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„Konsequente Haltung“

Johann Huber

In der Mitteilung über seinen Tod hat die Diözese öffentlich gemacht, dass der ehemalige Propst von Innichen, Johann Huber, Minderjährige missbraucht hat. Die Kirche sieht darin eine Akt der Gerechtigkeit.

von Markus Rufin

Jahrelang war sexueller Missbrauch in Kirchen ein großes Tabuthema. Nicht nur gesellschaftlich, auch in den Diözesen. Doch weil in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle von Priestern bekannt wurden, die Kinder missbraucht haben, fahren einige Diözesen mittlerweile einen offeneren Kurs.

In Südtirol wurde bereits 2010 eine Ombudsstelle für Personen, die einen Missbrauch durch Priester oder Ordensleuten erfahren haben, eingerichtet. Opfer oder Angehörige können sich dort anonym melden, die Diözese geht diesen Meldungen nach und leitet eventuelle weitere Schritte ein.

Besonders auskunftsfreudig war aber auch diese Ombudsstelle nicht. Einmal im Jahr veröffentlicht die Stelle einen Bericht. 2022 gingen demzufolge 13 Meldungen ein. Ein Verdachtsfall betraf eine aktuelle Situation, die restlichen Fälle liegen „zum Großteil“ weit zurück.

Mit Details darüber, wer die Priester oder Ordensleute sind, die übergriffig geworden sein sollen oder wo diese tätig waren, ging die Ombudsstelle spärlich um – immer mit dem Verweis auf den Opferschutz.

Doch vergangene Woche erregte die Nachricht vom Tod von Johann Huber Aufmerksamkeit. Huber war jahrelang als Dekan und Propst in Innichen tätig. Bis 2014 war er als Seelsorger in Vals tätig. In der offiziellen Mitteilung ist es vor allem ein Satz, der aufhorchen ließ: „In seinem Einsatz in der Jugendseelsorge gab es auch Schattenseiten: Durch grenzüberschreitendes Verhalten hat er junge Menschen verletzt.“

Laut Gottfried Ugolini, Referent des Dienstes für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen in der Diözese, handle es sich dabei um Fälle, die lange Zeit zurückliegen. Der Ombudsstelle wurden diese Fälle bereits nach Hubers Tätigkeit als Seelsorger oder Priester gemeldet. Das ist auch der Grund, weshalb er nicht von seinen Ämtern enthoben wurde.

Streiten lässt sich aber vor allem über die Art wie Hubers Fehlverhalten kommuniziert wurde. Warum wurde dieses nicht schon zu Lebzeiten öffentlich gemacht? Und ist es nicht pietätlos dies direkt nach dem Tod des Verstorbenen mitzuteilen?

Laut Ugolini handelt es sich um eine einheitliche Vorgehensweise, auf die sich der Fachbeirat vor etwa drei Jahren mit dem Bischof geeinigt hat: „Wenn Priester versterben, die des Missbrauchs beschuldigt worden sind, werden wir das in den Mitteilungen über den Tod der Priester erwähnen. Wir machen das, um die Situation offen zu legen, weil wir eine Politik der Transparenz fahren wollen. Bei Johann Huber war das erstmals der Fall. Wir wollen damit den betroffenen Männern und Frauen zeigen, dass wir deren Leid ernst nehmen und dazu beitragen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.“

Den Missbrauch der Priester bereits zu Lebzeiten öffentlich zu machen, sei oftmals schwierig. Häufig melden sich Opfer laut Ugolini erst 30 oder 40 Jahre nach dem Ereignis. Geht eine Meldung bei der Ombudsstelle ein, wird zuerst geprüft, ob die Angaben der Personen korrekt sind, indem geschaut wird, zu welcher Zeit der Priester an welchen Orten tätig war. Anschließend wird eine entsprechende Meldung nach Rom gemacht, wo weitere Schritte eingeleitet werden. Auch im Fall Huber wurden diese Schritte eingeleitet, konnten aber nicht mehr abgeschlossen werden.

Nur wenn kirchenrechtliche oder zivilrechtliche Schritte unternommen werden, können die Fälle öffentlich kommuniziert werden. Zuletzt ist das in Südtirol im Fall Alois Kranebitter geschehen. Nach Missbrauchsmeldungen wurde der ehemalige Pfarradministrator von Pens und Aberstückl von seinen Ämtern enthoben.

Umso mehr drängt sich aber die Frage auf, warum die Mitteilung über den Missbrauch im Fall Huber zeitgleich mit der Mitteilung über sein Ableben erfolgen muss. Ugolini unterstreicht, dass die Diözese damit vor allem den Opfern Gerechtigkeit gegen will: „Die Betroffenen sind dankbar, wenn das öffentlich gemacht wird und wir eine offene Linie fahren. Wird selbst in der Mitteilung über seinen Tod nur seine seelsorgerische Tätigkeit erwähnt, haben die Betroffenen häufig das Gefühl, dass erneut versucht wird, alles zu vertuschen.“

Werde der Missbrauch nicht erwähnt, bestünde laut Ugolini sogar die Gefahr, dass erneut ein Trauma aufgeworfen werde. Eine klare Kommunikation könne hingegen dazu führen, dass Präventionsmaßnahmen gestärkt werden.

