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„Kein Pakt mit dem Teufel“

LH Arno Kompatscher: Ich erlaube mir die Bitte, mit allzu drastischen Urteilen abzuwarten, zumindest bis ein Regierungsprogramm ausverhandelt ist, sofern es überhaupt gelingt eine Regierung zu bilden.

LH Arno Kompatscher antwortet auf den offenen Brief der Kunst- und Kulturschaffenden mit einer „offenen Antwort“.  Die Zahl der Unterstützer:innen ist – nicht zuletzt infolge der Klagedrohungen von Seiten der Vertreter von Fratelli d’Italia – von 195 auf 356 angewachsen. Lesen Sie hier den Brief des Landeshauptmannes in vollem Wortlaut.

Sehr geehrte und geschätzte Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefes vom 10. Dezember 2023, wir stehen vor großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen. Diese Überzeugung teile ich mit Ihnen ohne Wenn und Aber. Deshalb nehme ich Ihr Schreiben zum Anlass, um zu bekräftigen, dass eine Südtiroler Landesregierung unter meiner Führung das Ziel einer zukunftsfähigen, diversen und vertrauensvollen Gesellschaft anstreben und dabei die Lebensgrundlagen achten und schützen wird.

Der bereits eingeschlagene Weg in diese Richtung wird fortgesetzt und bleibt weiterhin machbar. Dabei wird der Wertekompass jedenfalls unverrückbar auf jene von Ihnen zitierten Werte ausgerichtet bleiben, für die ich immer eingetreten bin und auch weiterhin eintreten werde. Daran gibt es für mich keinen Zweifel.

„In Vielfalt geeint“ zu sein, bedeutet in der Praxis aber auch, sich tagtäglich mit der Realität der politischen Herausforderungen sowie den herausfordernden politischen Kräften auseinanderzusetzen. Das konstruktive Gespräch auch mit jenen, die andere Standpunkte vertreten als es die eigenen sind, bleibt die einzige Möglichkeit, um einen gangbaren gemeinsamen Weg zu finden. Nicht sicher findet man einen gemeinsamen Weg, aber wer es nicht versucht, findet sicher keinen. Dabei sollte man nach meiner Erfahrung stets den Anspruch haben, respektvoll mit den Menschen zu sein und hart auf der Sachebene zu bleiben. Dies ist bisher in vielen Verhandlungen gelungen und so konnten auch schon positive Ergebnisse erreicht werden, die für unwahrscheinlich gehalten wurden. Dementsprechend wage ich zu hoffen, dass es neuerlich gelingen kann.

Viele Menschen haben Angst vor den Veränderungen, welche die Klimakrise, der demographische Wandel, die Migration, die Digitalisierung etc. mit sich bringen werden. Diese Angst ist wiederum ein Nährboden für ein verändertes Wahlverhalten und gesellschaftspolitische Wahrnehmungen, denen man nach meiner Einschätzung nicht herablassend oder mit Ausgrenzung begegnen sollte. Die einfachen Welterklärungen wurden schon öfter durch tägliche sachpolitische Kleinarbeit aus den Angeln gehoben, als durch schneidige Parolen. Auch das hat die Geschichte bereits mehrfach gezeigt. Gerade den gesamtstaatlichen Kontext betrachtend, ist rein sachlich für mich nicht nachvollziehbar, warum man Südtirol zum Türöffner für Parteien hochstilisiert, welche bereits die Regierungsgeschäfte der Republik leiten.

Die Absicherung und der Ausbau der Südtirol-Autonomie ist in meinen Augen ein sehr hohes Gut und ich finde es bedauerlich, wenn nun so getan wird, als ginge es dabei nur um Nebensächlichkeiten. Es mag paradox sein, aber der Moment scheint günstig, um dieses wichtige Ziel zu erreichen. Leider bedeutet das einen schwierigen wie schmalen Pfad des Kompromisses zu gehen. An unserer Wertehaltung – und das will ich klar unterstreichen – werden wir auf diesem Weg uneingeschränkt festhalten. Das gilt für mich persönlich ebenso, wie für die Südtiroler Volkspartei insgesamt. Umso mehr wird es aber wichtig sein, wachsam und aufmerksam zu bleiben. In diesem Zusammenhang erachte ich Ihren Protest sowie Ihr gesellschaftliches Engagement als wertvoll. In einer funktionierenden Demokratie muss es immer auch eine Gegenstimme und warnende Worte geben, die handelnde Personen zur Vorsicht und Verantwortung mahnen. Kunst und Kultur haben hierbei immer eine besondere Rolle gespielt und so wird es auch weiterhin sein. Meine Verantwortung nehme ich jedenfalls ernst und versuche die Dinge im Rahmen der Möglichkeiten bestmöglich zu gestalten. Darauf können Sie zählen und vertrauen.

