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„Vaffa…“ vor dem Gefängnis  

 

Zwei Carabinieri, die im Sommer 2019 vor dem Bozner Landeskommando, aus zweifelhaften Gründen einen Mann festnahmen, stehen nun vor Gericht. Der Festgenommene bestätigt als Zeuge seine Version.

 Von Thomas Vikoler

Überwachungskameras machen keinen Unterschied, ob sie Carabinieri im Dienst filmen oder einen Zivilisten in nächtlicher Mission. Freilich lässt sich der Inhalt der Aufnahmen unterschiedlich auslegen und es kann darüber diskutiert werden, ob die Originalaufnahme dasselbe wiedergibt wie eine Kopie auf DVD.

Darum geht es u.a. in einem Strafhauptverfahren am Landesgericht vor Einzelrichter Walter Pelino. Angeklagt sind dort zwei Carabinieri, heute 57 und 38 Jahre alt, die zum Tatzeitpunkt im Sommer 2019 in Partschins stationiert waren. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die widerrechtliche Festnahme eines Mannes, Falscherklärung und falsche Anschuldigungen vor.

Ihr Verteidiger Nicola Nettis stellte in der Hauptverhandlung am Dienstagnachmittag den Antrag, dass sämtliche Aufnahmen von drei Überwachungskameras im Original (und nicht wie derzeit als Kopie) in den Prozessakt einfließen sollen. Es gehe, so der Anwalt, um die genau Klärung der zeitlichen Abfolgen der aufgenommenen Ereignisse und auch um die Aufbewahrungskette der Original-Videos.

Bei den Aufnahmen handelt es um jene, die um Mitternacht von den Überwachungskameras des Landeskommandos der Carabinieri in der Dantestraße in Bozen, des benachbarten Gefängnisses und des Konzerthauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite gemacht wurden.

Sie haben ein Ereignis eingefangen, bei dem die beiden Uniformierten laut einer Verfügung der Kassation die „minimalsten Regeln der beruflichen Korrektheit“ verletzt haben. Die beiden Beamten waren nämlich nach dem Vorfall mit richterlicher Verfügung für zehn Monate vom Dienst suspendiert worden. Die Maßnahme wurde später vom Höchstgericht bestätigt.

Im Hauptverfahren geht es vornehmlich um die Frage, ob der von den beiden Partschinser Carabinieri gesetzte Schritt – die Festnahme eines gebürtigen Albaners namens A.S. – gerechtfertigt war oder nicht bzw. eine Gefahrensituation gegeben war. Der Untersuchungsrichter hat die Festnahme jedenfalls nicht bestätigt und laut Anklage deutet alles darauf hin, dass die Beamten eigenmächtig vorgegangen sind.

Warum?

Sie fühlten sich von einer Geste von A.S., der vor dem Gefängnis zusammen mit seiner Frau wartete (sie waren dort, weil der Bruder von ihm gerade dorthin gebracht worden war), provoziert. Sie hätten A.S. eine gute Nacht gewünscht, dieser habe mit einem lauten „Vaffa…“ reagiert.

Was folgte, ist auf den Videoaufnahmen mehr oder weniger gut dokumentiert: Die beiden Carabinieri steigen aus (ein dritter verhält sich dagegen passiv), stoßen den Mann zu Boden und legen ihm die Handschellen an. Er wird in das nahe Carabinieri-Kommando gebracht und später in den Hausarrest überstellt.

In das Festnahmeprotokoll schrieben die beiden Beamten, sie seien von A.S. angegriffen worden, er habe Widerstand geleistet.

Der Festgenommene bestätigte am Dienstag bei seiner Einvernahme als Zeuge seine Version und betonte, dass sein „Vaffa…“ nicht an die vorbeifahrende Carabinieristreife adressiert gewesen sei (was Verteidiger Nettis bezweifelt).

Der Prozess, in dem zahlreiche Zeugen aussagen werden, wird am 8. März fortgesetzt.

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