„Großzügige Autonomie“
Kann die Regierungsbildung in Spanien unter Beteiligung der Separatisten bei gleichzeitiger Gewährung ihrer Amnestie ein Beispiel sein für einen möglichen Weg in die Selbstbestimmung auch in Südtirol?
von Sandra Fresenius
In Spanien kann der sozialdemokratische Ministerpräsident Pedro Sánchez mit Hilfe von katalanischen und baskischen Separatisten eine Regierungsmehrheit bilden und somit weiterregieren. Im Gegenzug zur Unterstützung gewährt er den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern eine Amnestie für die verurteilten Betreiber des Abspaltungsversuchs von 2017. Könnte dies auch eine Lösung für die Südtiroler Aktivisten sein? „Man kann beide Situationen nicht ganz miteinander vergleichen, weil die katalanischen Separatisten, die damals an der Regierung waren, eine Abstimmung durchgeführt und die Abspaltung ausgerufen haben, um sich von Spanien loszulösen, während die Südtiroler Aktivisten, nachdem das Autonomiestatut nicht umgesetzt worden ist, zu Gewalt gegriffen haben“, verweist die SVP-Senatorin Julia Unterberger auf die kontextuellen Unterschiede. In Italien wäre laut Unterberger ein solches Vorgehen überdies nicht so ohne weiteres möglich, da es für ein entsprechendes Gesetz einer Zweidrittel-Mehrheit der Parlamentarier bedürfe, was beinahe ausgeschlossen wäre. Gleichwohl würde sie es als „schönes Signal werten, wenn Italien so einen Schlusspunkt unter diese schmerzvolle Geschichte Südtirols setzen würde“. „In Italien ist für die Gewährung einer Amnestie der Staatspräsident als oberster Vertreter der Gerichtsbarkeit zuständig und dieser lässt sich nicht von einer Regierungsbildung etwas diktieren. Es ist eine formal bedenkliche Geschichte, dass man die Gerichtsbarkeit in die Knie zwingt, damit jemand eine Regierung bilden kann“, verweist der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann auf die Differenzen zwischen beiden Situationen.
Unterschiede würden zusätzlich durch die jeweils regierende Partei bedingt. „Wir als SVP sehen es als unser primäres Ziel an, die Südtiroler Autonomie auszubauen. Wir haben nie Unabhängigkeitsbestrebungen gehabt“, so Dorfmann. Demgegenüber betrachtet die Südtiroler Freiheit die Amnestie der zu lebenslanger Haft verurteilten Südtiroler Freiheitskämpfer lediglich als eine Forderung unter vielen. „Uns geht es um Selbstbestimmung für Südtirol“, unterstreicht der Mitarbeiter der Fraktion Cristian Kollmann.
Neben diesen Unterschieden gibt es auch Gemeinsamkeiten. Unterberger sieht ähnliche Beweggründe nach Selbstbestimmung bei Katalanen, Basken und Südtirolern. Es würde aber wesentlich von den Nationalstaaten abhängen, wie sie mit Minderheiten umgeht und ob sie durch eine zentralistische Politik Abspaltungstendenzen fördern würde. „Alle drei sind Völker, die in einem fremdnationalen Staat leben“, hebt Stratege Kollmann die Gemeinsamkeit hervor. So ordnet er Südtirol den geteilten Völkern zu, während die Basken und Katalanen sowohl geteilt als auch den Völkern ohne Staat zuzurechnen seien.
Um die Situation in Spanien zu befrieden, hätte es vielmehr ein neues Referendum bedurft, so der EU-Parlamentarier der SVP. Dieses hätte ordnungsgemäß und unter staatlicher Aufsicht stattfinden müssen. „Das Selbstbestimmungsrecht sollte jeder Volksgruppe gewährt werden. Ein schönes Beispiel dafür hat es im Jahr 2014 in Großbritannien gegeben. Dort hat man die Schotten abstimmen lassen, ob sie bei Großbritannien bleiben möchten oder einen eigenen Staat gründen wollen. Die Mehrheit der Schotten hat entschieden, bei Großbritannien zu bleiben. Das war eine friedliche gegenseitige Anerkennung. Das wäre die ideale Vorgangsweise, auch wenn mir bewusst ist, dass dies bei südlichen, zentralistischen Staaten nie so sein wird“, meint auch die SVP-Senatorin.