Persönlich halte ich es für überspitzt, wenn man nun so tut, als stünde in Südtirol ein totalitäres Regime vor der Tür. In diesem Zusammenhang fand ich die Mahnung von Martha Stocker passend, die daran erinnert hat, dass große Keulen, die zu früh oder unpassend eingesetzt werden, viel von ihrer Kraft verlieren. Die Südtiroler Volkspartei hat einen traditionell stabilen Wertekanon und führt aktuell Koalitionsgespräche zur Bildung einer Landesregierung unter der klaren Führung der SVP, als deutlich größte Fraktion im Südtiroler Landtag. Diese Gespräche werden geführt mit

  • einer Bürgerliste, die in der Mitte-Links-Regierung in Bozen sitzt,
  • einer Partei, die seit nunmehr drei Jahrzehnten im Südtiroler Landtag sitzt und laut Parteistatut eine liberal-demokratische Minderheitenpartei zum Schutz der deutschen und ladinischen Volksgruppen in Südtirol ist,
  • einer Partei, die in Italien seit einem Jahr die Ministerpräsidentin stellt und
  • einer Partei, die bereits mehrfach in staatlichen Regierungen war und seit Jahrzehnten norditalienische Regionen und Gemeinden verwaltet sowie der Regierungskoalition der abgelaufenen Legislatur angehört hat.

Es geht nicht um den Verkauf von Seelen oder einen Pakt mit dem Teufel. Es geht um die Frage, ob man einen Weg des Konsenses findet, um die Entwicklung Südtirols und seiner Autonomie positiv voranzubringen.

Dementsprechend erlaube ich mir die Bitte, mit allzu drastischen Urteilen abzuwarten, zumindest bis ein Regierungsprogramm ausverhandelt ist, sofern es überhaupt gelingt eine Regierung zu bilden. Abschließend ersuche ich Sie weiterhin um Ihr Vertrauen und danke Ihnen für Ihren Einsatz.

Mit freundlichen Grüßen

Arno Kompatscher

 

Befürchtungen bestätigt

Wir bedanken uns bei LH Arno Kompatscher für die offene Antwort auf unseren Brief  und nehmen insbesondere seine Zusicherung zur Kenntnis, seine „Verantwortung jedenfalls ernst zu nehmen“ und die „Dinge im Rahmen der Möglichkeiten bestmöglich zu gestalten“. Aller Möglichkeiten, die es noch gibt. Wir begrüßen zudem die Botschaft, den „Protest und das gesellschaftliche Engagement als wertvoll“ zu erachten. Es ist auch unsere Sicht, dass dieser Diskurs ein wichtiger Ausdruck einer gesunden und lebendigen Demokratie ist. Von der Absichtserklärung aktueller Verhandlungspartner der SVP, diesen gesellschaftspolitischen Diskurs mit Klageandrohungen einschränken zu wollen, sehen wir unsere Befürchtungen einer antipluralistischen und autoritären Tendenz dieser Parteien gleichzeitig aber bestätigt und das lange Schweigen der SVP zu diesen Drohungen hinterlässt weiterhin große Fragezeichen in der Kulturwelt und in der Zivilgesellschaft. Nach wie vor ist für uns zudem leider nicht erkennbar, wie die Sachthemen und Werte, deren Dringlichkeit auch Landeshauptmann Kompatscher in seiner offenen Antwort bestätigt, mit Parteien erfolgreich umgesetzt werden können, die größtenteils gegenteilige Positionen und Werte vertreten.

