Ausgebrannt
Manager, Alleinerziehende oder Menschen, die in sozialen Berufen tätig sind – sie alle können an Burnout erkranken. Psychiatrie-Primar Roger Pycha über die Ursachen und Signale des Ausgebranntseins.
von Lisi Lang
Burnout wird gerne als „Manager-Krankheit“ bezeichnet, ist aber viel weiter verbreitet, als man denken würde. „Man dachte anfangs immer, dass es eine Risikogruppe gibt, die Personen umfasst, die einem enorm hohen Arbeitsdruck ausgesetzt sind“, erklärt Roger Pycha, Primar der Psychiatrie am Krankenhaus in Brixen. Aber Manager sind nur eine der Risikogruppen. Laut Pycha sind auch Menschen in helfenden Berufen wegen des emotionalen Stresses gefährdet genauso wie Mitarbeitende in großen anonymen Organisationen, wo Arbeitsaufträge oft unklar sind und man sich oft alleine gelassen fühlt. „Die am häufigsten belastete Gruppe sind aber mehrfach belastete Frauen und Alleinerziehende“, sagt Roger Pycha – und genau in dieser Gruppe nehmen die Zahlen auch zu, weil immer mehr Frauen mehrere Rollen einnehmen müssen.
„Seit 2022 ist Burnout als eigenständige Erkrankung anerkannt, die durch Beruf und Belastung ausgelöst wird – in erster Linie durch Arbeitsfehlbelastungen“, erklärt Pycha. Meist liege aber nicht einfach sehr viel Arbeit vor, sondern belastende Kontakte mit Mitarbeitern und Vorgesetzten, ermüdende und sinnlos erscheinende Bürokratie, unklare Regeln im Betrieb, fehlendes Lob oder auch Mobbing oder Bossing, also Mobbing durch den Vorgesetzen.
Der Psychiater erklärt, dass sich Burnout in drei Kriterien einteilen lässt. Die erste Stufe ist, dass sich Betroffene erschöpft fühlen, seit Monaten ausgebrannt. „Das führt dazu, dass man die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt und auch jene der Personen, die einem anvertraut sind“, erklärt Pycha das nächste Kriterium. Und wenn man sich schließlich nicht nur erschöpft fühlt, sondern auch die Arbeitsleistung objektiv sinkt, dann hat man auch das dritte Kriterium erreicht. „Viele Betroffene geraten dann in eine Spirale: Eigentlich würden sie dringend eine Pause brauchen, aber ein innerer Antreiber sagt, dass man mehr tun muss, um die Arbeitsleistung wieder zu steigern“, weiß Roger Pycha. Betroffene entwickeln also im Laufe der Zeit einen Zwang, sich ständig in der Arbeit zu beweisen, obwohl sie längst erschöpft und ausgebrannt sind. „Man ist blind für die eigenen Erschöpfungssignale und es kommt häufig dazu, dass eine psychische oder körperliche Erkrankung eintritt, die dann einen Umkehrpunkt darstellt“, erklärt der Psychiater.
Aber wie viele Menschen leiden an Burnout? „Wenn man Burnout nur oberflächlich misst, dann sehr viele Leute“, sagt Roger Pycha. Dem Psychiater zufolge erfüllen das erste Kriterium der Erschöpfung zwischen 20 und 50 Prozent der Arbeitnehmenden, wenn man aber als Burnout-Betroffene nur jene betrachtet, die alle drei Kriterien erfüllen, dann spricht man von 2-3 Prozent. Das bedeute aber nicht, dass man das erste Kriterium unterschätzen dürfe. „Die Erschöpfung ist ein Warnkriterium – man kann hier noch viel tun und deswegen ist es wichtig, die Erschöpfungssignale zu erkennen“, sagt Roger Pycha.
Generell geht der Psychiater davon aus, dass die Zahl der Burnouts in den kommenden Jahren zunehmen wird – weil die Mehrfachbelastungen steigen.
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Kommentare (1)
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klum
Warum sagt ein Psychiater nicht einfach, dass schlicht und einfach unsere Gesellschaftsform daran Schuld ist. Mehr – Mehr / Hamsterrad / Geld / Erfolg. Er könnte einfach auch sagen, dass wir langsam auf die Bremse drücken müssen und die Menschen wieder in den Vordergrund zu stellen sind. Die Interessen der Nimmersatten und Lobbys sind an den Pranger zu stellen und nicht mehr hinzunehmen.