Wenn man zusammen isst…..
In „The Old Oak“ erzählt Ken Loach vom Wert der Gemeinschaft. Ganz anders Samuel Perriard, der mit „8 Tage im August“ Trennendes schildert.
von Renate Mumelter
The Old Oak
„Wenn man zusammen isst, hält man zusammen“, lautete die Devise der Bergarbeiter im Nordosten Englands. Die Minen gibt es nicht mehr, die Menschen schon. Die Protagonisten von Loachs Film leben in den Backsteinhäusern des Ortes, viele davon stehen steht leer, viele wurden bereits wegspekuliert, und in einige dieser Häuser ziehen 2016 Geflüchtete aus Syrien ein. Sehr zum Missfallen der meisten im Ort.
TJ Ballantyne muss als Pub-Betreiber versuchen, mit allen Stimmungen umzugehen. Er betreibt das einzig verbliebene Gasthaus, das „Old Oak“, und schrammt damit am ökonomischen Abgrund dahin wie viele andere auch seit die Minen zu sind. Not gegen Not, das geht selten gut. Der Konflikt mit den Neuankömmlingen aus Syrien scheint vorprogrammiert.
Dass es dann doch nicht ganz so schlimm kommt, hat mit Loachs Weltsicht zu tun. Er sieht beide Seiten, erzählt beide Seiten, macht keine gefühligen Kompromisse und zeigt die Welt, wie sie ist: Zerbrechlich und doch voller Hoffnung.
„The Old Oak“ wird wohl der letzte Film den 87-Jährigen sein. Mit dem ihm eigenen Realitätssinn tut er nicht so als ob in seinem Alter alles lässig von der Hand ginge, sondern sagt offen, dass er altersbedingt keinen Film mehr schaffen wird: zu anstrengend. Andere schwindeln sich über diese Tatsache hinweg.
Ken Loach hat ein Leben lang realistische Kapitalismuskritik geübt ohne darauf zu verzichten beeindruckende, ja schöne, Filme zu machen. Ein beachtliches Lebenswerk. Mehr Einblick in Loachs Denken und Wirken gibt derzeit Raiplay mit seinen Filmen und Interviews.
8 Tage im August
können auch im sonnigen Apulien schwierig sein. Dorthin wird das Publikum in Samuel Perriards Film gebracht. Auf den Stränden des Gargano kommen zwei Urlaubs-Familien in Schwierigkeiten und rasch ins Trennende. Da bleibt wenig übrig von der Solidarität, die Loach hochhält. Hier zählen Individualismus und Lebenskrise in den unterschiedlichsten Ausformungen.
Adam (Florian Lukas) und Helena (Julia Jentsch) sind mit Ellie (Sarah Hostettler) und Matti (Sami Loris) sowie den jeweiligen Söhnen Finn und Luca unterwegs. Als Unerwartetes geschieht – eine plötzliche Ohnmacht von Finn, ein verlorener Autoschlüssel, ein unerwartetes Militärmanöver – gerät Adam aus dem Tritt. Das Paar driftet auseinander, die Freunde auch, der Urlaub zerbröselt. Ob ein Neuanfang gelingen kann, bleibt offen wie viel Unerzähltes auch. Im Nachspann ist Raffaella Carràs Hit „A far l’amore comincia tu“ zu hören, auch ein unklarer Text.
Der Film wurde in Apulien gedreht, co-produziert wurde er von Martin Rattini von der Südtiroler Firma Helios Sustainable Films. Südtirol-Premiere war am vergangenen Donnerstag. Die Helios produziert derzeit auch „Zweitland“ von Michael Kofler.
Das Kinophänomen
„C’è ancora domani“ von Paola Cortellesi füllt weiterhin italienweit die Kinos, auch jene in Bozen, wo es sich empfiehlt, die Karten zu reservieren.
Dieser Publikumserfolg kam absolut unerwartet, und er ist umso erfreulicher, weil Cortellesi nicht Mainstream-Kino macht sondern ernst zu nehmendes, gelungenes Arthouse-Kino. Seit seinem Start hat der Film 3 Millionen Besucherinnen verzeichnet und liegt damit italienweit an der Spitze. Ein Film, der wohl vielen aus der Seele spricht (wenn ich das so sagen kann) oder: der endlich sagt, was längst zu sagen war. Kino kann.
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