In der Zwickmühle
Auch wenn die deutsche Autoproduktion 2023 wieder gewachsen ist, steckt dieser zentrale Industriezweig weiter in einer schwierigen Situation. Die Missstimmung in der Branche färbt auch auf Politik und Gesellschaft ab.
von Michael Senoner
Der Verband der Deutschen Automobilindustrie hat erstmals Produktionszahlen für 2023 vorgelegt und sie wirken auf den ersten Blick erfreulich. Nach der schwierigen Corona-Zeit ist die Produktion wieder gestiegen, im Jahresvergleich sogar um 18% auf 4,1 Millionen PKWs. Allerdings hat die Industrie noch immer nicht das Niveau von vor der Pandemie erreicht und blieb 12% unter den Zahlen von 2019, das wiederum eines der schwächsten Jahre seit der Jahrtausendwende gewesen war. Auch weltweit spielen deutsche Autos eine geringere Rolle als früher: Allein in China wurden letztes Jahr über 30 Millionen Autos hergestellt, eine gewaltige Steigerung, denn noch 2005 belief sich die Produktion auf 3 Millionen. Hinter China rangieren die USA und Japan als nächstgrößere Produzenten. In diesen Ländern gibt es auch Großhersteller wie Tesla oder BYD, die ausschließlich auf Elektroautos setzen.
Wenn man nach Gründen für die Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft fragt – 2023 wurde eine leichte Rezession registriert und auch die Prognosen für 2024 sind schwach – werden oft die Probleme der Autoindustrie hervorgehoben. Der Umstieg auf Elektromotoren hat die Industrie am falschen Fuß erwischt, verstärkt wurde dies durch die Produktions-Stilllegungen während der Pandemie. Rein technisch war die schnelle Wende zum Elektromotor natürlich eine große Herausforderung für alteingesessene Produzenten. Verbrennungsmotoren gelten als ungleich komplexer als Elektromotoren und damit hat die Umorientierung am Markt den deutschen Herstellern einen großen technischen Vorsprung aus der Hand genommen. Heute werden neue Modelle nicht mehr mit Hinweis auf die Leistungskraft ihrer Motoren vermarktet, sondern aufgrund ihrer Software-Möglichkeiten. Aber nicht nur die Autohersteller waren langsam beim Erkennen der Zeitenwende in der Branche, auch viele Zulieferer haben zu lange am Verbrennungsmotor als Zukunftsmodell festgehalten. So gibt es heute in Deutschland etwa 100 Zulieferer weniger als noch vor zehn Jahren, ein Trend der allein seit 2020 etwa 30.000 Arbeitsplätze gekostet hat. Auch in Südtirol gibt es Unternehmen, die Autobestandteile in den süddeutschen Raum liefern. Insgesamt blieben die europäischen Zulieferer zu stark auf ihre alten Kunden fokussiert, während sich ihre Konkurrenten aus Asien auf schneller wachsende Elektro-Hersteller umorientierten und dementsprechend auch technisch umsattelten.
Die fehlende Dynamik der deutschen Wirtschaft spiegelt sich auch in makroökonomischen Indikatoren wider. So hat sich der Arbeitsmarkt seit Anfang 2022 merklich abgeschwächt – die Arbeitslosigkeit stieg von 5% auf fast 6% an. Zusammen mit den Kaufkraftverlusten der letzten Jahre sicher mit ein Grund, warum es derzeit im politischen Gebälk so kracht. Die Bauernproteste waren wohl nur eine erster Warnschuss.
Kommentare (8)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.