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„Schule fürs Leben“

Neo-LR Ulli Mair

Ulli Mair, Landesrätin in spe, ist stolz auf das Ergebnis, das die Freiheitlichen in den zähen Verhandlungen mit der SVP erzielt haben. „Schmetterlinge im Bauch“ habe sie aber nicht.

von Matthias Kofler

Ulli Mair sitzt gut gelaunt an ihrem Schreibtisch und blättert durch die 54 Seiten des Koalitionsprogramms. Ende des Monats wird die Freiheitlichen-Frontfrau das Fraktionsbüro im Landtag verlassen und in ein anderes Gebäude ziehen, wo ihr Ressort untergebracht ist. Ihr altes Büro übernimmt eine Ein-Mann-Fraktion. Über die Kompetenzen, die ihr Landeshauptmann Arno Kompatscher übertragen will, schweigt die designierte Landesrätin. Ulli Mair sagt nur so viel: In einer 11er-Regierung hätte sie ein paar Kompetenzen weniger als in einer 8er-Regierung. Die Blauen präferieren die kleinere Variante, wollen aber kein Veto gegen die größere einlegen. Das sei Entscheidung der italienischen Partner.

Im Koalitionspapier hat Ulli Mair die auf Vorschlag ihrer Partei beschlossenen Abschnitte blau unterlegt. Ob Sicherheit, Bildung, Wohnen oder Wirtschaft, die „blaue Handschrift“ findet sich auf fast jeder Seite und in jedem Kapitel. Während Fratelli d’Italia, Lega und La Civica in den Verhandlungen wenige eigene Akzente setzen konnten, weil sie zu sehr in den Streit um die Posten verwickelt waren, erwiesen sich die Freiheitlichen als harte Nuss. Sie waren es, die Kompatschers Werte-Präambel, die ursprünglich 20 Seiten umfasste, auf eine kurze Einleitung gestutzt haben. Dass erstmals in der Regierung ein Landesrat eigens für die Bereiche Sicherheit und „bürgernahe Verwaltung“ – also Bürokratieabbau – zuständig ist, geht auf die Initiative der Blauen zurück. „Wir verstehen die Verwaltung als Dienstleistung für die Bürger und sehen noch viel Potenzial“, erklärt Ulli Mair. Auch im Bereich der Integration wollen die Freiheitlichen der neuen Exekutive ihren Stempel aufdrücken: Philipp Achammers Konzept des „Förderns und Forderns“ geht ihnen zwar gut. Allerdings müsse dieses nun konsequent umgesetzt werden, etwa durch den Entzug von Förderungen für „Integrationsunwillige“ und die Einführung von Vouchern statt monetären Zuwendungen.

Ulli Mair ist seit 2003 Mitglied des Südtiroler Landtags. Mit ihrer Partei hat sie viele positive Momente erlebt, wie die Wahlerfolge 2008 und 2013, aber auch weniger schöne, etwa den Renten-Skandal oder die Penisring-Affäre. Die Freiheitliche ist eine erfahrene und leidenschaftliche Oppositionspolitikerin. Ihr Schicksal hat sie geläutert. Das sagt sie auch selbst über sich. Nach 20 Jahren die Seiten zu wechseln, ist für die Boznerin immer noch ein ungewohntes Gefühl. „Die Verhandlungen waren für mich eine neue, lehrreiche Erfahrung und eine Schule fürs Lebens“, verrät sie. In der Opposition könne man alles verlangen, „aber als Vertreter der Regierung muss man auch dafür sorgen können, dass das, was man ankündigt, umgesetzt wird“. Es ist sehr zweifelhaft, dass Ulli Mair die Arroganz der Macht zu Kopf steigen wird. Sie war es, die im Koalitionsprogramm immer wieder das Ziel formulierte, alle Fraktionen und Bereiche der Gesellschaft einzubinden, zum Beispiel bei der Einrichtung eines Rundfunkbeirats oder bei der Aufarbeitung der Pandemie, beides Anträge der Freiheitlichen. Corona habe tiefe Gräben in der Bevölkerung aufgemacht, diese wolle man nun zuschütten, sagt die Freiheitliche.

Am Montag hat der Vorstand der Blauen das Programm mit Vorbehalten gebilligt. Einige Bereiche wie Umwelt-, Denkmalschutz, Energie und Wohnen mussten in den Folgetagen nachgebessert oder präzisiert werden. Erst danach hat Ulli Mair die Regierungserklärung unterzeichnet, mit der der Landtag zur Wahl des LH einberufen werden konnte. Als besonders wichtig erachtet die Abgeordnete den neu geschaffenen Koalitionsausschuss, der die Arbeit innerhalb der Mehrheit koordinieren, die Umsetzung des Programms überwachen und sich um die Kommunikation nach außen kümmern soll. „In der Vergangenheit lebte jeder Landesrat in seiner eigenen Welt“, erinnert sich Ulli Mair. Heute sei man wir in einer völlig neuen Situation, mit einer Fünferkoalition, in der vor allem eines gefragt sei: Pragmatismus. „Es ist uns gelungen, ein fortschrittliches, ehrgeiziges und realistisches Arbeitsprogramm für Südtirol zu erstellen, das die Themen und Probleme der Menschen aufgreift. Es ist weder ein ideologisches Programm noch ein Kompromiss, sondern ein Programm, in dem wir uns gut wiederkennen“, so die Freiheitliche.

In den wochenlangen und zähen Verhandlungen haben Ulli Mair und Co. gezeigt, dass es ihnen weniger um Posten, sondern um das Gestalten geht. Jetzt ist es an der Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und sich an die Arbeit zu machen. „Eine Liebesheirat wird es sicher nicht“, betont die Abgeordnete, „niemand hat Schmetterlinge im Bauch.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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