Ugolini versteht aber auch, wenn man die Mitteilung als pietätlos empfindet: „Natürlich gibt es dazu unterschiedliche Reaktionen, denen wir uns stellen und es besteht das Risiko, dass der Missbrauch zum zentralen Aspekt seines Todes wird, aber man wird den Betroffenen nicht gerecht, wenn man das verschweigt.“

Der Diözese ist in solchen Situationen die Gerechtigkeit den Opfern gegenüber also wichtiger. Ugolini sieht darin vor allem eine „konsequente Haltung der Politik“, Missbrauchsfälle klar offen zu legen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (16)

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  • opa1950

    Auch im Leben des Bischofs gibt es Schattenseiten.Wie bei vielen anderen auch.

  • andreas69

    Wenn jemand gegen das Gesetz verstoßen hat, soll er/sie zu Lebzeiten dafür zur Verantwortung gezogen werden. Nach dem Tod soll Ruhe sein. Ich finde dieses Nachhaken, wie es auf Anordnung des Bischofs bei dieservPerson geschehen ist, sehr fragwürdig. Außerdem ist es scheinheilig! Dann müsste man konsequenterweise bei jedem Grab die Verfehlungen des Verstorbenen angegeben werden. Da hat sich der Bischof wieder mal selbst einen Tritt verpasst.

  • pingoballino1955

    Herr Ugolini und Muser,was seid ihr für ein verlogenes “ PACK“Warten bis der Missbrauchstäter stirbt und dann nach seinem TOD ohn öffentlich auflaufen lassen,was ja richtig ist,aber nicht vor seinem Tod alles VERTUSCHEN,obwohl ihr alles Jahrzehntelang gewusst habt! Ihr S HW….. ..

  • placeboeffekt

    Jeder normal Sterbliche würde bei derartigen Vergehen zu recht in den Bau wandern.

    Das einzige Strafmaß für Priester und Pastoren ist ein kleiner virtueller Klaps auf die Finger, und wenn sie es ganz schlimm getrieben haben, die Versetzung

    Dies sagt alles über die Macht der Kirchen aus.

  • pingoballino1955

    V E R L O G E N E N !!!

  • opa1950

    Muser und Brunner,eine perfekte Kopie.Bei Geldgeil.

  • puschtramadl

    Viel zu lange wurden Missbrauchsfälle verschwiegen und vertuscht. Durch die Versetzung in eine andere Pfarrei glaubte man, das Problem gelöst zu haben. Die sogenannte “ Konsequente Haltung“ wie sie jetzt propagiert wird, ist nur der Versuch das jahrzehntelange Fehlverhalten der Kirchenführung abzumildern. Die Vorgangsweise finde ich rechtlich sehr bedenklich. Erst kürzlich wurde ein Mann wegen sexuellen Missbrauch verurteilt, da wurden weder der Namen noch ein Foto veröffentlicht.Wie man aus dem Bericht entnehmen kann, konnte der Fall Huber nicht abgeschlossen werden, also hat
    man Jahrzehnte lang geschwiegen. Warum also jetzt? Diese Vorgangsweise ist äußerst fragwürdig, vorallem den Angehörigen und Pfarreien gegenüber, die ahnungslos waren. Wie bedenklich diese Art der Aufarbeitung ist, zeigt sich auch darin, dass die Todesanzeige von der Trauerhilfe genommen werden musste, da sich persönliche Angriffe, wie “ fahr zur Hölle“ häuften.

  • morgenstern

    Diese „Konsequenz“ sollte sich die Kirche patentieren lassen und zwar, den Deckel erst aufmachen, wenn der andere Deckel zu ist. Schämt euch in Grund und Boden!!

  • lexeric

    Auch Gewalt und Phantasien verpackt in Geschichten an jungen Menschen ist missbrauch. Alle Klosterschulen sind voll von perversen Erziehern. Diese sollten eigentlich alle einen psychologischen Test durchlaufen, bevor sie auf Jugendliche losgelassen werden. Der Schaden den sie anrichten und angerichtet haben ist immens.

  • lexeric

    Alle diese Personen, die sich jetzt und in der Vergangenheit an jungen Menschen vergangen haben, egal ob mit sexueller Gewalt oder verbal sollen auf Lebzeiten suspendiert werden. Hier darf es auch keine Verjährung geben, denn das ist wie ein Mord zu betrachten – ein Mord der Seele eines Kindes, und der ist auch lebenslänglich.
    Im Namen der Kirchen, der Geistlichen und wessen? Meinen Peiniger hab ich genannt, ob er seine Strafe erhält ist fraglich. Vielleicht häng auch ich ihm einen Zettel auf sein grabkreuz.

  • tirolersepp

    Der liebe Mann ist Tod – jetzt noch hinterherlaufen und alte Sünden suchen ist einfach nur schäbig !

    Übrigens Mißbrauch gibt es unter den sogenannten normalen Menschen viel mehr als in der katholischen Kirche – also Leute fegt gefälligst vor der eigenen Tür – upps sein sowas gibt es nicht in meiner Umgebung !!

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