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„Uns konnte nichts angelastet werden“

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Stefan Messner ist einer jener, der bei der Fremdverpachtung der Almen in Pfitsch unter Beschuss geraten ist. Der Obmann der Gliederalpe legt seine Version zu den Ermittlungen der Forstbehörde dar.

Tageszeitung: Herr Messner, 2019 hat die Forstbehörde in Sterzing mehrere Anzeigen erstattet, weil die fremd verpachteten Almen in Pfitsch nicht rechtmäßig beweidet bzw. unrechtmäßig EU-Alpungsprämien kassiert wurden. Was haben die Gerichte entschieden?

Stefan Messner: Uns konnte rein gar nichts angelastet werden. Die Förster haben bei mehreren Anwaltschaften Anzeige erstattet. In Bozen wurden die Anzeigen weitergereicht. Jetzt frage ich Sie: Was ist kriminell daran, wenn EU-Primären für Interessentschaftsflächen gewährt werden, wo in diesem Fall Betriebe aus Italien als Bewirtschafter aufscheinen? Die Almen wurden regulär bewirtschaftetet, und die aufgetriebenen Tiere taten nichts anderes, als die Flächen zu beweiden. Es ist also kein ökologischer Minderwert durch die Verpachtung belegbar. Wir befinden uns ja in der EU, wo alle Bewohner dieselben Rechte haben sollten. Wenn Sie in Urlaub nach Rimini fahren und dort ein Zimmer mieten, ist das dann ein Heimatverrat? In dieser gesamten Materie – wo auch der Europaparlamentarier Herbert Dorfmann nun davor warnt – ist als primäre Tatsache zu erwähnen, dass in den Gunstlagen von Italien ein Mehrfaches an Agrarförderung pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche gewährt wird, wie in den Berggebieten von Südtirol. Zu überdenken ist laut meiner Ansicht nicht nur die große Spannweite der obligatorischen Zahlungsansprüche, sondern auch deren Zuweisung und Abänderungsmodalitäten: Hier sind die politischen Entscheidungsträger gefordert, markante Maßnahmen zu setzen, um das Weiterbestehen der aktiven Berglandwirtschaft abzusichern.

Zum illegalen Kassieren dieser EU-Alpungsprämien laufen nationale Ermittlungen – auch gegen zwei Südtiroler soll ermittelt werden…

Das habe ich ebenfalls aus den Medien entnommen, kann dazu jedoch nichts Konkretes sagen, da ich hierzu keine fundierten Informationen habe. Generell sind Agrarförderungen an die Einhaltung bestimmter Vorgaben gebunden, und deren Nichterfüllung ist nicht regelkonform. Was man bei unseren Verpachtungen sicherlich nicht behaupten kann. Von den eingestellten Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und Gerichte wird dies nunmehr auch untermauert.

Die EU hat jedoch einige Beiträge gestrichen…

Das stimmt, jedoch aus verschiedenen Gründen, die bis heute nicht wirklich geklärt sind. Wie Verwaltungsrichtlinien der Südtiroler Landeszahlstelle darlegen, haben die kontrollierenden Forstorgane – trotz Einhaltung der 60 Tage Alpungszeit und Erfüllung des bindenden Alpungsbesatzes auf den Almflächen – in Missachtung der Gesamtheit der Almflächen des jeweiligen Weidekodexes einzelne Teilbereiche aus den Anträgen aberkannt, mit der Argumentation, die Flächen seien zu wenig beweidet worden. Wie fragwürdig diese Vorgangsweise erscheint, belegt die Tatsache, dass mit 2023 der doppelte Alpungsbesatz vorgeschrieben wird, wie in der abgelaufenen Kampagne: Im Jahr 2023 musste also zur Einhaltung der Prämienfähigkeit das doppelte Vieh aufgetrieben werden. Ob dies rechtens war, ist Gegenstand von langwierigem Schriftverkehr mit übergeordneten Dienststellen in Bozen, wo die abschließenden Feststellungen noch ausstehen. Hinzu kam, dass Großbetriebe, die in Norditalien über 200 Hektar bewirtschaften und hier nur die Almflächen angepachtet hatten, Angst bekommen haben, aufgrund dieser selektiven Beanstandungen seitens der Fortbehörde die gesamten EU-Prämien zu verlieren. Daher haben sie entschieden, einige Teilbereiche der gepachteten Almen aus dem allumfassenden Förderantrag zu streichen. Und einige wenige Pächter haben aufgrund dieser Unannehmlichkeiten Flächen nicht mehr gepachtet.

Welche Verfahren behängen noch?

Diese ganzen Vorhaltungen und Anzeigen seitens der Forstbehörde endeten in einer Bruchlandung: Strafbares wurde seitens der Staatsanwälte nichts festgestellt – diese Verfahren wurden alle eingestellt und archiviert. Was soll denn strafbar sein, wenn man eine Kuh auf die Alm bringt?

Es sollen aber Tiere gemeldet worden sein, die sich gar nicht auf den Weiden befunden haben…

Hierzu haben die verschiedenen Staatsanwaltschaften Ermittlungen durchgeführt, vom Gericht in Padua wurde uns ein Anwalt zugewiesen und es folgten Anhörungen. Der Richter konnte jedoch keine Verbrechen feststellen, weil nichts Strafbares vorlag.

Es gab auch Verfahren in Wien?

Auch dort hat die Richterschaft keine strafbare Handlung festgestellt. Wien wurde involviert, weil ein Teil unserer Almflächen in Österreich liegt. Das Gericht in Wien hat EU-Recht als übergeordnet eingestuft und eine strikte Trennung von Weideflächen in Österreich und Südtirol bei der Prämienbewertung erkannt. Landesgesetze und Agrarbehörden in Nord- und Südtirol anerkennen jedoch grenzüberschreitende, historisch einheitlich bewirtschaftete Agrargemeinschaftsalmen und befürworten ein Beibehalten dieser gewachsenen Bewirtschaftung. Somit hat ein Fortsetzen der historischen Bewirtschaftung den Verlust von Agrarförderungen zur Folge. Obwohl wir alle in der EU leben, gibt es in jedem Land verschiedene Agrarbehörden und verschiedene Kriterien zur Prämiengewährung. Und das macht das Alpen schwierig. Der Almwirtschaft steht generell eine düstere Zukunft bevor.

Wie meinem Sie das?

Manchen Bauern ist jetzt schon die Beweidung der Almflächen zu umständlich. Hinzu kommt die ganze Zettelwirtschaft, die dazu gehört. Und mittlerweile machen Wolf und Bär große Probleme: Ich habe heuer durch Wölfe über 80 Schafe verloren, sie lagen zerrissen und zerfetzt auf der Weide, ein grauenhafter Anblick. Wenn ich mir die Rechnung mache – zwischen Arbeit, Zettelwirtschaft, Futter über den ganzen Winter hinweg und dann 80 tote Tiere – steht am Ende ein schönes Minus. Wer wird unter solchen Umständen über kurz oder lang noch die Almen beweiden?

Interview: Erna Egger

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