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Kino kann

Gruppenbild mit Frau: Hausfrau Delia (Paola Cortellesi) knieend

Kino kann gesellschaftliche Diskurse anregen. Das zeigen 2 sehenswerte Filme, „Bosnischer Topf“ mit einem Superstar und „C’è ancora domani“ mit einem Publikumserfolg.

von Renate Mumelter

Der eine ärgert italienische Machos und füllt die Kinos, der andere schafft es, unsere gewohnte Weltsicht umzudrehen.

C’è ancora domani

Spontan-Applaus in einem fast vollen Capitol-1-Saal im Filmclub an einem ganz normalen Kinotag. Der Erstlingsfilm von Paola Cortellesi ist ein Phänomen. In ganz Italien füllt er die Kinosäle. Von der Kritik wird er gelobt, in den Netzwerken beschimpft von Männern, die plötzlich zu Filmkritikern werden. Italien bleibt offensichtlich ein Macholand. Das hat mit dem Filmthema zu tun.

Wir sind im Rom der Nachkriegszeit, bei einer Familie, die im „scantinato“ lebt, Vater, Mutter, Tochter, 2 Söhne, Schwiegervater. Delia versucht, das Leben zwischen schlagendem Mann, brüllendem Schwiegervater und den Kindern zu meistern und sie selbst zu bleiben. Was hilft, sind die anderen Frauen. Rechte haben die Frauen zu dieser Zeit keine, nicht einmal das Wahlrecht.

Cortellesi erzählt trotz aller Schwere heiter, was dem Thema gut tut. Die Übergriffe des Mannes werden nicht krude gezeigt sondern als absurder Tanz inszeniert, was nicht bedeutet, dass sie weniger schlimm herüberkommen. Die Armut wird über eine geflickte Bluse deutlich, der erwachende Mut der Frauen am Beispiel einer Heirat, die platzt. Gesprochen wird im römischen Dialekt, der für „fremdsprachiges“ Publikum nachvollziehbar bleibt. Ihre erste Regie meistert Cortellesi souverän zwischen Härte, Klarheit und Leichtigkeit.

Paola Cortellesi

Die Regisseurin und Hauptdarstellerin ist in Italien keine unbekannte. Als 13Jährige sang sie die absurde Arbore-Hymne „Cacao Meravigliao“, wurde von Mina als absolutes Gesangstalent bezeichnet. Sie ist erfolgreiche Schauspielerin, bekannte TV-Moderatorin, und war immer schon politisch engagiert. Das beweist dieser Film aber auch ein Drehbuch, das sie 2014 für „Scusate se esisto!“ schrieb. Darin geht es um eine in London erfolgreiche Architektin aus den Abruzzen, die bei ihrer Rückkehr  – weil Frau – keinen Fuß auf den Boden kriegt. Deshalb gibt sie sich als Assistentin eines Architekten aus. Strohmann ist ein homosexueller Freund.

Bosnischer Topf

Selfiejagden und tosenden Applaus gab es letzte Woche beim Filmfestival in Radstadt (Pongau). Anlass dazu gab Pavo Marinkovićs „Bosnischer Topf“. Kati, eine Festivalmitarbeiterin mit kroatisch-bosnischen Wurzeln erstaunt das keineswegs. „Der Faruk ist bei uns ein Superstar“, klärt sie mich auf. „Faruk“ war als Gast angekündigt. Eigentlich heißt er Senad Bašić und ist im ganzen Ex-Jugoslawien bekannt. Das hat mit einer Rolle zu tun, die er in der höchst erfolgreichen Comedyserie „Verrückt, verwirrt, normal“ spielt. Die Serie startete 2007 und ist auf dem ganzen Balkan beliebt.

Auch im „Bosnischen Topf“ heißt Senad Bašić Faruk. Nach Radstadt war er mit der Hauptdarstellerin Bruna Bebić gekommen, auch keine Unbekannte. Im Film geht es um einen Schriftsteller und Professor, Faruk Šego, der seit den Jugoslawienkriegen in Graz lebt und aufgrund unglücklicher Umstände von Abschiebung bedroht ist. Retten kann er sich nur, wenn er einen „wertvollen Beitrag zur österreichischen Kultur“ leistet. Ironischer geht’s nicht.

Das Q&A nach dem Film war amüsant und aufschlussreich, denn plötzlich hatten sich die Welten umgedreht. Wer weder bosnisch noch kroatisch versteht, war in der Minderheit, auch ich. Immer wieder musste ich moderierend um eine deutsche Übersetzung bitten, konnte also erleben, was eingewanderte Menschen am Anfang ständig erleben. Eine Lektion.

 

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