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„Nie mehr Olympia“

Für die Rodellegende Armin Zöggeler zerplatzt mit dem Aus für die Bobbahn in Cortina ein Lebenstraum. Warum er für die Zukunft des Sports schwarz sieht und warum er glaubt, dass es künftig keine olympischen Winterspiele in Italien geben wird.

Tageszeitung: Herr Zöggeler, die Kunstbahnrodler wünschen sich schon lange eine Bahn in Italien. Sind Sie dementsprechend enttäuscht über die Entscheidung der Regierung, die Bobbahn in Cortina nicht zu realisieren?

Armin Zöggeler: Ja, ich vertrete die klare Meinung, dass wir eine Bahn brauchen. So wird es für die Athleten kompliziert. Mir tut es für die Athleten aber auch für die Zukunft des Sports, einschließlich Skeleton und Bob, leid. Das ist eine einschneidende Entscheidung, die sich erst in Zukunft auswirken wird. Was das heißt, werden einige erst später begreifen. Wenn wir keine eigene Struktur zur Verfügung haben, wird es künftig immer schwerer international konkurrenzfähig zu bleiben. Der Aufwand ist enorm.

In den vergangenen Jahren hat Südtirol aber auch ohne eigene Strukturen Top-Athleten hervorgebracht?

Ja, das stimmt zwar, das war aber mit einem enormen Aufwand verbunden. Wir waren permanent mit der gesamten Mannschaft rund um die Welt unterwegs. Von Oktober bis Anfang März sind wir andauernd auf Achse zwischen Training, Vorbereitung und Rennen. Künftig wird es gleich laufen und sogar forcieren. Das gesamte Training und die Vorbereitung spielen sich im Ausland ab. Wir müssen nicht nur kurz über die Grenze, wir müssen nach Norwegen, Lettland oder Frankreich. Das ist sehr kompliziert.

Man kann also nicht einfach nach Innsbruck fahren, um die dortige Anlage zu nutzen?

Genau. Das ärgert mich auch. Ich habe bisher nie Stellung genommen, aber die Leute meinen, dass wir nach Innsbruck fahren können, wenn es uns gerade passt. Dem ist aber nicht so. Wir müssen die Bahn buchen und mieten. Dass das nicht so einfach geht, zeigt sich an einem banalen Beispiel. Mitte November wollte die Nationalmannschaft ein Training in Innsbruck absolvieren. Wir haben dafür bereits im Sommer angefragt. Wir haben im Juli die Bestätigung bekommen, dass wir drei Tage lang die Bahn benutzen dürfen. Wir wollten vormittags und nachmittags trainieren. Letzte Woche wurde uns mitgeteilt, dass wir die Bahn nur einen Tag benutzen dürfen. Die Leute im Ausland spielen mit uns. Wir hatten ohnehin nur drei Tage Training geplant, auch aus Kostengründen, jetzt sind wir also drei Tage draußen, bekommen aber nur drei Läufe für einen Tag. Viele glauben, dass diese Anlagen gemeinsam genutzt werden, dass es Trainingsgemeinschaften gibt und alles einfach ist. Wir sind aber die Konkurrenz und werden draußen nicht gerne gesehen. Das ist ein Fakt. Das ist auch mit großen Kosten verbunden.

Mit einer eigenen Bahn würden sich diese Kosten also reduzieren?

Man kann hier nicht vom Geld sparen sprechen, das ist viel mehr ein Kreislauf. Mit einer eigenen Bahn würden internationale Wettkämpfe stattfinden müssen. Wir sprechen hier nicht nur über die Olympiade, sondern auch über Weltmeisterschaften und Weltcups im Rodeln, Bob und im Skeleton. Vor allem wäre eine eigene Bahn aber für den Nachwuchs wichtig, der total auf der Strecke bleibt. Sie können sich vorstellen, wie kompliziert es ist, mit Jungathleten nach der Schule eineinhalb Stunden nach Innsbruck zu fahren und dort eine Einheit zu machen. Sie müssen oft am nächsten Tag wieder in die Schule gehen. Zwar gibt es für Junge andere Preise als für die Nationalmannschaft, aber sie zu animieren, diesen Sport auszuüben ist unter diesen Umstand schwer. Das Kunstbahnrodeln hat keine großen Perspektiven. Der Aufwand ist groß, es ist sehr kompliziert, ich bin daher der Meinung, dass die Zahl der Athleten drastisch zurückgehen wird.

Hat sich dieses Problem bereits in den letzten Jahren verschärft?

Ja, es ist allgemein schwieriger geworden, junge Leute zum Sport zu animieren. Die Olympiaperspektive im eigenen Land hat da einen richtigen Push gegeben. Jetzt ist diese Motivation so gut wie nicht mehr vorhanden. Natürlich trainieren wir weiter, für die Neuzugänge ist das aber alles andere als gut.

Die Kosten für eine Bahn sind enorm. Glauben Sie, dass eine Errichtung ohne Olympiagelder realistisch ist?

Die Chance für eine Bobbahn ist endgültig vorbei. Mit der Entscheidung braucht man auch nicht mehr darüber reden. In diesen Zeiten, wo sich die Welt immer schneller dreht und immer mehr Leute verrückt werden, wird es schwierig, eine Bobbahn zu errichten. Die Bobbahn in Cortina wäre ohnehin wohl die letzte Kunstbahn für eine lange Zeit gewesen. Diese Entscheidung hat nämlich einen großen Einfluss.

Inwiefern?

