Das Land als Zivilpartei
Im Strafverfahren zum Tod von Sigrid Gröber dürfte es zu einer Premiere kommen: Das Land tritt auf der Grundlage des neuen Gesetzes zur geschlechterspezifischen Gewalt als Nebenkläger auf.
von Thomas Vikoler
Der Auftritt eines Vertreters der Landesanwaltschaft bei der Verhandlung vor einer Woche am Landesgericht überraschte einige der Anwesenden. Der Anwalt stellte einen formellen Antrag auf Zulassung des Landes Südtirol als Nebenkläger im Strafverfahren zum Tod von Sigrid Gröber.
Sigrid Gröber, 39, starb im Februar dieses Jahres im Meraner Krankenhaus, nachdem sie laut Anklage von ihrem Partner Alexander Gruber, 56, schwer verprügelt und im Innenhof der Hotelfachschule Kaiserhof liegengelassen wurde.
Voruntersuchungsrichterin Elsa Vesco wird auf der nächsten Verhandlung am 5. Dezember ihre Entscheidung zu gleich mehreren Anträgen bekanntgeben: Den Antrag auf ein verkürztes Verfahren für Alexander Gruber (der offenbar drei Tage zu spät am Landesgericht eingelangt ist), dem Antrag der Verteidigerinnen Alessandra D`Ignazio und Claudia Benedetti auf Annullierung des von der Staatsanwaltschaft verfügten Sofort-Verfahrens (um das verkürzte Verfahren zu „retten“) – und die Einlassung des Landes Südtirol als Nebenkläger.
Grundlage für diesen erstmalischen Schritt in einem Strafverfahren, in dem die öffentliche Verwaltung nicht als geschädigte Partei aufscheint, ist Landesgesetz Nr. 13 vom 9. Dezember 2021. Es ist ein Gesetz, das „Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Unterstützung von Frauen und ihren Kindern“ vorsieht. Auch eine Reaktion auf die wiederholten Feminizide in Südtirol.
Artikel 13 des Landesgesetzes sieht die Einlassung der Landesverwaltung in derartigen Fällen vor. Dort heißt es: „Das Land kann sich nach einer entsprechenden Beauftragung durch die Landesregierung und nach Prüfung des konkreten Sachverhalts durch die zuständigen Organisationseinheiten des Landes als Zivilpartei in Strafverfahren einlassen, und zwar wegen der strafbaren Handlungen Feminizid, Misshandlung von Familienangehörigen und im selben Haushalt lebenden Personen, sexuelle Gewalt, Stalking und sonstiger gewalttätiger Handlungen gegen Frauen, die in Südtirol begangen wurden und der Landesverwaltung gemeldet wurden“. Der Rahmen für einen Antrag ist also vergleichsweise weit gesteckt. Die Gelder, die dem Nebenkläger Land etwaig in einem Strafverfahren zugesprochen werden, sollen laut Gesetz dem in Artikel 12 vorgegebenen Solidaritätsfonds für rechtlichen Beistand für Frauen, die Opfer von Gewalt und Misshandlung sind, zukommen.
Die Einlassung dürfte zuweilen auch eine symbolische Funktion haben, wenn verurteilte Täter gar nicht in der Lage sind, die Nebenkläger zu entschädigen. Im konkreten Fall wird davon ausgegangen, dass Alexander Gruber bei einer rechtskräftigen Verurteilung, nicht die Mittel aufbringen werde können, den Angehörigen Schmerzensgeld zu zahlen. Die Schwester und die minderjährige Tochter von Sigrid Gröber, haben dem Bozner Anwalt Martin Fill den Auftrag erteilt, sie im Strafverfahren gegen Gruber zu vertreten.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kaiserhof-Hausmeister (nach einer anfänglichen Ermittlung wegen vorsätzlicher Tötung) Körperverletzung mit Todesfolge vor („omicidio preterintenzionale“), worauf ein Strafrahmen von zehn bis 18 Jahren steht.
Ob der Fall im verkürzten Verfahren in einer Vorverhandlung (mit einem automatischen Drittel Strafnachlass) abgehandelt wird oder vor einem Schwurgericht, das entscheidet sich am 5. Dezember.
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Kommentare (1)
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robby
Nachdem die Landesanwaltschft normalerweise wenig bis gar nichts reißt warum nicht so was versuchen?