Der sechste Cellist
Ein ehemaliges Mitglied des Haydn-Orchesters erwirkt vor Gericht die Aufhebung seiner Entlassung als Cellist im Jahre 2017.
von Thomas Vikoler
Gleich zweimal vom selben Arbeitgeber entlassen zu werden, dass widerfährt nicht jedem. In den Jahren 2016 und 2017 passierte aber genau das: Das Haydn-Orchester von Trient und Bozen kündigte einem Orchestermitglied einmal wegen ausbleibender öffentlicher Subventionen, einmal weil die Besetzung des sechsten Cellisten gestrichen worden war.
Dazwischen gab es den Versuch des Orchester-Managements, den Cellisten mit einem Teilzeit-Vertrag auszustatten, den er aber ablehnte.
Doch nun, nach einem Urteil der Kassation steht fest: Die zweite Entlassung des sechsten Cellisten war rechtswidrig. Das Höchstgericht hat eine Beschwerde des Musikers gegen ein Urteil der Zivilsektion des Bozner Oberlandesgerichts angenommen und den Fall zu einer neuen Prüfung an die zweite Instanz zurückgewiesen.
Der entlassene Cellist war zuvor mit einer Anfechtung der Entlassung am Landesgericht gescheitert. Beide Instanzen gaben dem Orchester recht, nun gibt es seitens der Kassation präzise Vorgaben, wie der Streitfall zu entscheiden ist.
Die Höchstrichter bezeichnen die Begründung für die beiden Entlassungen wörtlich als „tautologisch“. Die Richter des Landesgerichts bzw. Oberlandesgerichts hatten festgestellt, dass angesichts eines Verlustes in der Bilanz, Sparmaßnahmen wie die Entlassung von Personal aus wirtschaftlich objektiven Gründen möglich sein müssten. Unabhängig von der genauen Aufgabe des betroffenen Arbeitnehmers.
Allerdings wurde dabei von den Richtern nicht ausreichend geprüft, warum die Sparmaßnahme ausgerechnet die Besetzung des sechsten Cellisten treffen musste. Im zweiten Entlassungsbrief hatte die Haydn-Leitung geschrieben, dass bei der Festlegung der Programm-Politik eines Orchesters „auch eine Reduzierung der Arbeitskosten“ angestrebt werden müsse. In diesem Fall habe man sich eben für die Streichung eines Cellos (und damit die Entlassung des Musikers, der diese Position im Orchester besetzte) entschieden.
Das Bozner Oberlandesgericht hatte aus den beiden Entlassungsschreiben hingegen unterschiedliche Begründungen herausgelesen: Die erste Entlassung sei wegen eines deutlichen Rückgangs der öffentlichen Zuwendungen und des seltenen Einsatzes eines sechsten Cellos bei Aufführungen erfolgt. Die zweite wiederum aus wirtschaftlichen Gründen infolge eines nicht akzeptierten Teilzeit-Vertrages.
Der entlassene Cellist beanstandete in seiner Kassationsbeschwerde einen fehlenden kausalen Zusammenhang zwischen der Entlassung und ihrer Begründung. Dieser Einwand traf ins Schwarze. Das Orchester habe es verabsäumt, einen schlüssigen Grund dafür zu nennen, warum das sechste Cello und nicht etwa das dritte Horn entlassen werden musste. Weder das dritte Horn noch das sechste Cello sind im Stellenplan des Haydn-Orchesters vorgesehen.
Das Bozner Oberlandesgericht muss sich nun also in einer neuen Zusammensetzung des Senats erneut mit dem Fall des entlassenen Cellisten befassen.
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