„Es geht uns gut“
TAGESZEITUNG-Herausgeber Arnold Tribus über das bewegte Jahr 2023, die Landtagswahlen und das Unbehagen, das sich in Südtirol breitgemacht hat.
Wir blicken auf ein bewegtes Jahr zurück, es war ein Wahljahr, bei dem die Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt werden sollten, ein Jahr, das für die SVP einen Paradigmenwechsel bedeutet, denn zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte muss sie einen deutschen Partner in die Regierung holen. Es ist die letzte Legislaturperiode von Landeshauptmann Kompatscher, der als Landeshauptmann des Aufbruchs und der demokratischen Revolution begonnen hatte, und dem nun ein kalter Wind feindlicher und enttäuschter Kräfte entgegenbläst, die ihm nicht verzeihen, dass er sich für eine Koalition mit zwei Rechtsparteien und einer Zentrumspartei entschieden hat, die nun einmal von den (wenigen) Italienern gewählt wurden. Dass ihm Grüne und Team K nicht verzeihen können, dass er sie nicht an den Tisch der Macht geholt hat, ist verständlich, daraus aber abzuleiten, er, der lupenreine Demokrat Kompatscher, legitimiere Faschismus und Rassismus, Homophobie und andere Schändlichkeiten, ist eine Dummheit, weil die Wählerinnen der Republik Ministerpräsident Giorgia Meloni und Fratelli d’Italia mit ihren Stimmen schon lange legitimiert und an die Regierung gebracht haben.
Es ist immer recht blöd, wenn wir bei unserer regelmäßigen Nabelschau ins Jammern kommen, so tun, als würden wir im schrecklichsten Land der Welt leben, so tun, als wären wir dabei, alle mafiageplagten Provinzen zu überholen und nun auch noch den Faschismus zu etablieren. Wir vergessen wohl die tatsächlichen Tragödien, die andere Staaten und Provinzen heimgesucht haben, die vielen Kriege, die sich auch bei uns in Form von Flüchtlingsströmen bemerkbar machen, die wir aber mit einer Brutalität und Herzlosigkeit wegschieben wollen, so als handelte es sich um Kriminelle, nicht um Verzweifelte, die dem Tode entweichen wollen. Man kann mit Parolen gegen Ausländer, Versprechen, die nicht einzuhalten sind, Wahlen gewinnen, haben wir gesehen. Oft fragt man sich, ob sich dieses Land noch als Heiliges Land Tirol bezeichnen kann. Nein, darf es nicht, trotz der vielen Menschen guten Willens.
Sagen wir es laut: Es geht uns immer noch gut, es herrscht noch ein relativer Wohlstand, trotz der Krise, die sich auch hier bemerkbar macht. Das haben viele Familien verspürt, deren Väter oder Mütter im Laufe des Jahres entlassen wurden oder in den Lohnausgleich überstellt, in einen Zustand der Unsicherheit. Die neue Armut hat auch vor unserem Land nicht Halt gemacht, es gibt auch bei uns viele Familien, die ihre liebe Not haben, über die Runden zu kommen. Die Not ist aber überschaubar, es gibt ein soziales Netz. Der Klimawandel macht sich auch bei und bemerkbar, das lässt sich nicht leugnen. Von kleineren Naturkatastrophen sind auch wir nicht verschont geblieben, aber da hat Südtirol einmal mehr gezeigt, was es kann, wenn es darum geht, in Not geratenen Menschen zu helfen, aufzuräumen, etc. Ein großer Zusammenhalt, eine grandiose Hilfsbereitschaft, ein unermüdlicher Einsatz der Freiwilligen Feuerwehren, die ja alle um Gotteslohn arbeiten, und der Zivilschützer, auch bei Unwetterkatastrophen in Restitalien hat sich unser Land von seiner besten Seite gezeigt und darauf sollen wir stolz sein, ganz Italien neidet uns das.
Trotz allem hat sich im Lande das breit gemacht, was viele Jahre die italienischen Mitbürger im Lande charakterisiert hat, der Disagio, das Unbehagen, eine diffuse Unzufriedenheit, die sich auch unter unseren Leuten breitmacht.
Es herrscht im Augenblick wenig Optimismus. Ich wünsche mir, dass Arno Kompatscher mit seiner neuen Landesregierung, allen Unkenrufen, allen Zweiflern und Pessimisten zum Trotz, einen Schub Lebensfreude und neue Hoffnung auf einen Aufschwung geben wird. Vielleicht gelingt es ihm, den zornigen, aufgewiegelten und unzufriedenen Südtirolerinnen wieder ein Lächeln zurückzugeben.
Ihnen ein gutes Jahr!
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