Der kreative Knödel
In Südtirol gibt es mittlerweile über 20 Restaurants mit einer Michelin-Auszeichnung. Einen großen Anteil an diesem Erfolg haben Ausbildung und einheimische Produkte, meint der ehemalige Präsident des Köcheverbandes Reinhard Steger.
TAGESZEITUNG Online: Herr Steger, kürzlich wurde das Atelier Moessmer von Norbert Niederkofler in Bruneck von Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet. Insgesamt gibt es über 20 Restaurants mit einer Michelin-Auszeichnung in Südtirol. Warum gibt es hier eine solche Dichte exzellenter Köche?
Reinhard Steger: Das ist das Ergebnis einer Aus- und Weiterbildung, deren Startpunkt viele Jahre zurückliegt. Mitte bzw. Ende der 90er Jahre hat es einen Schnitt gegeben, weil alles auf frisches Kochen, auf Kreativität und Innovation gesetzt wurde, ohne zugleich die Tradition zu verlieren. Der Köcheverband hat damals die weltbesten Referenten nach Südtirol geholt und es ist ein Wettbewerb entstanden. Wir waren ursprünglich das zehnte Bundesland von Österreich, sind dann zu Italien gekommen und mussten erstmal unseren Weg suchen, uns in dieser neuen Kultur erstmal zurechtfinden. Wir haben dann aus einem scheinbaren Nachteil den Vorteil herausgezogen, weil wir für uns einen tollen Mix aus alpin und mediterran gefunden und kreiert haben. Aus einer Orientierungslosigkeit heraus ist es uns gelungen, eine Passion zu entwickeln. Das hat die jungen Menschen ungemein fasziniert. Vor allem aber haben wir begriffen, dass man in den gastgewerblichen Schulen auch die hochtalentierten braucht. Dafür braucht es eine Strahlkraft. Es ist uns gelungen, eine Menge junger Menschen heranzuziehen. Ohne Wettbewerb geht es eben nicht.
Welche Rolle spielt die Ausbildung in Südtirol?
Mit Sicherheit liegt der Schlüssel für diesen Erfolg in der hohen Qualität der Ausbildung und der hohen Dichte an Ausbildungszentren. Wir haben insgesamt fünf Ausbildungszentren auf hohem Niveau in Südtirol.
Was zeichnet die Ausbildung in Südtirol aus?
Wir haben den großen Vorteil, dass unsere jungen Menschen mit drei Sprachen aufwachsen. In Hotelfachschulen werden vier Sprachen unterrichtet. Das eröffnet den jungen Leuten international ganz andere Zugänge. Auch Norbert Niederkofler hat durch diese sprachliche Kompetenz international sofort auf einem bestimmten Level gespielt.
Ist es auch oder noch mehr die Erfahrung, die die Köche im Ausland sammeln, die sie zu Meistern ihrer Zunft formt?
Wir haben es in den letzten Jahrzehnten verstanden, dass es zur DNA der Südtiroler Jungköche, die etwas im Beruf erreichen möchten, dazugehört, nach Schule und Ausbildung einige Jahre ins Ausland zu gehen, um anschließend einen gewissen Wissenstransfer zu realisieren.
Was zeichnet einen Spitzenkoch neben einer guten Ausbildung aus?
In der Schule weiß jemand vielleicht um bestimmte Talente, aber erst danach zeigt sich, ob er auch den Druck aushalten kann. Spitzenküche ist gleichzusetzen mit Spitzensport. Das setzt immer fleißiges Training voraus, Leistungsbereitschaft sowie die Bereitschaft, sich tagtäglich mit den Besten der Besten zu messen. Auch der Faktor Geschmack spielt eine Rolle. Den kann man zwar trainieren, aber einen gewissen Geschmack sollte man dennoch bereits mitbringen. Auch die Liebe zum guten Essen und gewisse Handfertigkeiten, die über Jahre weiter trainiert werden, sollte er mitbringen. Es ist überdies von Vorteil, wenn man bereits mit frischer Küche groß wird.
Viele verbinden Südtirol eher mit deftiger Küche und Hausmannskost, ist dieses Bild längst überholt?
