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KI im Klassenzimmer

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Die Nutzung künstlicher Intelligenz ist mittlerweile Schulalltag, sie kann Aufsätze schreiben und Rechnungen lösen. Wie Schulen damit umgehen und wohin die rasante Entwicklung noch führt.

von Christian Frank

Vor gut über einem Jahr gewann die künstliche Intelligenz, oder kurz KI, die Begeisterung der breiten Masse. Allem voran brachte die Anwendung ChatGPT mit seinem textbasierten KI-Service eine regelrechte Revolution des Machbaren mit sich. Dem Chat-Bot können allerlei Fragen zu den unterschiedlichsten Themen gestellt werden, und er spuckt eine maßgeschneiderte Antwort aus. Schriftsätze können redigiert und ganze Texte für unzählige Zwecke verfasst werden, kurzum ein bis dato nicht dagewesener Fundus an Möglichkeiten. Es dauerte nicht lange, bis die Wogen des KI-Rummels sich auch auf die jüngeren Generationen erstreckten und Einzug in ihren Alltagsgebrauch fanden, auch zum Leidwesen des Lehrpersonals. Denn die KI kann genauso zum Schreiben von Hausarbeiten oder zum Lösen schulischer Aufgabenstellungen eingespannt werden und drückt deshalb bei immer mehr Schülern und Schülerinnen als heimlicher Begleiter die Schulbank.

„Wir Lehrer mussten uns nun gefühlt 20 Jahre mit Wikipedia-Texten herumschlagen, jetzt ist es die KI. Vor ungefähr einem Jahr haben besonders die Oberschüler dieses Phänomen für sich entdeckt, was im Grunde eine Weiterentwicklung früherer Hilfsmittel ist“, sagt Karl Lunger, Vizedirektor und Informatiklehrer an der Technischen Fachoberschule in Bozen.

Lunger zufolge sei es in den Schulen durchaus Thema, und er werde damit ständig im Unterrichtsalltag konfrontiert, jedoch könne man die Beihilfe künstlicher Intelligenz noch relativ einfach erkennen.

„Von der KI angefertigte Arbeiten zu enttarnen ist bei dem derzeitigen Stand der Dinge nicht schwer. Ein Sprachenlehrer ist durchaus im Stande zu erkennen, ob ein Text aus der Feder des Schülers selbst stammt oder eine KI sie für ihn geschrieben hat“, weiß der Vizedirektor. Er selbst könne in seinem Unterrichtsfach Informatik ebenfalls schnell die Intrige auffliegen lassen: „Wenn Schüler sich zum Programmieren benötigte Codeschnipsel aus ChatGPT geben lassen, funktionieren sie kaum oder entziehen sich dem Verständnis der Schüler. Meistens sind sie dann bei der ersten Nachfrage überfordert, obwohl sie es ja anscheinend selbst geschrieben haben.“

In dieser noch vorherrschenden Sicherheit werde man sich jedoch Lunger zufolge nicht mehr lange wiegen können, denn die nun rapide voranschreitende Entwicklung der KI sei „erst am Anfang ihrer Ausprägung“.

Wo zurzeit noch ein geschultes Lehrerauge das Mitmischen der KI bei akademischen Leistungen erkennen kann, glaubt Lunger, dass der rasante Fortschritt der an Fahrtwind gewonnenen Technologie das Enttarnen immer schwieriger bis unmöglich machen werde.

Er befürchtet dabei auch ein mangelndes Bewusstsein der Schüler gegenüber der KI-Nutzung: „Wie bei einer jeden Anwendung gilt es auch hier, die Funktion und Handhabung zu verstehen. Blindlings irgendwelche Forderungen in den Chatbot hineinzuwerfen und den Algorithmen ihren Lauf zu lassen, ohne ihnen mächtig zu sein, ist ein Problem. Wenn ein Schüler Lösungen rausgespuckt bekommt, die er nicht einmal nachvollziehen oder überprüfen kann, bietet das für niemanden einen Mehrwert.“

Dem Informatiklehrer zufolge geht durch den Einbezug von KI auch eine gewisse Autonomie des Einzelnen verloren: „Sobald die Tastatur in vielen Lebensbereichen das händische Schreiben ablöste und damit, wie wir es tagtäglich an Schulen beobachten, die Kompetenzen mit Hand zu schreiben, verschlechterte, sehe ich auch bei der KI eine dahingehende Entwicklung. Es wird einem etwas abgenommen, das man auch verlernen kann.“

Auch Martina Adami, die Direktorin des Sprachengymnasiums Walther von der Vogelweide in Bozen, befasst sich an ihrer Schule mit dem Aufkommen künstlicher Intelligenz und legt dabei ihr Augenmerk auf den kritischen Umgang damit. Ihre Devise: nicht drumherum, sondern mit der KI arbeiten, aber mit Vorbehalt.