 

Die Unterzeichnenden nach dem 11. Dezember (in alphabetischer Reihenfolge):

 Reza Abbas Asadi, fotografo professionista e regista, ingegnere della fotografia (Università di Belle Arti)

Stefan Alber, Künstler

Anton Algrang, Schauspieler/Regisseur/Schauspielcoach

Lorenz Andres, Freischaffender Künstler

Julia Augscheller, Schauspielerin

Charlotte Aurich, Bildende Künstlerin und Vorstandsmitglied von multi pull

Elisa Barison, freie Kuratorin

Hanna Battisti, Künstlerin, Künstlerische Fotografie

Wolfgang Sebastian Baur, Schauspieler, Autor

Elisa Bergmann, bildende Künstlerin

Magdalena Bolego, Künstlerin

Sara Burchia, Bühnenbildnerin

Maria Burger, Künstlerin

Samuel Brazzo, Grafikdesigner

David Calas, Architekt und Hochschulprofessor

Paolo Carnevale, autore letterario, conduttore radiofonico e cronista musicale

Helene Christanell, Organisatorische Leiterin und Programmgestalterin Filmtreff Kaltern

Georg Clementi, Schauspieler, Liedermacher und Regisseur

Emanuele Colombi, LAEDS, CABABOZ, BLACKOUT

Valentina Cramerotti, Cultural Project Manager

Nuel Dakaj, DJ

Brunamaria Dal Lago Veneri, Autorin

Arnold Mario Dall’O, Künstler

Judith Daporta, VirusClub VfG, female-DJ Kollektiv GÖR (Görentanz)

Nicolò Degiorgis, Künstler und Verleger

Matthias Delueg, Architekt, Bildhauer

Rebecca Dirler, Tänzerin und Choreographin

Nina Duschek, Musikerin

Ghali Egger, BASIS Vinschgau Venosta

Georg Erlacher, Fotograf, Restaurator

Paul S. Feichter, Bildhauer

Anna Fink, Musicaldarstellerin

Astrid Gamper, Bildende Künstlerin

Dietmar Gamper, Theatermacher

Ruth Gamper, Künstlerin

Walter Garber, DJ Veloziped

Jan Gasperi, Technische Leitung Stadttheater Bruneck

Klaus Gasperi, Bühnenbildner und Gründer Stadttheater Bruneck

Isidor Gasser, Musiker bei Heating Cellar

Jakob Gebert, Musiker bei Heating Cellar, Tontechniker

Massimiliano Gianotti, produttore e maganer culture

Elisa Godino, Musikerin

Joachim Gottfried Goller, Regisseur

Robert Göschl, Illustrator, Zeichner, Lehrer

Herbert Grassl, Komponist

Dario Grigolato, pittore

Sabine Gruber, Autorin

Claudia Grünberger, Kinderchorleiterin und Musikerin bei Blind Apex

Lisa Grünberger, Musikerin bei Blind Apex

Magdalena Grüner, Projektleiterin, Edition Raetia

Kathrin Gschleier, Autorin und Verlegerin

Katharina Gschnell, Schauspielerin

Josef Haller, Pianist, Komponist, Lehrer, Dozent am Mozarteum Innsbruck, freischaffender Musiker

Christine Helfer, Publizistin

Mirjam Hellrigl, Kostümschneiderin und Designerin von „Überfliegerin“

Arnold Holzknecht, Bildhauer

Ingrid Hora, Künstlerin

Hanenn Huber, Schauspielerin

Hannes Huber, Musiker bei Heating Cellar, Veranstalter

Graziano Hueller, operatore teatrale, Theaterpädagoge

Johannes Inderst, Künstler

Erich Innerebner, Regisseur

Thomas Kager, Programmleiter, Edition Raetia

Peter Kaser, Künstler

Martin Kaufmann, Filmclub Bozen

Manuela Kerer, Komponistin

Lisa Maria Kerschbaumer, Drehbuch/Regie

Philipp Klammsteiner, Künstler, Grafiker

Lorenz Klapfer, Regisseur

Anastasia Kostner, Choreographin und Tänzerin

Carl Kraus, Kunsthistoriker

Giancarlo Lamonaca, Künstler, Professor

Raphael Lanthaler, Musiker

Christine Lasta, Künstlerische Leitung Stadttheater Bruneck

Stephen Lloyd, Musiker

Michael Lösch, Musiker

Jörg Mahlknecht, Musiker

Matthias Mayr, Musiker, Kulturpublizist und künstlerischer Leiter Konzertverein Bozen und Pauls Sakral

