Zurück in die Zukunft
Zwei der wichtigsten Gründe, warum die SVP für die künftige Landesregierung „den Pakt mit dem Teufel“ eingehen will, sind die Wiedererlangung der Autobahnkonzession und die Reform des Autonomiestatuts. Wie es um die Chancen auf Umsetzung steht.
Von Thomas Vikoler
Ein gutes Verhältnis zur aktuellen römischen Rechts-Regierung zu schaffen, um die Arbeiten auf zwei der wichtigsten Baustellen voranzubringen. So rechtfertigt die SVP, mehr oder weniger ausdrücklich, die anstehende Koalition mit den Fratelli d`Italia, der Lega (und den Freiheitlichen). Die Gegner, die bisher dreimal gegen das geplante Bündnis auf die Straße gegangen sind, sprechen dagegen von einem „Pakt mit dem Teufel“.
Die beiden Großbaustellen sind die Wiedererlangung der vor über zehn Jahren ausgelaufenen (und derweil vorläufig verlängerten) Konzession für die Autobahn A22 und die Reform des Autonomiestatuts, um rechtlich zumindest den Status von vor der Verfassungsreform 2001 wiederherzustellen. In beiden Fällen geht es um ein Zurück zu früheren Zuständen, von der die Zukunft Südtirols nicht unwesentlich abhängt. Aus der Sicht von Landeshauptmann Arno Kompatscher offenbar derart stark, dass er eine Koalition mit den Rechten eingehen will, obwohl er eigentlich – nach seinen Worten – eine mit der Linken bevorzugt hätte.
Wie steht es aber mit den Chancen auf eine Umsetzung der beiden vermeintlich existenziellen Forderungen an Rom, die Teil des Deals mit den Fratelli d`Italia und der Lega sind?
Zunächst zum Langzeit-Baustelle A22: Dazu brachte die Brennerautobahn AG, deren größte Aktionärin die Region Trentino-Südtirol ist, im Sommer 2022 beim Transportministerium ein PP-Projekt ein, das nach einem langen Richtungsstreit zwischen Südtirol und dem Trentino die gefürchtete Neuausschreibung mit der Beteiligung Privater verhindern sollte. Vor einem Jahr erklärte das Transportministerium das PP-Projekt für technisch machbar.
Seitdem hat sich nicht wirklich viel getan, obwohl mit Matteo Salvini ein Lega-Vertreter (das Trentino wird von der Lega regiert) Minister wurde. Es gab im vergangenen Jahr zwei wichtige positive Gutachten von staatlichen Behörden und auch die vorgeschlagene 50-jährige Laufzeit der künftigen Konzession scheint außer Frage zu stehen.
Weiter ausständig ist allerdings das Gutachten der für die Tarifgestaltung zuständigen Regulierungsbehörde ART (Autorità di regolazione die trasporti). Wann dieses vorliegen wird, weiß niemand, dabei hatten die Einbringer des PP-Antrags vor einem Jahr damit gerechnet, dass das Transportministerium die Ausschreibung innerhalb 2023 starten würde.
Inzwischen ist Ende 2024 der neue Hoffnungs-Termin.
Mündet das PP-Verfahren am Ende tatsächlich in einen Wettbewerb, wäre der Zuschlag für die A22-Gesellschaft so gut wie gesichert. Sie müsste ein etwaiges Konkurrenz-Angebot eines Privaten um lediglich einen Euro überbieten, um die Konzession zu erhalten. Damit verbunden wäre ein Investitionsprogramm von 7,2 Milliarden Euro für die kommenden 50 Jahre.
Wie es derzeit aussieht, besteht in der römischen Regierung – sofern sie hält – der politische Wille, die Endlos-Saga um die A22-Konzession abzuschließen. Derzeit ist das Ganze aber vornehmlich eine technisch-bürokratische Angelegenheit.
Wesentlich unsicherer, weil rechtlich und politisch komplizierter, ist die zweite Hypothek auf das künftige Regierungsbündnis der SVP mit den Rechten, nämlich die Reform des Autonomiestatuts. Hier gibt es – neben dem „Feeling“ mit der Regierung von Giorgia Meloni – einige zusätzliche Faktoren: Die bisher unerfüllt gebliebene Forderung einiger nördlicher Regionen mit Normalstatut wie Venetien und die Lombardei nach einer gewissen Form von Autonomie und den Umstand, dass sich auch die übrigen vier Autonomien verfassungsrechtlich in einen Zustand von vor der Verfassungsreform 2001 „zurückbeamen“ wollen.
Vor gut einem Monat haben Südtirol und das Trentino gemeinsam mit Sizilien, Sardinien, Aosta und Friaul Julisch-Ventien Ministerpräsidenten Meloni den Entwurf für ein Verfassungsgesetz zugeschickt. In der Präambel wird darauf hingewiesen, dass Artikel 10 der Verfassungsreform 2001, für die in Südtirol 85 Prozent der Abstimmenden votierten, bisher nicht umgesetzt worden sei. Dort heißt es: „Bis zur Anpassung der jeweiligen Statuten finden die Bestimmungen dieses Verfassungsgesetzes auch in den Regionen mit Sonderstatut und in den Autonomen Provinzen Trient und Bozen Anwendung, und zwar für die Teile, in denen Formen der Autonomie vorgesehen sind, welche über die bereits zuerkannten hinausgehen.“
Eine Art Übergangsbestimmung, deren Nicht-Anwendung dazu führte, dass das Verfassungsgericht in den vergangenen 22 Jahren den staatlichen Querschnittskompetenzen (Umwelt, Wettbewerb und Sozialleistungen) den Vorzug vor der Gesetzgebung der Regionen mit Sonderstatut gab.