„Zum einen geht es um die Frage, wie Aufgabenstellungen verändert werden müssen, um neuen Anforderungen gerecht zu werden und nicht zum „Schwindeln“ zu animieren, zum anderen glauben wir ganz stark daran, dass es Aufgabe der Schule ist, Schüler und Schülerinnen den Umgang mit solchen Anwendungen zu lehren, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit neuen Möglichkeiten wie ChatGPT und ähnlichem zu fördern. Man muss für eine Bewusstseinsbildung sorgen, welche sich fragt: Was funktioniert? Was nicht? Was kann ChatGPT leisten, was nicht? Warum?“, so die Direktorin des Gymnasiums.

Laut Lunger sollten sich solche Fragen ebenso das Lehrpersonal stellen, denn neben Schülern und Schülerinnen, welche die Möglichkeiten der KI beanspruchen, gibt es auch vice versa Ansätze für die Anwendung künstlicher Intelligenz. Es sei bereits der Fall, dass Lehrer Unterrichtsinhalte mit Hilfe von KI vorbereiten könnten. Die Lehpersonen können dabei unter anderem Texte auf verschiedene Bildungsniveaus anpassen oder Schularbeiten korrigieren.

„Irgendwann korrigiert die KI Tests, welche von der KI beantwortet wurden“, witzelt der Vizedirektor der Technologischen Fachoberschule.

Zurzeit läuft die Nutzung der KI an Schulen noch unter dem Radar einer normativen Regulierung, ein „unbeschriebenes Blatt“, wie Lunger es ausdrückt, doch das werde sich vermutlich in naher Zukunft ändern.

„Seit 50 Jahren gibt es den Taschenrechner, er legte eine gewaltige Entwicklungskurve hin und wurde ab einem gewissen Punkt programmierbar. Irgendwann erstellte das italienische Bildungsministerium eine Liste von zugelassenen Taschenrechnern“, rekapituliert Lunger und erwartet eine ähnliche Vorgehensweise bei dem neuesten technologischen Phänomen.

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Kommentare (7)

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  • brutus

    Es wird zu
    “ wir verdlöden immer mehr“ führen!

  • dn

    Ein Maturant hat mir erzählt, dass im zweiten Semester ChatGPT großteils die Aufgaben erledigt hat.

  • pingoballino1955

    Künstliche Intelligenz wäre gut für summer1,Hermann Andreas und Co.denn normale Intelligenz scheint nicht zu reichen!!!!

  • jorge

    Aber draußen im normalen Tagesablauf müssen sie doch noch selber denken was sie tun. Hoffentlich verlernen sie das nicht und werden nur mehr KI-gesteuert.
    Habe bis heute noch keine direkt anwendbare Antwort auf meine Fragen im ChatGPT erhalten, ja oft sogar völlig falsche.

    • placeboeffekt

      Aber mit vollster Überzeugung präsentiert!

      Eigentlich verstehe ich die ganze Aufregung nicht: wenn man Aufgaben in technischen oder wissenschaftlichen Fächern vergibt, dann beziehe man sich auf gewisse Diagramme, Zeichnungrn und Tabellen.

      Na dann liebe Studenten, viel Spaß beim Einscannen und dem Blödsinn den chatgpt dann ausspuckt.

      Bei Aufgaben zB der Thermodynamik ist sowieso sehr schnell Schluss: man bekommt Hinweise auf ( die falschen) Kurven , welche man da zu Rate ziehen soll.

  • fakt60ist

    Jeder kann selbst entscheiden, ob er Kl in Anspruch nimmt oder nicht, ob er eines Tages ohne eigenes Hirn herumlaufen will, und ohne Kl sich im Leben nicht mehr zurecht finden wird. Diese mittlerweile bescheuerte Welt, ist ohnehin auf dem besten Weg, sie von Menschen Hand zu zerstören.

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