„Täten gerne mit der SVP reden“
Ist nach der dritten Demo gegen die SVP-Koalition mit den Fratelli d’Italia bei „No Excuses“ die Luft draußen? Waren die Proteste für die Katz? Fragen an den Sprecher der Bewegung, David Röck.
TAGESZEITUNG: Herr Röck, zu dritten Demo von „No Excuses“ sind zwischen 800 und 1.000 TeilnehmerInnen gekommen. Ist das viel oder wenig?
David Röck: Ich bin kein Meister im Zählen, aber laut unserer Rechnung waren es mehr als 1.000, so um die 1.150. Ist das viel oder wenig? Wir sind sehr zufrieden, denn erstens weiß man, dass wir in Südtirol keine Demonstrationskultur haben. Zweitens: An einem 23. Dezember, also am Tag vor Weihnachten, so viele Menschen auf die Straße zu bringen, ist schon bemerkenswert.
War die dritte Demo die letzte? Ist jetzt fertig?
Wir sind sicher noch nicht fertig. Es steht zwar noch kein Termin für die nächste Demo, aber wir planen weitere Sachen. Sicher werden wir die Bewegung weiterführen, wir werden weiterarbeiten und genau hinschauen, was passiert. Wir werden beobachten, welche Gesetze gemacht werden, welche Sprache verwendet wird. Wir werden beobachten und natürlich auch kommentieren.
Wird aus „No Excuses“ eine Partei?
Nein, „No Excuses“ wird als zivilgesellschaftliche Bewegung weitermachen, es ist nicht das Ziel, eine Partei zu werden. Vielmehr möchten wir die politische Diskussion noch mehr in die Gesellschaft hineintragen.
Vor fünf Jahren, als die SVP zum ersten Mal mit der Lega eine Koalition eingegangen ist, hat es nur vereinzelt Kritik gegeben. Wenn es das Ziel von „No Excuses“ war, dass eine Koalition der Volkspartei mit den Fratelli d’Italia nicht ohne kritische und laute Begleitmusik über die Bühne geht, dann hat Ihre Bewegung das zweifelsohne erreicht, oder?
Ja, ich sehe das auch so. Es wurde sehr intensiv darüber diskutiert. Und das ist gut so. Es ist gut, dass sich Menschen über unsere Bewegung klar positioniert haben und dass die Bildung dieser Rechts-Regierung nicht kommentarlos vonstatten geht.
Aber verhindern konnten Sie und Ihre MitstreiterInnen die Koalition – so wie es derzeit aussieht – nicht.
Es war kurzfristig tatsächlich unsere Bestrebung, so viel Druck auf die SVP auszuüben, dass sie die Koalition mit den Fratelli d’Italia noch einmal überdenkt. Jetzt müssen wir langsam akzeptieren, dass es tatsächlich zu dieser Koalition kommt …
Ist das für Ihre Bewegung eine Niederlage?
Keineswegs, es ist eine breite Diskussion entstanden. Es wäre sehr traurig gewesen, wenn so ein Tabubruch über die Bühne gegangen wäre, ohne dass es einen öffentlichen Aufschrei gegeben hätte. Es wäre traurig gewesen, wenn in Südtirol niemand gegen eine Rechts-Koalition protestiert und demonstriert hätte.
Wird Südtirol mit einer Rechts-Koalition ein anderes Land?
Es ist nicht so, dass sich das Land und unser Leben fundamental verändern werden. Wir sind aber nicht der Meinung von Arno Kompatscher, der gesagt hat, wir täten so, als ob in Südtirol ein totalitäres Regime an die Macht kommen würde. Wir haben das nie gesagt und nie geschrieben.
Hans Heiss, der Ex-Abgeordnete der Grünen, hat gemeint, der Glaube, dass die SVP schadlos mit einer Partei koalieren könne, die Nationalismus, Populismus und Diskriminierung in ihren Polit-Genen habe, sei illusorisch. Und: Kleinen Positionsgewinnen in Sachen Autonomie würden schwere Verluste sozialer und ökologischer Gerechtigkeit gegenüberstehen. Liegt Heiss mit dieser Analyse richtig?
Ja. Wir sind auch davon überzeugt, dass mit dieser Koalition ein schleichender Prozess beginnen wird, in dessen Verlauf illiberale Ansichten wieder hoffähig werden. Umso früher man gegensteuert, desto besser ist das fürs Land.
Man hätte annehmen können, dass SVP-ArbeitnehmerInnen, also der soziale Flügel innerhalb der Volkspartei, die Bedenken Ihrer Bewegung teilt. Was sagen Sie dazu, dass ausgerechnete die beiden Spitzenvertreterinnen der SVP-ArbeitnehmerInnen, Waltraud Deeg und Magdalena Amhof, am lautesten für eine Koalition der Edelweiß-Partei mit den Fratelli d’Italia geworben haben?
Wir als Bewegung möchten nicht so sehr die Parteipolitik kommentieren. Aber das, was Sie angesprochen haben, ist in der Tat ein Signal, das uns sehr nachdenklich macht.
Warum haben Sie und Ihre Bewegung sich nie mit der SVP getroffen? Warum haben Sie die Gesprächsangebote ausgeschlagen?
Weil unsere Kritik ausschließlich die SVP betrifft und die SVP uns nie ein Angebot gemacht hat. Es stimmt: Bei der ersten Demo hat man uns eingeladen, direkt in die Koalitionsverhandlung zu kommen. Das wollten wir aber nicht …
Es war Ulli Mair von den Freiheitlichen, von der der Vorschlag gekommen ist?
Das weiß ich nicht. Uns hat der SVP-Sekretär geschrieben. Wir haben diese Einladung abgelehnt, weil wir mit den Rahmenbedingungen nicht einverstanden waren …
Die Bedingungen wären gewesen?
Wir wollten nur mit der SVP reden, aber zu dem Zeitpunkt waren wir noch nicht bereit. Wir hätten zuerst intern absprechen müssen, wer hingeht und welche Linie wir fahren. Nach diesem ersten Gesprächsangebot hat es kein weiteres gegeben.
Würden Sie mit der SVP reden, wenn denn ein Angebot käme?
Mit der SVP täten wir sehr gerne reden, vor allem mit Arno Kompatscher würden wir gerne reden.
Interview: Artur Oberhofer
Kommentare (29)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.