„Es muss Konsequenzen geben“
Der römische Gruß muss nicht immer strafbar sein. Das besagt ein Urteil des Kassationsgerichtes. Der Verfassungsrechtler Francesco Palermo erklärt die Hintergründe und Bedeutung des Urteils.
von Christian Frank
Mit schräg emporgestreckten Armen, gekleidet in schwarzen Hemden und Jacken, skandierte Anfang des Monats eine formierte Hundertschar in der Acca Larenzia Straße in Rom: „Für alle unsere gefallenen Kameraden“, und stellte damit eine Kommemoration für drei in den 70er-Jahren ermordeten Neo-Faschisten zur Schau. Der „römische Gruß“, wie die faschistische Geste und italienische Äquivalent zum Hitlergruß genannt wird, wurde mehrmals von den der Versammlung beiwohnenden Anwesenden ausgeführt, ehe sich die Ansammlung wieder auflöste.
Über die Landesgrenzen hinaus gab es Aufschreie über diesen Eklat faschistischen Auftretens im Herzen der Italienischen Republik. Ein kurz darauffolgendes Urteil des Kassationsgerichtes, welches sich zwar nicht mit diesem Vorfall auseinandersetzte, sich jedoch mit demselben Tatbestand befasste, goss Benzin in das Feuer und verstärkte das Entsetzen über die offensichtlichen Freiheiten faschistischer Zurschaustellung.
Im Jahre 2016 wurde in Mailand dem italienischen Studenten und Neofaschisten Sergio Morellani gedacht. Dabei wurde auch der faschistische Gruß verwendet, und in Zuge dessen wurden acht Personen angeklagt. Nun kam das Kassationsgericht zu einem Urteil, welches sich in einem Freispruch ausdrückte. In diesem Fall gelte: der römische Gruß sei keine Straftat.
„Man kann es irgendwie nachvollziehen“, bewertet es Francesco Palermo, Jurist und Universitätsprofessor für Italienisches Verfassungsrecht. „Die Richter haben einen ziemlich großen Ermessensspielraum, damit der Richter in jeder einzelnen konkreten Situation schauen kann, inwieweit es zu einer Verherrlichung des Faschismus führt“, erklärt Palermo, stellt sich jedoch dieser Handhabe kritisch gegenüber.
„Wenn sich zwei Personen auf der Straße mit dem römischen Gruß grüßen, dann ist das keine Straftat. Es ist eine dumme Geste, aber gilt als kein Strafbestand“, erläutert Palermo. Grundlage für diese Rechtsprechung bietet das sogenannte Scelba Gesetz, weiß der Jurist: „Wenn kein Versuch die faschistische Partei wiederzugründen und keine klare dahingehende Demonstration zu erkennen ist, ist es grundsätzlich straffrei“.
Es würden jedoch noch weitere Faktoren miteinspielen, welche im Rahmen eines „sehr großen Interpretationsspielraumes der Richter“, nicht immer abzuschätzen seien, sagt Palermo: „Der jeweilige Richter muss schauen, von welch gesellschaftspolitischer Bedeutung der Vorfall ist und in welchem gegenwärtigen Kontext es verstanden werden kann. Zudem gelten erhärtende Umstände, wenn derlei Gesten vor Regierungsgebäuden ausgeführt werden. Ein zur Schau stellender römischer Gruß vor dem Südtiroler Landtag hätte durchaus Folgen.“
Für den jüngsten Vorfall in Rom sehe Palermo jedoch durchaus Konsequenzen und wertet diesen Vorfall schwerer als jenen in Mailand vor acht Jahren: „Ich denke, dass es absolut Konsequenzen haben wird. Es war eine klare parteipolitische Demonstration. Und an den Kriterien, welche das Kassationsgericht festgelegt hat, handelt es sich klar um eine Verherrlichung des Faschismus. Es muss Konsequenzen geben“
Trotz Palermos Überzeugung strafrechtlicher Ahndung des schockierenden Vorfalls hat er eine klare Position zur allgemeinen Handhabe der Rechtsprechung: „Die Gesetzgebung ist viel zu mild, und das war sie schon immer.“ Palermo sehe den mangelnden restriktiven Charakter der Gesetzeslage im Geist der Nachkriegszeit verankert.
„Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und vor allem in den tumultuösen 70er-Jahren wurde die bewusste Entscheidung getroffen, die faschistische Linie zu integrieren, anstatt sie auszuschließen“, rekapituliert Palermo und stellt den konträren Vergleich zu Deutschland an: „Während in Deutschland verständlicherweise jede Art von nationalsozialistischer Bewegung verboten wurde, herrschten in Italien die Annahme, dass man den Movimento Sociale lieber im Parlament als auf den Straßen haben sollte. Es grassierte große Angst vor Terrorismus.“
Mit einem Schritt in der kontrafaktischen Geschichtsschreibung herrsche, so Palermo, die allgemeine Überzeugung, dass eine strengere Vorgehensweise die damalige Situation noch verschlimmert hätte. Der faschistische Arm war militant, doch politisch kaum einflussreich.
„Diese Situation hat sich nun geändert“, konstatiert Palermo und sieht einen Aufschwung Neo-Faschistischer Parteien und Strömungen. Seiner Einschätzung nach jedoch ein weiterer nachvollziehbarer Grund, warum die Rechtsprechung nicht mit klareren Verboten dient.
„Man will stets ein gewisses Märtyrertum oder Opferrolle vermeiden, welche sich durch solche Verbote profiliert. Die Gesetzeslage war schon immer gewollt mild, leider zu mild“, resümiert der Verfassungsrechtler.
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Kommentare (6)
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steve
Casa pound besetzt seit zwanzig Jahren ein öffentliches Gebäude in der römischen Innenstadt! Sogar der Schriftzug Casa Pound ist darauf aufgebracht!
Trotz zig Räumungsbefehlen von Seiten det Politik, was ist passiert: Nichts!
Polizei und Ordnungsmacht?! Man mag sich ja!
heracleummantegazziani
Der Schriftzug wurde mittlerweile von den Besetzern selbst abgenommen um den Behörden zuvorzukommen. Dass bisher, aus vollkommen fadenscheinigen Gründen nichts gegen die widerrechtliche Besetzung des Sitzes in der Via Napoleone III (seit 20 Jahren!) unternommen wurde, zeigt schon welcher Geist dort weht.
heracleummantegazziani
Ich verstehe nicht, weshalb das Höchstgericht sich auf das Scelba-Gesetz hinausredet. Das Mancino-Gesetz von 1993 hätte m.E. schon eine Basis geliefert, eine Verurteilung zu rechtfertigen.
Vielleicht besinnen sich die „ermellini“ ja darauf bei der eventuellen Bewertung dieses jüngsten Vorfalls.
brutus
…also darf man in der Öffentlichkeit einen Menschen jüdischen Glaubens provokant mit einem Faschistengruß „grüßen“!? …oder etwa doch nicht?
…da kann man nur den Kopf schütteln, über soviel juristische Verharmlosung!
heracleummantegazziani
Nein, das wäre im Sinne des Mancino-Gesetzes strafbar.
pingoballino1955
Schätze Professor Palermo sehr,der weiss von was er redet!