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Der Gutachten-Krimi


Das Rechtsamt des Landtags bleibt dabei: Nur 1 italienischer Landesrat. Rechnen Sie selbst nach!

von Matthias Kofler

Ein Gutachten der Staatsadvokatur in Trient soll einen Schlussstrich unter die seit Wochen andauernde Auseinandersetzung um die Vertretung der italienischen Sprachgruppe in der neuen Landesregierung ziehen. Wie Präsident Sepp Noggler (SVP) mitgeteilt hat, ist das Gutachten, das zwei Landesräte für die italienische Sprachgruppe vorsehe, für den Landtag bindend. „Damit ist das Thema vom Tisch und die Koalitionsverhandlungen können beginnen“, sagte Noggler.

Die Juristen des Landtags und Generalsekretär Florian Zelger sind in ihrem Gutachten zum Schluss gekommen, dass bei der derzeitigen Rechtslage und „Stärke“ (de facto Schwäche) der italienischen Sprachgruppen ein zweiter Landesrat schlichtweg nicht möglich ist, wenn man auch einen Ladiner in die Landesregierung entsenden will. Nachdem die Volkspartei bereits zu erkennen gegeben hatte, dass sie nicht bereit sei, auf einen Vertreter der ältesten Sprachgruppe des Landes zu verzichten, sei der zweite Italiener in der Exekutive mathematisch nicht umsetzbar.

Der Staatsadvokatur unterläuft in ihrer Auslegung ein schwerwiegender Fehler: Sie legt fest, dass die Stärke der Sprachgruppen im Landtag mit 35 zu berechnen ist, obwohl die ladinische Sprachgruppe, für die es eine Kann-Bestimmung gibt, bereits berücksichtigt wurde. Das Wahlgesetz sieht ausdrücklich vor, dass im Falle der ladinischen Präsenz eine Neuberechnung vorgenommen werden muss, indem die verbleibenden Regierungsposten den anderen Sprachgruppen „im Verhältnis zu deren zahlenmäßigen Stärke im Landtag“ zugeteilt werden (wäre dies nicht der Fall, würde man es nicht ins Gesetz schreiben). Das Verhältnis zwischen der deutschen und der italienischen Sprachgruppe ist 29 zu 5 und nicht 29 zu 5 zu 1. Wenn den Italienern ein zweiter Sitz zugewiesen wird, auf den sie keinen Anspruch haben, geht dies zu Lasten der Deutschen. Genau das wollte der Gesetzgeber aber vermeiden: Der Ladiner sollte „neutral“ sein. Die Deutschen würden jedoch bei einer mathematisch falschen Berechnung von 9 auf 8 fallen und damit einen ganzen Sitz verlieren, während die Italiener fast einen halben Sitz dazugewinnen würden. Autonomiepolitisch wäre eine solche Entscheidung des Landeshauptmanns und der SVP verheerend.

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Die Berechnung des Regionalrats

Hinzu kommt, dass die Staatsadvokatur weder die Berechnung des Landtags überprüft noch eigene Berechnungen angestellt hat. Im Wesentlichen hat sie lediglich wiederholt, was die italienischen Rechtsparteien sagen. Das Trentiner Gutachten schweigt sich darüber aus, ob die von den Italienern angewandte Berechnungsmethode mit „Restmandaten“, die zu zwei Landesräten führt, korrekt und gesetzeskonform ist.

Es gibt mehrere externe Sachverständige, darunter honorige Rechtsprofessoren, die die Auslegung des Rechtsamts des Landes vollinhaltlich unterstützen. Auch der LH und die SVP-Leitung haben immer auf einem Italiener bestanden – nicht weil man den Italienern nicht deren zwei gönnen würde, sondern weil man sich an das Gesetz halten müsse –, bis die italienische Seite eine Kampagne zugunsten des zweiten Landesrats gestartet hat, die auch von Juristen wie Igor Janes, Eleonora Maines und Luca Crisafulli sowie von Ex-Landtagspräsident Roberto Bizzo unterstützt wurde. Der Landtag und der LH waren naiv zu glauben, dass die Staatsadvokatur das einzig logische und mathematisch-juridisch korrekte Vorgehen bestätigen würde. Damit wäre die Diskussion um den zweiten italienischen Landesrat endgültig vom Tisch gewesen. Niemand hatte mit einem solchen Fiasko gerechnet.

Die Frage ist nun, ob Arno Kompatscher dem Kesseltreiben der Rechtsparteien nachgeben und einer Aufstockung der Regierung auf elf Mitglieder mit zwei Italienern zustimmen wird. In diesem Fall ist mit Rekursen gegen die Landesregierung zu rechnen, deren Ausgang völlig offen ist.

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