Kurz: Deren Autonomie schrumpfte.
Dass Südtirol bzw. das Trentino den größten Appetit auf ein Zurück vor 2001 mit einem zusätzlichen Ausbau der autonomen Zuständigkeit haben, zeigt die Länge ihrer Wunschliste (Artikel 4) im Gesetzentwurf. Gefordert wird u.a. die Streichung des „nationalen Interesses“ aus dem Autonomiestatut, eine neue Rolle der Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut, um sie der Zuständigkeit des Verfassungsgerichts zu entziehen.
Laut dem Bozner Verfassungsrechtler Francesco Palermo ist es mit diesem Rechtskonstrukt allerdings „faktisch unmöglich“, die Verfassungsreform 2001 ungeschehen zu machen. Es sei utopisch, zu glauben, dies könne in einem Streich gelingen.
Parlamentarisch ist für ein Verfassungsgesetz mindestens ein Jahr zu veranschlagen, es muss durch beide Kammern, es braucht eine absolute Mehrheit in der ersten Lesung.
Politisch ist die Angelegenheit weit zeitaufwändiger: Vor Weihnachten wurde immerhin mit Regionenminister Roberto Calderoli vereinbart, in sechs Monaten einen Lösungsvorschlag vorzulegen.
Einen weiteren Zeitplan gibt es bisher nicht.
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Kommentare (13)
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unglaublich
Interessant ist, dass die große Einschränkung unserer autonomen Befugnisse von unseren Volksvertretern so überhaupt nicht mitgeteilt wurde. „Die beste Autonomie der Welt“ wurde also in allen Bereichen beschnitten. AHA!!!
steve
Beschnitten vom Verfassungsgerichtshof.
Sagen sie nur sie haben davon nichts gehört!
jorge
’steve‘, bitte keine Ausreden!
Der Verfassungsgerichtshof bestimmt nur innerhalb des Verfassungstextes und dessen Durchführungsrahmen. Und wer hat den Verfassungstext in der Verfassungsreform 2001 und die Folgejahre vorgelegt, abgestimmt bzw. durchgeboxt und den Durchführungsrahmen dafür geschaffen? Nun, das war das Regierungsbündnis um Berlusconi und co., also haben diese auch die Verantwortung dafür zu tragen und nicht das Verfassungsgericht.
ummagumma
Dieses tote Pferd reitet die SVPfui schon seit Beginn an, doch immer weniger fallen daraus rein. Früher war es das Fegefeuer!!
pingoballino1955
Liebe Svp kennt ihr eure Verträge bezüglich Autonomie,bezüglich Schutzmacht Österreich und Co.? Es scheint Herr LH,sie meinen dass man sie in Rom erhört,mit ihrem Verrat an die Südtiroler Bevölkerung machen sie sich keinen Gefallen,denn man wird sie in Rom trotz Rechtsregierung a la ITALIA,weiterhin links liegen lassen.Ok,letzte Legislatur für sie aber in die Geschichtsbücher werden sie nicht positiv eingehen! Da müssen schon andere Kaliber nach Rom um was an der Autonomie positiv zu ändern! Hätte sie diplomatischer eingeschätzt,das Märchen jetzt plötzlich mit 8 können sie vergessen,das ist für sie nur eine Feigenblattaktion im letzten Moment um nachher sagen zu können: ICH HABE ALLES VERSUCHT!????
asterix
Erst schreiben sie ganze Romane von einem Koalitionsprogramm und jetzt wo es um den Futtertrog geht, wird Kompatscher von den fratelli regelrecht erpresst. Laut Wahlergebnis und Wahlbeteiligung steht den Italienern kein 2. Landesrat zu. Lasst sie gehen, wir wollen in Südtirol keine Postfaschisten in der Landesregierung.
andreas
Mitgekriegt habe ich zwar nichts, dass unsere Autonomie geschrumpft wäre, aber wird schon so sein.
Leid tut es mir aber für alle, welche so darunter leiden müsssen und täglich deswegen gravierende Einschränkungen hinnehmen und deshalb große Opfer bringen müssen.
Ich würde zwar wetten, dass keiner der so Geschundenen auch nur einen Punkt nennen kann, in welchem sich die geschrumpfte Autonomie bemerkbar macht, aber was solls, jammern scheint nicht mehr nur ein Privileg der Bauern zu sein.
olle3xgscheid
Naja geschunden aber immerhin.
Fängt schon beim Recht auf Ausübung der Muttersprache an , täglich.
Andersrum kann mir mal jemand die Vorteile dieser achso vorteilhaften Autonmie aufzeigen?
bananajoe
Andreas, dass man dich als Säugling einmal fallen gelassen hat, hast du warscheinlich auch nocht mitgekriegt. Und trotzdem wars so.
ummagumma
Anderle mache doch irgendetwas nützliche in deinem frustrierten Leben. Z. B. die Senioren aus dem Altersheim an die frischen Luft führen, Immigranten bei der Integration unterstützen oder dem Bischof als Messdiener helfen.
dn
Lauter sinnvolle Vorschläge
sukram
Mit einer so fahrlässigen Verwendung des Wortes „Teufel“ bin ich als Christ nicht einverstanden.
franz1
Die Weltbeschte Autonomie, die A22 hot der Kompatscher laut seines Sinneswandel schon 3x „Heimgeholt“ (gleich wie der Luis den Strom für die Bürger) usw. Jetzt spielt der Calderoli schon wieder die 1te Geige?
A bissl „Blauäugig“ dorf do Kompi jo sein, obo als Jurist isch des verpönt sunscht kennat jeder „Bauerntölpel“ LH werden.
Er werd schun schaugn dass der Futtertrog va die Wähler gfillt weard ….