“, den StarWing Sport-Chef Lawrence Frankopan für Jannik Sinner „abgestellt“ hat. Er ist das Bindeglied zwischen Sinner und der Londoner Agentur. Und Ruben Zrihen ist ein Nike-Manager, der ebenfalls zum Sinner-Stab gehört und zu allen Turnieren mitreist.
Nike war eine der ersten Welt-Marken, die die Strahlkraft des Sextners erkannte und mit einem sagenhaften Vertrag ausstattete.
Zum guten Ton, den ihm sein Berater-Stab empfiehlt, gehört auch, dass Jannik Sinner seine (offenbar wiederaufgefrischte) Liebesbeziehung mit der italienischen Influencerin Maria Braccini nicht öffentlich zelebriert.
Jannik Sinner wird wohl abgeschirmt und nach allen Regeln der PR-Kunst vermarktet, aber er – und das macht den jungen Südtiroler zur Ausnahme von der Regel – ist keine Kunstfigur. Mit seiner entwaffnenden Bescheidenheit, mit seinem bubenhaften Lächeln, mit seiner Familienverbundenheit – Sinner wird nie müde, seinem Vater Hanspeter, seiner Mutter Sieglinde und seinem Adoptivbruder Mark zu danken – versprüht er eine authentische Unbeschwertheit.
Jannik Sinner ist das krasse Gegenteil zum Typus arroganter, flegelhafter und bis in die Hinternritzen tätowierter Profifußballer.
Sinners Aussage, er sei nach seinem Sieg in Melbourne nicht nach Sexten gefahren, weil dort das Dorf aufgrund des tragischen Unfalltodes einer Mutter und deren beider Söhne in Trauer sei, berührte viele Menschen.
Der unwiderstehliche Charme des Jannik Sinner macht ihn natürlich auch zum perfekten Werbeträger.
Jannik Sinner selbst weiß vermutlich gar nicht, wie viel Geld er auf dem Konto hat.
Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hat sich die Mühe gemacht, nachzurechnen. Demnach hat Jannik Sinner allein im vergangenen Jahr 35,5 Millionen Euro verdient, 23 Millionen an Sponsorengeldern und 12,5 Millionen Euro an Preisgeldern.
Was viele Berufsneider nicht wissen: Die Preisgelder müssen stets vor Ort versteuert werden. Das heißt: Von den 1,9 Millionen Euro, die Jannik Sinner für den Sieg bei den Australian Open erhält, kassiert 40 Prozent der australische Staat.
Jannik Sinner kann dies verschmerzen.
Der US-Sportartikelhersteller Nike hat Sinner mit einem 10-Jahres-Vertrag ausgestattet, der ihm jährlich 15 Millionen Euro garantiert, hinzu kommen noch ein Dutzend weitere und potente Sponsoren (wie Rolex, Gucci, Lavazza, Fastweb, Parmigiano Reggiano, Alfa Romeo, Technogym, Intesa San Paolo, Pigna, Panini), die ihm weitere fünf Millionen Euro pro Jahr einbringen.
Der wahre Geldregen, der auf Jannik Sinner niederprasselt, hat den jungen Mann nicht verändert.
Wann immer Sinner nach Südtirol kommt, führt ihn sein erster Weg meistens zum Sitz Feuerwehrschule in Vilpian, wo sein älterer Bruder Mark arbeitet.
Oder er sieht sich mit Jugendfreunden aus Sexten ein Match des dortigen Amateurclubs an.
Lawrence Frankopan hatte Recht: Dieser Rotschopf aus dem Südtiroler Nest Sexten hat den X-Faktor.
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Kommentare (3)
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olle3xgscheid
Da wird Sinner früher oder später aussortieren müssen, eindeutig zuviel Manager 😉
rolandlang
Schade, dass ihm der Erfolg zu Kopf gestiegen ist.
Sein erster Weg hätte ihn nach Südtirol und nicht nach Rom führen müssen. Seine Bücklinge vor der Trikolore und die Umarmung vier italienischer Politiker wären auch nicht notwendig gewesen, ein Händedruck hätte vollauf genügt.
Die Ausstellung der sicher verdienten Trophäe im Kolosseum war reine großtuerei!
olle3xgscheid
@roland …. lass gut sein , hötte, müsste, sollte, konnte.
Mach selbst mal