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Toxischer Mix

Luis Walcher und Peter Brunner

Sicherheit, Corona-Management und eine unbefriedigende Landesregierung: Warum die SVP die Landtagswahlen verloren hat. Und wo ihre Stimmen hingegangen sind.

von Matthias Kofler

Das Marktforschungsinstitut Komma, das vom ehemaligen Landessekretär Stefan Premstaller geleitet wird, hat im Auftrag der SVP die Landtagswahl 2023 analysiert. Auch die Ergebnisse einer Nachwahlbefragung des Demox-Instituts in Wien flossen in die Arbeit ein. Die zentrale Frage, die sich Premstaller und sein Team stellten, lautete: Warum hat die SVP am 22. Oktober 7,4 Prozent der Stimmen bzw. zwei Sitze im Hohen Haus verloren und damit ihr Wahlziel deutlich verfehlt?

Die Marktforscher haben eine klare Antwort: Es waren vor allem die dominierenden Themen des Wahlkampfs, die der SVP nicht in die Hände spielten: Sicherheit, Migration und Coronavirus, gepaart mit einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der Arbeit der scheidenden Landesregierung. Eine giftige Mischung. Angesichts dieser ungünstigen Vorzeichen war eine Trendwende nicht mehr möglich, weshalb Landeshauptmann Arno Kompatscher von vornherein „erhebliche Verluste“ voraussagte. Massive Stimmenverluste erlitt das Edelweiß vor allem in der Peripherie: Am stärksten war der Rückgang im Vinschgau (-15,50%), gefolgt vom Pustertal (-11,76%) und dem Burggrafenamt (-10,17%). Frühere Hochburgen wie Ulten, Moos in Passeier, Schnals, Schluderns und Martell gingen verloren. Dort wählte jeder fünfte SVP-Wähler von 2018 diesmal eine andere Partei. In den Städten und urban geprägten (Groß-)Gemeinden, die auch im Einzugsbereich der Städte liegen, konnte die Volkspartei ihr Ergebnis halten.

Aus Sicht der SVP ist die demografische Entwicklung ihrer Stammwählerschaft besorgniserregend: Nur noch jede zweite Person über 60 Jahre wählte das Edelweiß. Da diese Klientel nicht ewig leben wird, ist damit zu rechnen, dass die Partei in Zukunft noch mehr Stimmen verlieren wird. Bei den jungen Wählern kam die SVP nur auf 12 Prozent. Besonders gut schnitten dort die Süd-Tiroler Freiheit und die Grünen ab. Mit dem Auftritt von Sven Knoll in den sozialen Netzwerken hat das aus Sicht der Marktforscher wenig bis nichts zu tun. Die Grünen haben auf TikTok und Co. ebenso bescheiden Wahlkampf gemacht wie die SVP und waren dort kaum präsent. Für junge Wählerinnen und Wähler waren eher die Kernthemen entscheidend, ob sie die STF oder die Grünen wählten: Sicherheit und Migration für Erstere und Klimapolitik für Letztere. Knoll profitierte besonders von den Gewaltexzessen, die sich wenige Wochen vor der Wahl ereigneten und deren Opfer zum Teil junge Menschen waren.

Interessant ist, zu welchen anderen Parteien sich die SVP-Stimmen verschoben haben: 6,2 % der SVP-Wählerinnen und -Wähler von 2018 stimmten diesmal für Jürgen Wirth Anderlan, 5,8 % für Thomas Widmann und 4,5 % für die Süd-Tiroler Freiheit. Ein großer Teil der WählerInnen dieser drei Listen gab in der Nachwahlbefragung an, diesmal „aus Protest gegen die Politik der Landesregierung“ anders gewählt zu haben – bei den JWA-Wählern, von denen mehr als ein Drittel von der SVP herwechselte, waren es sogar 78 %. Dem Team K gelang es nicht, aus dieser Unzufriedenheit Kapital zu schlagen. Während die Gelben nur 0,9 % von der SVP bekamen, verloren sie ein Viertel ihrer Stimmen an impfkritische Bewegungen wie Vita, STF und JWA. Die frühere Team-K-Politikerin Renate Holzeisen nutzte dies aus und holte über 16 % direkt von ihren ehemaligen liberalen Weggefährten.

Nur die Wählerinnen und Wähler der SVP, der Lega und der Grünen waren mit der Leistung der Landesregierung weitgehend zufrieden. Die WählerInnen aller anderen Parteien stellten der scheidenden Exekutive ein schlechtes Zeugnis aus. Für den LH ist das Ergebnis der Analyse Segen und Fluch zugleich: Aus seiner Sicht ist es erfreulich, dass er im Falle einer Direktwahl das mit Abstand beste Ergebnis erzielen würde. Er würde 44% der Stimmen erhalten, während sein erster Konkurrent Paul Köllensperger nur auf 10% käme. Positiv ist auch, dass 38% der SVP-Wählerinnen und -Wähler angaben, sie hätten die SVP „wegen Kompatscher“ gewählt. Die Tatsache, dass 70 Prozent bereits Wochen vor der Wahl entschieden hatten, wen sie wählen würden, die Niederlage der SVP also keine unmittelbare „Kurzschlussreaktion“ war, zeigt aber auch, dass es einer grundlegenden inhaltlichen und personellen Neuausrichtung der Landesregierung bedarf, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

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