Anatomie eines Falls
Der deutsche Titel von Justine Triets Film ist komplex, genauso wie ihr Film. Die Gewinnerin von Cannes untersucht einen Gerichts“fall“ und ein „Fallen“ mit Todesfolge. Mit Sandra Hüller
von Renate Mumelter
Selten ist es der Fall, dass mir ein überlanger Film so nachgeht wie „Anatomie d’une chute“ von Justine Triet. 152 Minuten Kinozeit beansprucht die französische Regisseurin, und sie verdient die Minuten Aufmerksamkeit alle, weil nicht viel passiert und doch jede Menge. Es geht um einen Gerichtsfall, in dessen Mittelpunkt ein Sturz steht.
Verdächtigt
Verhandelt wird gegen die Schriftstellerin Sandra, die verdächtigt wird, am Tod ihres Mannes schuldig zu sein. Ihr Mann wird vom fast blinden Sohn, dem 11jährigen Daniel, tot im Schnee aufgefunden. Er ist vom Fenster gestürzt oder gestürzt worden. Verdächtigt wird Sandra.
Ein Großteil des Films spielt sich dann im Gerichtssaal ab, eine Familiengeschichte, die in der Öffentlichkeit breit getreten wird. Das kennen wir hierzulande aus aktuellem Anlass, und wir wissen, wie ungut das sein kann.
Sandra
Im Mittelpunkt der Filmerzählung steht die verdächtigte Sandra, großartig gespielt von Sandra Hüller. Sie ist es, die im Gedächtnis bleibt. Zurückhaltend und doch eindringlich zeigt sie, wie die Hauptfigur mit Schuldzuweisungen, dem Verlust des Mannes, dem Schutz des eigenen Kindes und dem Schutz ihrer selbst umzugehen versucht und fast schon mit der Figur verschmilzt.
Gerichtsbarkeit und Öffentlichkeit
Wie die Geschichte ausgeht, kann und soll hier nicht gespoilert werden. Es geht um Paarbeziehung, Schuld und Unschuld, Gerechtigkeit, und darum, wie es möglich ist, eine solche herzustellen. Und es geht die Tatsache, dass Gerichtsbarkeit auch nur von (fehlbaren) Menschen betrieben wird. Ganz zu schweigen natürlich von der fatalen Rolle einer bestimmten Art von Medien, die wir anlässlich „unseres“ Gerichtsfalles (der ganz anders liegt) bis zum Überdruss kennenlernen mussten.
Die Hüller
Sandra Hüller ist auch Theaterschauspielerin und bekannt durch ihre Filmrollen u.a. in Maren Ades „Toni Erdmann“ als Ines Conradi oder als Marion in Thomas Stubers „In den Gängen“ und in Irma Sztárays „Sisi & Ich“.
Ich kann Justine Triets Film nur empfehlen, und ich empfehle die OmU-Fassung (DI), weil es ganz nebenbei auch um Sprachebenen geht.
Justine Triet bekam dafür die Goldene Palme von Cannes (sie war erst die 4. Frau).
Filmtipps:
„Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders als Filmclub-Matinee heute um 10.30h.
„E tu come stai“ von MI 8.11. auf Einladung von Climate Action South Tyrol, ein aufschlussreicher Dokumentarfilm zum Thema Arbeit und Klima
„Nelly und Nadine“ von Magnus Gertten, der auf Archivmaterialien aufbaut und der Geschichte zweier Frauen nachspürt, die sich im KZ kennen und lieben lernten. Im Rahmen von „Analogica“ am DO 9.11
„Der Taucher“ von Günter Schwaiger am DO 9.11. im Filmtreff Kaltern mit anschließendem Gespräch mit Veronika Oberbichler, Autorin von „Wir brechen das Schweigen“
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