„Große Herausforderungen“
Den Sozialgenossenschaften bereiten die Inflation, die Steigerung und die Anpassung der Löhne sowie das Vergabewesen große Sorgen.
Im Rahmen einer Pressekonferenz hat das Paritätische Komitee für Sozialgenossenschaften (PKSG) die strategische Rolle der Sozialgenossenschaften des Typs A und B im Lande hervorgehoben. Dabei wurde auch auf die Probleme hingewiesen, mit denen der Sektor laut den von der Beobachtungsstelle des Komitees erhobenen und sorgfältig analysierten Daten zu kämpfen hat.
Wie steht es um die Sozialgenossenschaften in Südtirol? Im Rahmen einer beim Verbandssitz von Coopbund Alto Adige Südtirol am Mazziniplatz in Bozen stattgefundenen Pressekonferenz wurden die von der Beobachtungsstelle des Paritätischen Komitees für Sozialgenossenschaften (PKSG) erhobenen Daten vorgestellt.
Die Genossenschaftsverbände (Coopbund Alto Adige Südtirol, AGCI Alto Adige Südtirol und Raiffeisenverband Südtirol), die gemeinsam mit den Gewerkschaften das Paritätische Komitee für die Sozialgenossenschaften bilden, hatten im Vorfeld die Daten ausgewertet, die die in Südtirol tätigen Sozialgenossenschaften in den vergangenen Monaten anhand eines entsprechenden Fragebogens bereitgestellt hatten. Es handelt sich um Informationen von grundlegender Bedeutung, um den Gesundheitszustand dieses Sektors zu beleuchten, der ja bei der Erbringung einer Reihe von teilweise wesentlichen Dienstleistungen für unsere Gesellschaft eine strategische Schlüsselrolle einnimmt.
Die Rolle der Sozialgenossenschaften in der Südtiroler Gesellschaft
In Südtirol kommt den Sozialgenossenschaften des Typs B eine entscheidende Funktion bei der Eingliederung von behinderten oder benachteiligten Personen in die Arbeitswelt zu. Auf dem Arbeitsmarkt erfüllen diese Unternehmen einen entscheidenden Auftrag, wenn es darum geht, jedem die Möglichkeit zu bieten, sich – vor allem durch berufliche Entfaltung in einem geschützten und menschenfreundlichen Umfeld – aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Sie stellen somit eine wichtige Grundlage für die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für eine gefährdete Bevölkerungsschicht dar.
Sozialgenossenschaften des Typs A hingegen erbringen Leistungen im sozio-sanitären, im sozialpädagogischen und im didaktischen Bereich. Ihre große Wichtigkeit beruht auf ihrer Eigenschaft, konkrete, alltägliche Bedürfnisse eines breiten Bevölkerungskreises zu erfüllen. Neben den geschützten Werkstätten für schwer behinderte Personen sind hier die Kinderbetreuungsgenossenschaften und die Sozialgenossenschaften zu erwähnen, die – engmaschig im Land verteilt – kontinuierlich Gesundheits- und Sozialdienstleistungen erbringen.
Die erhobenen und entsprechend ausgewerteten Daten vermitteln ein aussagekräftiges Bild über den Zustand des gesamten Bereichs und stellen eine wichtige Grundlage dar, um Bedürfnisse herauszuarbeiten und kritische Punkte aufzuzeigen, damit fundierte und konkrete Vorschläge und Initiativen zur weiteren Stärkung der sozialen Kooperation in Südtirol abgeleitet werden können und damit ausgemacht werden kann, auf welche Themen und Bereiche sich in nächster Zukunft die Verbesserungsmaßnahmen konzentrieren sollen.
Die Situation zum 31. Dezember 2022 gemäß Analyse des PKSG
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Lage der Sozialgenossenschaften verschlechtert.
Die pandemiebedingte Krise und die Bewältigung der Inflation stellte eine große Herausforderung dar. Trotzdem war es möglich, Gehaltserhöhungen zu gewähren und so die Mitarbeiter wertzuschätzen.
Bei den Sozialgenossenschaften des Typs A ist diesbezüglich eine Zunahme der Beschäftigtenzahl zu verzeichnen, wohingegen die Gewinne von 2 Mio. Euro 2021 auf 500.000 Euro im Jahr 2022 zurückgegangen sind. Auch die Personalkosten haben 2022 aufgrund autonomer Lohnerhöhungen innerhalb der Sozialgenossenschaften eine beachtliche Steigerung erfahren.
In den Sozialgenossenschaften des Typs B, die sich um die Eingliederung von Personen in die Arbeitswelt kümmern, ist die Mitarbeiterzahl insgesamt leicht zurückgegangen, während die Gewinne stark geschrumpft sind, und zwar von 5 Mio. Euro zum 31.12.2021 auf 490.000 Euro zum Jahresende 2022.