Wir unterscheiden zwei Richtungen der Südtiroler Küche. Das eine ist die traditionelle Südtiroler Küche, die eigentlich aus der Tiroler Küche entstanden ist. Das andere ist die innovative, andauernd sich weiterentwickelnde, moderne Linie der Südtiroler Küche. Es wäre falsch, das eine mit dem anderen auszutauschen, weil beispielsweise die bäuerliche Buschenschenke verbunden wird mit traditionell überlieferten Gerichten. Aber selbstverständlich gibt uns die Moderne diesen Glanz, diese Spielwiese, die wir für die jungen kreativen Köche brauchen. Ab und an gibt es natürlich auch Überschneidungen zwischen beiden Richtungen. So ist es uns gelungen, den Knödel traditionell zu servieren, aber auch bereichert mit verschiedenen ausgefallenen Gemüsevarianten, farbenfroh, innovativ und kreativ, womit wir auch junge Menschen begeistern können.
Welche Art der Küche und Speisen zelebrieren die Südtiroler Sterneköche?
Sie kochen frisch und mit einem ganz engen Bezug zum eigenen Terroir. Das Fundament der Südtiroler Küche sind die Südtiroler Produkte. Es gibt den Restaurants die Möglichkeit, gewisse Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten. Wir müssen die Südtiroler Produzenten animieren und fördern, tolle Produkte zu kreieren. Robert Niederkofler ist mit seiner „Cook the Mountain“-Philosophie bekannt geworden, also dem Zugriff auf die eigenen Produzenten.
Verwenden sie viel oder gar ausschließlich heimische regionale Produkte?
Der Markt zeigt nach wie vor Potenzial zu wachsen. Aber bei der Entwicklung der Tourismuszahlen ist es unmöglich, alle Produkte zu haben. Wir haben beispielsweise viel zu wenig Schlachtfleisch auf dem Markt, als dass wir auch nur annähernd den Bedarf abdecken könnten, weil sich die Südtiroler Landwirtschaft nach wie vor sehr stark auf Milchwirtschaft konzentriert.
Interview: Sandra Fresenius
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Kommentare (4)
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andreas
Die „moderne Linie der Südtiroler Küche“ trägt halt dazu bei, dass sogar Almen annehmen, dass sie „Gourmetgerichte“ mit 3 Zeilen in der Speisekarte anbieten müssen und Gulasch mit Speckknödel fehlt.
Es wird in Südtirol immer schwieriger „normale“ Restaurants zu finden, im Trentino haben die meisten wenigstens noch ihre Luganega mit Käse, Pilzen und Polenta auf der Karte.
@alice.it
Mit Michelin-Sternen sollten all jene Gasthöfe und Almen ausgezeichnet werden, welche heute noch für 20 Euro pro Person ein Essen auf den Tisch bringen.
olle3xgscheid
Wo kehrst den du ein?
Das gibts zuhauf ,es sei den du hättest gern 3 Gänge 😉
andreas1234567
Hallo zum kulinarischem Nachmittag,
die gehobene Gastronomie ist nur noch eine Parodie auf gescheites Essen und Trinken, wird überfrachtet mit allerlei wichtigen Begriffen und Methoden, da wird was mit flüssigem Stickstoff kristallisiert oder mit 800°C gegrillt und mit Blattgold überzogen.
Und alles damit Graf von Rotz (79) und seine Lebensgefährtin Lasmiranda den Sevilja (27) den Kassenzettel auf Instagram herzeigen können was die so bei einem Abendessen rausgehauen haben, 525,00 Euro grosszügig aufgerundet auf 1100 Euro.
Zu der bodenständigen Gastronomie:
Wo ich einkehre gibt es den Teller mit lokalem Kleinvieh und hausgemachtem Knödel zwischen 13 bis 16 Euro, das ist die Preisrealität in Berggasthöfen und Almen, auch auf den Hütten hat man sich die Bodenständigkeit bewahrt. Und wer öfter zukehrt bekommt die Stammgastherzlichkeit gratis dazu.
Und Stammgäste haben auch schnell heraus wo mit TK und Convenience abgefüttert wird und wo nicht..
Südtirol ist weiterhin eine Provinz wo gut, herzlich, qualitativ und preiswert eingekehrt werden kann, das Wissen muss sich der Gast aneignen und das geht nur über den Status Stammgast.Oder man rennt den Heimischen hinterher, in einfachen Lokalen wo es am Wochenende eine Reservierung braucht wird es passen
Auf Wiedersehen dort