Wie funktionieren die neuen chinesischen Plattformen?
Über soziale Netzwerke, Blogs oder Online-Tutorials findet der 16-jährige Markus die Turnschuhe seiner Träume: Normalerweise kosten sie fast 500 Euro, aber ein chinesischer Hersteller bietet sie für weniger als 50 Euro an.
Über die Vermittlungsplattform tätigt Markus sofort den Kauf: Diese kauft die Schuhe direkt bei einer Fabrik in China ein, bringt sie ins eigene Warenlager, wo Fotos vom Artikel gemacht und dann an Markus geschickt werden.
Nachdem Markus die Fotos geprüft hat, kann er es kaum erwarten, die Schuhe in den Händen zu halten: Er bestätigt sofort, dass er einen Versand wünscht, der ihn weitere 20 bis 30 Euro kosten wird: immer noch ein gutes Geschäft, denkt er!
Die Plattform ist schnell, sie versendet die Ware und nach drei Wochen kommt das Paket bei Markus zu Hause an, nachdem es die Zollkontrollen unbeschadet überstanden hat.
Julia hingegen wird beim Surfen im Internet mit Bannern überschüttet: Eine Plattform bietet ihr immer wieder die verschiedensten Produkte zu unwiderstehlichen Preisen an. Unter den Angeboten ist wirklich alles zu finden und Julia beschließt, es auszuprobieren. Sie meldet sich auf der Plattform an und bekommt sogar ein Willkommensgeschenk. Die Auswahl ist riesig, die Preise liegen bei nur wenigen Euro, manche Produkte sind sogar kostenlos. Möglicherweise lässt die Lieferung etwas auf sich warten, aber das ist es wert, meint Julia. Die Seite ist gut gemacht, es gibt sogar Spiele, mit denen man sich Rabatte oder Gutschriften verdienen kann. Am Ende verbringt Julia den ganzen Tag auf dem Portal, um einzukaufen.
Viele erkennen sich in diesen Beispielen vielleicht wieder – ist aber wirklich alles Gold, was glänzt?
Welche Risiken und Probleme verbergen sich hinter diesen Online-Shopping-Modellen?
Auch in diesem Fall trifft das Sprichwort zu, dass alles zu schön ist, um wahr zu sein, denn tatsächlich mangelt es nicht an Problemen.
Insbesondere bei Produkten, die zu deutlich niedrigeren als den normalen Preisen angeboten werden, vor allem Kleidung von Luxus- oder Modemarken, handelt es sich höchstwahrscheinlich um Fälschungen. Dies bedeutet, dass Sie, zusätzlich zum Umstand, dass Sie das Originalprodukt nicht bekommen, durch den Kauf auch eine Straftat (Hehlerei oder Erwerb von Waren verdächtiger oder zweifelhafter Herkunft) oder zumindest eine Ordnungswidrigkeit begehen, für welche Strafen zwischen 100 und 7.000 Euro vorgesehen sind.
Ein mögliches Risiko besteht darin, dass die Waren unter Umständen beim Zoll blockiert werden und zusätzliche Gebühren verlangt werden, die beträchtlich sein können (insbesondere im Verhältnis zum Warenwert), weiß man beim EVZ in Bozen.
Zu beachten ist außerdem: Erhalten Sie mangelhafte oder minderwertige Ware oder wird das bestellte Produkt gar nicht geliefert, wird es sehr schwierig (wenn nicht gar unmöglich) sein, die gesetzlichen Gewährleistungsrechte geltend zu machen, die für Verbraucher:innen in der EU gelten. Dies liegt daran, dass der Firmensitz dieser Plattformen immer in Asien ist, auch wenn einige von ihnen einen Rechtssitz in der Europäischen Union oder im Vereinigten Königreich haben. Ebenso kann es sehr schwierig oder übermäßig kostspielig sein, das Widerrufsrecht auszuüben.
Ein zusätzliches nicht zu unterschätzendes Problem (insbesondere bei Artikeln für Kinder, aber nicht nur) betrifft die Produktsicherheit: Es ist nicht gesagt, dass die Hersteller:innen und Einzelhändler:innen die in der Europäischen Union vorgesehenen strengen Sicherheitsstandards einhalten, so das EVZ.
Abschließend sei noch auf die individuellen Konsumgewohnheiten hingewiesen, die jedoch auf globaler Ebene einen Unterschied machen können.
Viele dieser Plattformen nutzen moderne, sehr aggressive Marketingstrategien (Dark Patterns, Gamification, Influencer-Marketing…), welche das eigene Kaufverhalten beeinflussen.
Die EVZ-Experten schreiben abschließend: „Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass hinter übermäßig niedrigen oder sogar Spottpreisen zwangsläufig Produktionsprozesse stecken, die die Umwelt und die Rechte der Arbeitnehmer:innen wenig respektieren.“
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