Diese Sozialgenossenschaften des Typs B haben auch einen bedeutenden Rückgang des Reinvermögens von 10 Mio. Euro auf 5 Mio. Euro sowie eine allgemeine Verringerung der öffentlichen Beiträge von 9 Mio. Euro 2021 auf 4 Mio. Euro 2022 zu beklagen.
Die Sozialgenossenschaften des Typs A haben sowohl das lohnabhängige Personal als auch jenes mit arbeitnehmerähnlichem Beschäftigungsverhältnis aufgestockt. Im Besonderen ist ein leichter Anstieg der Teilzeitbeschäftigten sowie der befristet eingestellten Arbeitskräfte zu verzeichnen.
Was die Zusammensetzung der Belegschaft der Sozialgenossenschaften des Typs A nach Geschlecht anbelangt, sind die Frauen in der Mehrzahl: 1.277 gegenüber 221 Männern.
Bei den Sozialgenossenschaften des Typs B ist generell ein Rückgang der Beschäftigten zu verzeichnen. In diesen Genossenschaften zur beruflichen Eingliederung stellen die Männer mit etwa 320 Vertretern gegen 190 Frauen die Mehrheit.
Die Zahl der von Projekten beruflicher Eingliederung in den Genossenschaften des Typs B betroffenen Personen ist 2022 geringfügig zurückgegangen: Von den 219 Männern im Vorjahr waren 2022 nur mehr 209 beschäftigt, bei den Frauen ist die Zahl von 173 auf 154 gesunken.
Die Situation des sozialen Genossenschaftswesens: die Kernpunkte
Sozialgenossenschaften erfüllen fortwährend eine wichtige Funktion im Lande, sowohl bei der Erbringung von Dienstleistungen anstelle des öffentlichen Sektors als auch bei der Beschäftigung benachteiligter Menschen, die anderweitig keine Arbeit finden würden, mit den entsprechenden Konsequenzen auf persönlicher und sozialer Ebene.
2023 konnten die Genossenschaften dank Einführung des territorialen Lohnelements auf eine Lohnerhöhung zählen. Dieser einerseits im Hinblick auf die Anerkennung der Beschäftigten sehr positive Umstand bedeutet andererseits aber auch einen erheblichen Kostenanstieg für die Genossenschaften.
Im Jahr 2022 wurden am Verhandlungstisch intensive Unterredungen mit den Gewerkschaften geführt, aus denen im März und dann im September dieses Jahres ein Landeszusatzvertrag betreffend die wirtschaftlichen und normativen Bedingungen hervorgegangen ist. Die Verhandlungen wurden in einer Atmosphäre des Vertrauens und des gegenseitigen Respekts geführt und waren geprägt von einer ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen den Arbeitgeber- und den Gewerkschaftsorganisationen.
Die Gewerkschaften haben sich in die Lage der Genossenschaften versetzt und sich angeboten, um zur Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten beizutragen. Die tatkräftige Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften hat auch zu gemeinsamen Adhoc-Lösungen für in Schwierigkeiten geratene Sozialgenossenschaften geführt, wobei immer deutlicher wurde, wie wichtig es ist, dass die Vergabestellen die Preise der laufenden Verträge anpassen, damit die Genossenschaften die gestiegenen Löhne ihrer Beschäftigten stemmen können.
Überlegungen
Alex Baldo, Vorsitzender des Paritätischen Komitee der Sozialgenossenschaften (PKSG), zeigt sich besorgt über die wirtschaftliche Lage der Unternehmen des Sektors: Ihnen gebührt Aufmerksamkeit und Unterstützung seitens der öffentlichen Hand, insbesondere bei der Vergabe von Leistungen von öffentlichem Interesse an die Genossenschaften sowie allgemein im Vergabewesen, wobei das vorrangige und positive Ziel darin bestehen muss, die Qualität der erbrachten Leistungen zu gewährleisten.
Wie der Vorsitzende Alex Baldo bekräftigt, sei „die Bedeutung der Sozialgenossenschaften des Typs A und B in unserem gesellschaftlichen Gefüge nicht zu übersehen. Ihre besondere Rolle kommt ihnen dank der wichtigen Arbeit zu, die sie leisten. Was die Lohnerhöhungen im Jahr 2023 betrifft, kann mit Genugtuung festgehalten werden, dass diese das Ergebnis einer erfolgreichen gemeinsamen Verhandlung sind. Ein erfreuliches Ergebnis also, das den vielen Beschäftigten dieses strategischen Bereichs im sozialen Gefüge unseres Landes zugutekommt. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass sich Lohnerhöhungen auf die Kosten der Unternehmen auswirken und wirtschaftliche Schwierigkeiten nach sich ziehen. Die Genossenschaften müssen gezielt unterstützt werden, und zwar nicht nur durch die Gewährung öffentlicher Zuschüsse, die ebenfalls überaus wertvoll sind, sondern auch durch eine angemessene Anerkennung der Vergabestellen sowohl bei den laufenden Ausschreibungen als auch – klar und überzeugend – bei jenen, die in Zukunft folgen werden“.
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