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„Kompatscher ist der große Verlierer“

Maria Elisabeth Rieder

Maria Elisabeth Rieder ist überzeugt, dass der Teufelspakt zwischen SVP, Fratelli d’Italia und Freiheitlichen nicht mehr zu verhindern ist. Aber Volkspartei und/oder Blaue müssten einen hohen Preis dafür bezahlen.

TAGESZEITUNG: Frau Rieder, Sie haben nur an der ersten Demo gegen eine SVP-Koalition mit den Fratelli d’Italia teilgenommen. Warum nur an einer?

Maria Elisabeth Rieder: Ich habe an der ersten Kundgebung nicht teilgenommen. Ich wollte teilnehmen, aber ich hatte einen unaufschiebbaren Termin in Brixen, so dass ich es nicht mehr rechtzeitig zur Demo geschafft habe.

Es gab dann noch zwei weitere Demos, die letzte am Samstag vor Weihnachten …

Nach der ersten Demo habe ich für mich entschieden, nicht hinzugehen, weil dieser Protest nicht unbedingt eine Parteien-Geschichte ist.

Wie meinen Sie das?

Diese Proteste der Zivilgesellschaft sind wichtig und gut. Es ist richtig und wichtig, wenn die Zivilgesellschaft ihren Unmut zum Ausdruck bringt. Die politischen Parteien sollten diesen Protest aber nicht vereinnahmen. Auch aus diesem Grund habe ich nicht an den Demos teilgenommen.  Wir als Abgeordnete werden unsere Haltung dann im Landtag zum Ausdruck bringen.

Haben die Proteste etwas gebracht?

Sicher! Für Südtirol waren diese Proteste in der Phase der Koalitionsverhandlungen ein Novum. Ich denke, dass den Adressaten des Protestes durch diese Kundgebungen und Proteste bewusst geworden ist, dass die Sachen, die sie machen, nicht okay sind.

Sie glauben wirklich, dass sich die SVP und ihre wahrscheinlichen Koalitionspartner von diesen Demos beeindrucken lassen?

Ja, denn diese Kundgebungen sind ein Zeichen dafür, dass viele Menschen im Lande enttäuscht sind. Es stimmt sicher nicht, dass nur WählerInnen von Linksparteien an den Kundgebungen teilgenommen haben, es waren auch Menschen dabei, die Arno Kompatscher gewählt haben, weil sie in ihm den Garanten gesehen haben, dass das, was jetzt passiert, eben nicht passieren würde. Ich wage daher zu behaupten, dass die Kompatscher-Wähler jene sind, die am meisten enttäuscht sind.

Die Initiatoren der No-Excuses-Kundgebungen räumen jetzt selbst ein, dass sie ihr Ziel, die SVP so unter Druck zu setzen, dass sie die Koalition mit den Rechts-Parteien noch einmal überdenkt, nicht erreicht haben …

Das mag schon sein, aber es war wichtig, dass mit den Demos ein Zeichen gesetzt wird. Es war wichtig, dass mit dem Protest etwas in Frage gestellt wurde.

Hatten Sie sich denn erwartet, dass die SVP aufgrund der Proteste Milch geben und sich neue Juniorpartner suchen würde?

Nein, die Koalition zwischen SVP und Fratelli hat sich bereits vor Monaten abgezeichnet, seit Marco Galateo im Landtag ist. Sie müssen sich nur anschauen, wie viele Beschlussanträge von Galateo im Landtag mit den Stimmen der SVP angenommen wurden. Die SVP hat die Galateo-Beschlussanträge so abgeändert, bis nichts mehr drinnengestanden hat, und dann angenommen. Die Signale gingen eindeutig in die Richtung Koalition SVP-Fratelli.

Also war schon von vornherein klar, dass die Proteste nicht zu einem Umdenken innerhalb der Volkspartei führen würden?

Das schon, aber es war wichtig, dass sich diese Leute parteienunabhängig organisiert und ein friedliches Zeichen gesetzt haben. Sie haben aufgezeigt, dass eine rote Linie überschritten worden ist. So gesehen, haben die Proteste sehr wohl etwas gebracht. Die Demos sind außerdem ein Zeichen dafür, dass die Leute sehr wohl mitdenken und auch aufstehen und aufbegehren. Aber nicht alle Menschen, die enttäuscht sind, haben die Gelegenheit, nach Bozen zu den Kundgebungen zu fahren. Ich bin mir sicher, dass sehr viele Menschen in Südtirol mit dem, was die SVP jetzt macht, nicht einverstanden sind.

Glauben Sie, dass die Demos den Ausgang der Koalitionsverhandlungen irgendwie beeinflussen werden?

An den Verhandlungen wird sich nichts ändern, aber den Akteuren, die diese Regierung bilden, ist bewusst geworden, dass man ihnen jetzt ganz genau und noch viel mehr wie bisher auf die Finger schauen wird. Dasselbe gilt für uns Oppositionsparteien. Wir werden jetzt noch genauer hinschauen.

Freiheitliche und Fratelli betonen, dass ein Regierungsprogramm auch ihre Handschrift tragen müsse. In welchen Bereichen, glauben Sie, wird die SVP nachgeben müssen?

Wenn die SVP etwa den Forderungen, die die Freiheitlichen in ihrem Wahlprogramm angeführt haben, nachgibt, dann kann der Landeshauptmann seinen Gleichstellungs-Aktionsplan, der über 80.000 Euro gekostet hat, wieder einstampfen lassen. Wenn das Gendern verboten werden sollte oder wenn die SVP das Familienbild der Freiheitlichen übernimmt, dann werden die Frauen auf die Barrikaden gehen. Umgekehrt: Was werden die Freiheitlichen sagen, wenn keiner ihrer wichtigen Punkte in das Koalitionsprogramm aufgenommen wird?

Das Team K

Sie glauben folglich, dass die Koalitionsverhandlungen noch scheitern könnten?

Nein, das schließe ich aus, weil alle scharf auf ihre Posten sind. Wir warten daher gespannt auf das Koalitionsprogramm und werden dann genau überprüfen, ob die SVP ihren Landessozialplan, ihren Gleichstellungs-Aktionsplan, ihren Klimaplan und den Mobilitätsplan einhalten und den Weg mit den Fratelli und mit den Freiheitlichen gehen kann. Eines ist sicher: Der eine oder der andere Regierungspartner wird stark Federn lassen müssen. Wie sich das dann auf die Parteien selbst auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Welche Ressorts wird die SVP an wen abgeben?

Nachdem wohl eine Elfer-Regierung kommen wird, werden die zu verwaltenden Ressorts relativ klein ausfallen. Das Ressort von Ulli Mair wird klein und unbedeutend sein. Dasselbe gilt für die Italiener, die bestimmt keine großen und wichtigen Zuständigkeiten bekommen werden.

Auffallend war, dass die Tageszeitung „Dolomiten“ den Protest gegen den Landeshauptmann, den sie eigentlich nicht so mag, nicht geritten hat. Ist das Tagblatt deswegen so zurückhaltend, weil man eine Rechts-Regierung gewollt hat?

Ja, es ist genau das passiert, was die „Dolomiten“ gewollt haben. Die „Dolomiten“ haben gewonnen, sie wollten eine Rechts-Regierung, und Arno Kompatscher, den viele Menschen im Lande als Garanten für eine alternative Regierungskonstellation gesehen hatten, ist der große Verlierer.

Interview: Artur Oberhofer

 

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