Wolfgang Mayr, Journalist

Lia Mazzari, Künstlerin, Researcher at Royal Holloway University of London

Riccardo Meneghini, danzatore insegnante coreògrafo

Lukas Meßner, Künstler

Max von Milland, Musiker

Jan Moling, Musiker, Tontechniker

Katia Moling, Musikerin

Markus Moling, Bildender Künstler

Arianna Moroder, Künstlerin, co-founder und creative director von Lottozero

Edith Moroder, Kulturpublizistin & Autorin, Vize-Präsidentin des Vereins Alzheimer Südtirol Alto Adige ASAA

Indra Moroder, Künstlerin

Walter Moroder, Künstler

Daniel Moser, Musiker

Judith Neunhäuserer, Künstlerin

Veronika Oberbichler, Autorin

Gabriela Oberkofler, Taberhof Flaas, Künstlerin

Felix Obermair, Projektleiter Edition Raetia

Markus Oberrauch, Schauspieler

Philipp J. Pamer, Autor und Regisseur

Sara Pantaleo, attrice

Ulrica Perathoner, Autorin, Lehrkraft Landesberufsschule für das Kunsthandwerk „Cademia“ St. Ulrich

Elias Perkmann, Künstler

Fabian Pichler, Musiker und Produzent

Franz Pichler, Bildhauer

Christian Piffrader, Bildender Künstler

Wolfgang Piller, Architekt

Andrea Pizzini, Fotograf und Filmemacher

Helga Plankensteiner, Musikerin

Helmut Prinoth, Restaurator, Maler und Bildhauer

Anuschka Prossliner, Künstlerin

Paula Prugger, Künstlerin

Christiane Raich, Künstlerin, Kunstprofessorin und Musikschaffende

Tanja Raich, Autorin und Programmleiterin beim Leykam Verlag

Achim Reifer, Architekt

Tobias Reifer, Musiker und Musikpädagoge

Christian Reisigl, Künstler

Sabine Renzler, Verwaltung Stadttheater Bruneck

Sylvie Riant, Künstlerin

Alexander Richter, Musiker

Michael Riffeser, Musiker und Künstler

Nadja Röggla, Mitarbeiterin Vereinigte Bühnen Bozen

Lukas Rossmann, Musiker und Produzent bei Beichtstuhl Basement

Sabine Rubatscher, bildende Künstlerin und Lehrperson für Kunst

Nadia Rungger, Autorin

Mathias Johannes Schmidhammer, Komponist

Karin Schmuck, Künstlerin

Leander Schönweger, Künstler

Andrè Schuen, Sänger

Marlene Schuen, Musikerin

Nadia Schwienbacher, Schauspielerin und Theaterpädagogin

Othmar Seehauser, Fotograf, Buchautor, Publizist

Luis Seiwald, Künstler

Eva Simeaner, Projektleiterin, Edition Raetia

Benno Simma, Künstler

Sergio Sommavilla, Bildhauer

Lukas Spisser, Schauspieler

Teresa Staffler, Musikerin und Gesangslehrerin

Waltraud Staudacher, ehemalige Rai-Kulturredakteurin und Sprecherin, Vorstandsmitglied Südtiroler Bildungszentrum und Filmclub Bozen

Alois Steger, Künstler

Vera Stenico, Maskenbildnerin für Film und Theater

Michele Sterchele, Musiker, Designer

Katrin Stuflesser, Atem- und Stimmtrainerin

Georg Tappeiner, Fotograf

Tobias Tavella, Künstler

Hartwig Thaler, Künstler

Ursula Trull Oberrauch, Malerin

Irene Troi, Musikerin

Stefan Tschurtschenthaler, Künstler

Anna Unterberger, Schauspielerin

Andrea M. Varesco, Bildende Künstlerin

Karin Verdorfer, Schauspielerin

Peter Verwunderlich, Künstler

Tobias Vigl, Musiker bei Heating Cellar

Cristina Vignocchi, autrice e artista

Helga Maria Walcher, Regisseurin, Pädagogin

Maria Walcher, bildende Künstlerin, Kunstpädagogin, Lehrende am Mozarteum Bildnerische Innsbruck

Karin Welponer, Künstlerin

Sara Welponer, Illustratorin, Zeichnerin und Malerin

Ludwig Wilhalm, Musiker und Pädagoge

Albert Willeit, Gestalter, Mitglied Landeskulturbeirat 2014-2019, Ausschussmitglied Kulturweg Gais

Io Wögenstein, Grafikerin

Franz Zanardo, musicista e organizzatore di eventi

Patrick Zelger, Musiker und Künstler

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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