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„Selbstbestimmte Frauen“

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Einst galt sie als die Verhütungsmethode schlechthin, als Botschaft für die Emanzipation der Frau und als Lifestyle-Produkt: die Pille. Heute wenden sich immer mehr junge Frauen von ihrer Einnahme ab. Welche Gründe gibt es dafür?

Tageszeitung: Herr Heidegger, zuletzt ist die Nachfrage der Frauen nach der Pille gesunken. Finden Sie diese Art der Verhütung noch zeitgemäß?

Herbert Heidegger (Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran): Die Pille ist eine Form der Empfängnisverhütung, die noch immer eine gewisse Rolle spielt. Frauen nehmen sie allerdings deutlich seltener als früher. Frauen der italienischen Sprachgruppe haben die Pille schon immer viel seltener genommen gegenüber denen der deutschen Sprachgruppe. Bei letzterer ist nun aber auch ein Rückgang zu beobachten. Man weiß inzwischen, dass bei der Einnahme der Antibabypille Stimmungsprobleme bis hin zu einer leichten Depression auftauchen können. Viele Frauen stören sich überdies an den körperlichen Veränderungen, sie nehmen beispielsweise zu, oder die Regel ist schwächer, manchmal bleibt sie ganz aus. Sie möchten nicht mehr hormonell fremdgesteuert sein, sondern ihren Körper fühlen und ihren Zyklus erleben. Damit ändert sich das Verhalten die Verhütung betreffend.

Welche Rolle spielen bei diesem Rückgang in der Verwendung die Skandale um die Östrogen-Gestagen-Pillen?

Die Diskussion um die Nebenwirkungen, wie Thrombose oder Embolie, spielt natürlich eine Rolle. Tatsächlich sind diese nicht so selten. Die meisten Risiken bestehen in den ersten Monaten der Einnahme einer Pille. Wichtig ist eine gute Aufklärung hinsichtlich der Risiken.

Sind die Bedenken, die seit dem Skandal bei der Einnahme der Pille bestehen, denn berechtigt?

Die Bedenken gegenüber der Pille sind schon berechtigt, aber es ist eben auch nur eine Methode unter vielen. Es kommt in der Beratung darauf an, die richtige Verhütungsmethode für die jeweilige Frau zu finden. Aufgabe von uns Frauenärzten ist es, die Methode zu finden, die gut zu der Frau, ihrer Lebensphase und ihrem Partner passt. Das ist sehr individuell.

Es gibt immer mehr andere hormonelle Verhütungsmethoden. Ist die gestiegene Konkurrenz alternativer Verhütungsmittel auch ein Grund für den „Niedergang“ der Pille?

Es gibt die Drei-Monats-Spritze, die Hormonspirale, den Ring – aber schlussendlich sind dies alles hormonale Kontrazeptionen, wo es Vor- und Nachteile sowie Nebenwirkungen gibt. Daneben gibt es die intrauterine Kontrazeption, beispielsweise mit den Spiralen. Außerdem gibt es das Kondom, mit dessen Verwendung zur Verhütung viele Frauen gut leben können.

Inzwischen sind auch die nicht-hormonellen Verhütungsmittel immer sicherer geworden. Gibt es einen Trend zu dieser Form der Verhütung?

Es gibt ganz verschiedene Formen der Spirale, zum Beispiel die Kupferspirale, die Kupferkette. Diese sind sehr sicher geworden in Bezug auf die Empfängnisverhütung und auch die Nebenwirkungen. Dennoch muss man darüber aufklären, dass es keine Form der Verhütung ohne Nebenwirkungen gibt.

Ist die Beschaffung der Pille bei Ärzten und Apotheken vielen zu mühsam und aufwendig im Vergleich beispielsweise zum Kondom, welches auch in Drogeriemärkten und gar Automaten erhältlich ist?

Es ist ein Medikament. Viele Pillen sind rezeptpflichtig. Das wird man nach und nach ändern. Aber ansonsten sehe ich da nicht das große Problem. Da ist die Beschaffung bei der Spirale schon aufwändiger, wo der richtige Zeitpunkt abzupassen ist, die Vorbereitung, die Einlage und die Kosten zu berücksichtigen sind.

Ist vielen Verwendern der Pille auch deren Einnahme zu umständlich?

Ich glaube, dass man jemandem zumuten kann, dass er regelmäßig die Pille einnimmt. Das wird einem später einmal auch passieren, dass man Medikamente regelmäßig einnehmen muss.

Wird die Medizin heute viel stärker kritisch hinterfragt als noch in den 1960er Jahren, als die Pille auf den Markt kam, oder auch in den 1990er Jahren, als die Pille als eine Art Lifestyle-Produkt angepriesen wurde? 

Das spielt sicher eine Rolle. Die Pille war tatsächlich ein Lifestyle-Medikament und wurde von ihren „Erfindern“ angepriesen, mit dem Gewinn der sexuellen Freiheit und der Freiheit der Frau. Man war sehr modern, wenn man die Pille genommen hat.

Haben die jungen Frauen eine andere Haltung zu ihrem Körper als es noch ihre Mütter hatten?

Frauen möchten selbstbestimmt leben auch in Bezug auf die Empfängnisverhütung. Unter einer hormonellen Eingabe fühlen sich Frauen einfach nicht mehr frei. Empfängnisverhütung ist überdies immer ein Thema für das Paar und sollte zwischen den Partnern abgesprochen werden.

Welche alternativen Verhütungsmittel sind anstatt der Antibaby-Pille auf dem Vormarsch?

Eine Zunahme gibt es allgemein bei den Spiralen.

Sehen Sie den Nachfragerückgang der Pille mit Sorge, weil eventuell mehr ungewollte Schwangerschaften zu befürchten sind?

Mit Sorge sehe ich das nicht. Frauen sind selbstbestimmter als früher und überlegen sich genau, was sie wollen.

Interview: Sandra Fresenius

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Kommentare (2)

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  • gerhard

    So saudumm kann auch nur ein Mann herausquatschen:
    … das man jemandem zumuten kann, regelmäßig die Pille zu nehmen…
    Ja hat der noch alle am Sträußchen?
    Logisch, die Frau soll sich gefälligst um die Verhütung kümmern.
    Soll Hormone einwerfen, soll unnötige Gefahren von Thrombose und Embolie in Kauf nehmen, soll Auswirkungen der Hormone auf den Körper hinnehmen.

    Damit der Mann immer und überall, wo er will, gedankenlos loslegen kann?
    Im Übrigen sind auch in der Spirale Hormone, die allerdings in sehr viel geringeren Dosen an den Körper abgegeben werden.

    Wir sind im 21. Jahrhundert. Sollten nicht wir Männer dieses Thema endlich auch einmal zu unserem machen?

    Oder sollten wir die alten, verdorbenen und bösartigen alten Männer im Vatikan mal um Rat fragen? Die leben doch noch im Mittelalter, vielleicht wissen die weiter? Ich frage für einen Freund!

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