Leitner hat gezahlt
Die Anwälte der Firma Leitner vermelden bei der Vorverhandlung zum Mottarone-Seilbahnunglück Entschädigungsvereinbarungen mit allen Opfer-Angehörigen. Und bestreiten eine strafrechtliche Verantwortung.
Von Thomas Vikoler
Fabrizio Cecconi, Verteidiger von Leitner-Chef Anton Seeber, überbrachte die Nachricht gestern zum Auftakt der Vorverhandlung in der Stadt Verbania: Der Sterzinger Seilbahnbauer hat mit 77 Opfer-Angehörigen bzw. Nebenklägern im Strafverfahren zum Mottarone-Seilbahnunglück Entschädigungsvereinbarungen getroffen.
Wie die TAGESZEITUNG gestern vorab berichtete, hat Leitner die Zahlungen von Schmerzensgeld bereits getätigt. Also bevor es zu einer Einigung der Nebenkläger mit der Versicherung des Sterzinger Unternehmens kam.
Dieses sprach in einer Aussendung von einer „Geste der Solidarität und Verbundenheit“ und einer „spontanen“ Initiative. Nicht ohne Hintergedanken: Es handelt sich um eine Vereinbarung mit ausdrücklicher Abtretung sämtlicher Ansprüche der Geschädigten, damit Leitner in der Folge und im Regressweg die „vorgestreckten“ Beträge von den strafrechtlich Verantwortlichen für den Tod von 14 Passagieren zurückfordern kann.
Die Rede ist von „beträchtlichen Summen“, welche die Entschädigung der Versicherung der Betriebsgesellschaft Mottarone Ferrovie überschreite. Über die Höhe der gezahlten Beträge gebe es ein Stillschweigeabkommen mit den Betroffenen (es dürfte sich insgesamt aber um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln). Laut Anwalt Cecconi war die Schadensabdeckung durch die Versicherung der Betriebsgesellschaft dürftig.
Bisher keine Einigung über Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld gibt es zur Position des heute siebenjährigen Eitan, der den Absturz der Kabine am 23. Mai 2021 wie durch ein Wunder erlebte und seine Eltern und Geschwister verlor. „Dazu muss sich erst der Vormundschaftsrichter äußern“, erklärte Cecconi am Rande der Vorverhandlung.
Leitner selbst sieht sich trotz der freiwilligen Schadensersatzzahlung und trotz der Anklagerhebung gegen drei Vertreter der Firma weiterhin als Geschädigte in diesem Verfahren. „Gegen die Verantwortlichen für diese Tragödie will Leitner in allen Instanzen vorgehen, um sein Image zu schützen und den entstandenen Schaden zu ersetzen“, teilte das Unternehmen mit.
Die Staatsanwalt Verbania hat nach einer langen Ermittlung Anklage gegen acht Personen erhoben, darunter Luigi Nerini, Inhaber der Betriebsgesellschaft, Betriebsleiter Enrico Perocchio, und der Techniker Gabriele Tadini, der gestanden hat, eine Sicherheitsklemme an der Kabine gelöst zu haben.
Angeklagt sind auch Anton Seeber, Präsident des Verwaltungsrates des Sterzinger Seilbahnbauers Leitner, Verwaltungsrat Martin Leitner und der für die Kundenbetreuung zuständige Angestellte Peter Rabanser. Leitner hatte seit 2016 einen Instandhaltungsvertrag mit der Gesellschaft Ferrovie Mottarone, den Vertretern des Unternehmens wird in einem Neben-Anklagepunkt vorgeworfen, Betriebsleiter Perocchio, einem Angestellten von Leitner, nicht ausreichend überwacht zu haben.
Paolo Corti und Andrea Gnecchi, die hiesigen Anwälte von Leitner, bestreiten die Vorwürfe und werden in der Vorverhandlung eine Einstellung des Verfahrens gegen ihr Mandanten beantragen.
Die Zahlungen an die Nebenkläger ist Teil dieser Verfahrensstrategie.
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Kommentare (1)
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andreas
Der „Altriusmus“ Leitners ist nicht wirklich nachvollzeihbar, da sie die Wartung inne hatten und das Problem der blockierenden Bremse wohl bekannt war.
„Es handelt sich um eine Vereinbarung mit ausdrücklicher Abtretung sämtlicher Ansprüche der Geschädigten,…“
Der Techniker, welcher die Bremsen blockiert hat, war halt der „ultimo sce.mo“, welcher die vorherigen Unzulänglichkeiten kompensiert hat, um den Betrieb am Laufen zu halten.
Leitner macht in der Angelegenheit nicht die beste Figur, im Gegenteil.