„Wenn eine Region ihren eigenen Weg gehen möchte, dann sollte man dies in einem befriedeten Europa auf einem friedlichen Weg machen und nicht auf einem Weg, der in einen Konflikt mündet“, findet Dorfmann. Weil in Spanien ein neues Referendum nicht vorgesehen ist, wären aber wohl weitere Konflikte vorgezeichnet, vermutet der EU-Parlamentarier. Demgegenüber sind Unterberger und Kollmann der Meinung, dass sich die Wogen mit einem entsprechenden Entgegenkommen der Regierung gegenüber den Separatisten glätten werden. „Katalonien wird eine Autonomie erhalten, mit der die Bürger zufrieden sind und nicht mehr weg von Spanien wollen. Damit wird der Konflikt befriedet. Wenn eine Regierung nicht nationalistisch agiert und die Anliegen der Minderheiten anerkennt, dann wird sich die Situation stabilisieren“, so Unterberger. -Cristian Kollmann führt das Beispiel der Basken an, die zwar die Selbstbestimmung gefordert hätten, aber die Finanzautonomie bekommen hätten. Damit wären sie „im Großen und Ganzen“ zufrieden, meint er. Einen solchen Kompromiss auf dem Weg zur Selbstbestimmung hält er auch für Südtirol vorstellbar. „Nur wenn eine Volksgruppe vorher von einem Nationalstaat massiv unterdrückt und aller Rechte beschnitten worden ist, dann erkennt die Staatengemeinschaft ihr das Recht zu, sich abzuspalten. Diese Unterdrückung und Beschneidung der Rechte besteht jedoch weder in Südtirol noch in Katalonien. Wir in Südtirol haben eine sehr großzügige Autonomie, deswegen sind hier die Bestrebungen, vom italienischen Staat wegzukommen, überschaubar“ weiß die Senatorin.
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Kommentare (10)
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andreas
Die Sozis kriegen in Spanien ohne die Separatisten keine Regierung hin, deshalb diese schwindelige Aktion, welche eigentlich ein Armutszeugnis der Sozis ist.
Dass jede Region oder jedes „Volk“ ein Recht auf Eigenständigkeit hat, ist wohl etwas weltfremd, denn was tun, wenn z.B. die Traminer meinen, einen eigenen Staat gründen zu müssen?
Europa ist auf dem absteigenden Ast und kann nur gemeinsam gegen USA und China bestehen.
Die Politik muß zentralistischer werden, die Macht der Staaten reduziert und die Regel, dass Einstimmigkeit herrschen muß, gehört abgeschaft, da Staaten wie Ungarn alles blockieren können.
Es braucht eine europäische Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik und eine Antwort auf Bidens Wirtschaftspolitik, durch welche x europäische Unternehmen ihre Investitionen aus Europa abziehen und in die USA übersiedeln.
Es kann nicht sein, dass Deutschland, welche am Tropf der USA und China hängen, das gute und schlechte Wetter in Europa machen. Es ist nicht das Problem Europas, wenn VW seine 43 Werke in China schließen muss, da sie sich so exponiert haben und auch nicht, wenn BMW oder Mercedes wegen Differenzen mit China den Laden schließen müssen, da sie den größten Teil der Gewinne dort machen.