Das IOC hat bereits die Entscheidung getroffen, dass man die Spiele nach einem Rotationssystem ausrichtet. Künftig möchte man die bestehenden Olympiaorte benutzen. Das halte ich selbst für sehr sinnvoll. Auch die anderen Athleten wünschen sich das seit langem. Man möchte die Traditionen aufrechterhalten. In Cortina hat man aber die Chance verpasst, die Bahn auf Vordermann zu bringen. Cortina selbst steht jetzt vor einem Scherbenhaufen. Gerade für den Ort wäre es eine Riesenchance gewesen. Der Ort ist bei der letzten Olympiade 1956 aufgeblüht und haben Jahre lang davon gelebt. Sie hätten die Chance gehabt, das wieder aufleben zu lassen und touristisch attraktiver zu werden. Jetzt finden in Cortina nur zwei Disziplinen, Curling und die Damenabfahrt, statt. Das ist eigentlich traurig.

Dass irgendwann wieder Olympische Winterspiele in Cortina stattfinden, ist also auszuschließen?

Nach dieser Entscheidung ist es definitiv auszuschließen. Wir werden auch keine olympischen Winterspiele in Italien mehr erleben. Der Staat gibt ein schlechtes Bild ab. In der Ausschreibung war klar definiert, welche Bauten realisiert werden, wo die Bewerbe absolviert werden und welche Strukturen es braucht. Jetzt macht man es plötzlich doch nicht und vielleicht gibt es weitere Disziplinen, die nicht in Italien stattfinden können, weil die Strukturen fehlen – auch wenn ich das nicht hoffe.

Zurück zum Kunstbahnrodeln: Aktuell gibt es erfolgreiche Athleten. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Momentan sieht es gut aus, wir haben eine gute Mannschaft, die bereit ist, die Wettkämpfe in den nächsten Jahren zu bestreiten. Was nach dieser Generation passiert, weiß ich nicht. Bei der Jugendolympiade in Pyeongchang gibt es zwar auch eine gute Truppe, was aber nach der Olympiade passiert, weiß ich nicht.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (10)

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  • rumer

    Wenn eine Sportart für so wenige so viel kostet, könnte man eventuell, vielleicht, unter gewissen Umständen, auch mal auf die Idee kommen, die Sportart zu wechseln?
    Ich verlange ja auch nicht, dass die Allgemeinheit meine Turnschuhe oder mein Fahrrad bezahlt.

  • hallihallo

    na ja, der bobsport und rodelsport ist wohl gestorben, oder kurz davor.
    es ist ja schon schwierig infrstrukturen zu bauen, die von tausenden berufs- und freitzeitsportlern genutzt werden. die bobbahnen werden nur von wenigen berufssportlern genutzt.

  • leser

    Zöggeler
    Die Bob und Rodelbahn in Piemont wurde vor kurzem von einem südtiroler Unternehmen gebaut und ist am zusammenfallen
    Warum?
    Du könntest ja Sponsoren suchen für Cortina
    Es sind ja nur 120.000.000
    Wenn ein zerzer und Co 10 bis 15 Millionen pro Woche verscherbeln können dann dürfte das dich schon fast nur Kleingeld sein

  • criticus

    Herr Zöggeler, im Wert von 120 Millionen Euro (bis die Anlage fertig ist sind es locker 180 Mio. Euro) können wir euch Rodler (gilt auch für die nächsten Generationen) leicht mehrere Wochenend-Aufenthalte in Nordtirol zahlen um auf der dortigen Bobbahn zu üben. Zum Thema Olympiade, ich kann dieses Wort schon gar nicht mehr hören. Umweltzerstörungen und Geldverschwendungen begleiten diese Sportereignisse. Noch was, leider hat der italienische Staat zeitlebens ein schlechtes Beispiel von sich gegeben, nicht nur beim Sport.

    • josef.t

      Geld für Sport heißt; gute Investition für die Jugend !
      Ob Milliarden für Rüstung besser sind, das heißt
      nämlich; Bedrohung unserer Nachkommen ?
      Beim Profisport mit der ganzen Umweltzerstörung,
      Geldverschwendung und Verpestung damit muss
      endlich Schluss sein !

  • nobodyistperfect

    Olympia ein Nutzen für wenige, ebenso kann man das Geld im Lotto setzen, dann ist es auch für die Katz.

  • dn

    Volkssport statt Profisport

  • pachamama

    Für Olympia 2006 in Torino wurde die Bob- und Rodelbahn in Cesana für 110 Millionen Euro gebaut und nach wenigen Jahren (wegen zu hoher Betriebskosten) aufgelassen. Jetzt würde verlangt für Olympia 2026 eine neue Bahn für geschätzte 120 Millionen (woran ich sehr zweifle) zu bauen. Nach nur 20 Jahren eine andere Kathedrale in die Wüste setzen auf Kosten der Allgemeinheit für wenige Athleten???
    Warum wird nicht Naturbahnrodeln olympisch gemacht?
    Warum wurde die Bahn in Cesana nicht erhalten?

  • ultnerbaer

    Von Südtirol nach Innsbruck komme ich schneller als nach Cortina, und hätte man die Bahn in Cesana erhalten, wäre man noch länger unterwegs. Also zieht dieses Argument für die Jugend nicht. Und wieso glaubt man, dass die Bahn in Cortina ein anderes Ende als die in Cesana gemacht hätte?
    Zum Thema Tourismus: die Olympiade 1956 war der Anfang des Ausverkaufs in Cortina. Ampezzaner wohnen fast keine mehr dort und sind abgewandert. Das ändert die Olympiade auch nicht mehr, insbesondere wenn die Cortinesen sogar verhindern, wenn dort jemand in den Tourismus investieren will (siehe verhindertes Hotelprojekt von der Familie Meister).

  • tommmi

    In st Moritz wird ja die Bobbahn jedes Jahr neu aufgebaut von Südtirolern
    Wäre dies nicht auch in Südtirol möglich für die Olympiade?

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