Die Deutschen ignorieren z.B. auch, dass es höchstwahrscheinlich Ukrainer waren, welche ihnen die Gaspipelines gesprengt haben und meinen mit ihrer Staatsräson dem Rest der Welt aufdiktieren zu müssen, wie sie die Palästinenserfrage zu sehen haben.
hermannh
andreas: was bist Du für einer??? Zwischen Katalanen und Traminer gibt es massive Unterschiede: ein Millionenvolk und ein südtiroler Weindorf haben dann nichts gemeinsames, der Vergleich ist einfach nur doooooooof. 🙁
Ich gehe davon aus, dass Du ein AFD – Fan bist, nachdem ganzen Blödsin was Du über Wirtschaft und die Gaspipeline schreibst (da fehlt der Zusammenhang, Du plaperst irgendwas nach ohne es zu verstehen). 🙁
andreas
Frag mal die Traminer wie sehr sie sich zu den Kalterern hingezogen fühlen.. 🙂
Nordstream schweigt die Regierung trotz vom Spiegel publizierter Belege.
Geh mal davon aus, dass ich nicht weniger als du oder summer1 von Politik verstehe, also spart euch die AFD Spekulationen.
Lustig ist bei euch 2 Heinis, dass ihr keine Gegenargumente habt, aber meint jedem erklären zu müssen, wie falsch er alles sieht.
gorgo
Sehr schlechtes Beispiel. Die Kalterer mag niemand.
dn
Andreas ist ein Fan der Italianitá. Würd mich nicht wundern, wenn er auch Geld dafür nimmt.
andreas
Bin nur Pragmatiker und hab mit den Österreichern nichts zu tun.
Mir sind die Trientner und die aus dem Veneto 10x lieber als die Tiroler.
Arbeit mal mit Tiroler oder Deutschen, dann reden wir weiter.
Die Deutschen meinen wir sind ein 3. Welt Land und die Tiroler reden gschert daher, als hätten sie das warme Wasser erfunden. Nebenbei sind sie unzuverlässig und recht unflexibel.
vinschgermarille
Im weitesten Sinne sind auch zumindest Teile der Trentiner Tiroler….Jede/r hat ja so seine Vorlieben.und man liest ja hier des öfteren haarsträubende Kommentere.Ehrlich gesagt,Südtiroler ,die nichts lieber tun als auf Tirolern / Österreichern und Deutschen verbal einzudreschen sind mir insofern suspekt,dass unsere Landsleute keinen Deut besser sind als jene nördlich des Brenners.Wir wollen es nur nicht wahrhaben.
rolandlang
„Wir als SVP sehen es als unser primäres Ziel an, die Südtiroler Autonomie auszubauen. Wir haben nie Unabhängigkeitsbestrebungen gehabt“, so Dorfmann.
Dorfmann kennt nicht einmal den Gründungsakt seiner Partei!
Vermutlich gibt es keine andere demokratische Partei auf der Welt, deren erstes Programm so kurz und prägnant war wie jenes der Südtiroler Volkspartei. Es umfasste nur drei Punkte:
Nach 25-jähriger Unterdrückung durch den Faschismus und Nationalsozialismus den kulturellen, sprachlichen und wirtschaftlichen Rechten der Südtiroler auf Grund demokratischer Grundsätze Geltung zu verschaffen.
Zur Ruhe und Ordnung im Land beizutragen.
Seine Vertreter zu ermächtigen – unter Ausschluss aller illegalen Methoden – den Anspruch des Südtiroler Volkes auf Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes bei den alliierten Mächten zu vertreten.
klum
Hätten die Katalanen und Basken eine ähnliche Autonomie wie Südtirol, würden sich gewisse Fragen hier gar nicht stellen. Die spanischen Minderheiten werden außerdem auch durch eine Regierungsbeteiligung keine Freistaaten werden und ein besseres Miteinander wäre wohl für alle Spanier ein Vorteil. Zudem fehlt dann der VOX der Wind in den Segeln.
dn
Alles längst vergessen, da ist nur noch ein leichter Geruch übrig. Man kann es nicht mal auf die Italiener schieben – sie können es uns schlecht aufzwingen. Unsere politische Vertretung müsste das in diplomatischer Arbeit erledigen. Nur – war bis jetzt von unserer Seite aus kein Thema.