Gerettete Wölfe
Das Bozner Verwaltungsgericht verhindert den vom Landeshauptmann verfügten Abschuss von vier Wölfen in Mühlwald und Kastelbell. Verhandelt wird wieder am 7. Februar.
von Thomas Vikoler
Aus dem Plan der Landesregierung, den Wählerinnen und Wählern vor den Landtagswahlen am 22. Oktober einen „entnommenen“ Wolf zu präsentieren, geht definitiv nicht auf.
Das Bozner Verwaltungsgericht hat am Dienstag, nach einer Verhandlung am Vormittag, eine überraschend flinke Entscheidung getroffen: Die Aussetzung von zwei Abschlussverfügungen des Landeshauptmanns für insgesamt vier Wölfe in Mühlwald und Kastelbell bleibt aufrecht.
Mitte September hatte Lorenza Pantozzi Lerjefors, Präsidentin des Gerichts, entsprechende Eilanträge von drei Tierschutzorganisationen –– LNDC Animal Protection, LAV und World Wide Fund For Nature – angenommen.
Nun geht der Rechtsstreit in die Hauptsache mit einer Verhandlung am 7. Februar 2024. Mit einem Urteil ist frühestens im kommenden Frühjahr zu rechnen.
„Wir sind erfreut darüber, dass das Gericht unsere Argumente teilt“, sagt Paolo Emilio Letrari, Anwalt der Tierschutzorganisationen, in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des Gerichts. Er hatte damit gerechnet, dass das Verwaltungsgericht sich eher am Kurs des Staatsrates orientiert, als an zwei Entscheidungen des Verwaltungsgericht Trient, mit denen eine Abschussverfügung für Wölfe auf der Boldera-Alm in den Monti Lessini nicht ausgesetzt wurde.
Der Staatsrat hob die Maßnahmen schließlich auf, die geplanten „Entnahmen“ konnten nicht durchgeführt werden.
In der schriftlichen Begründung der gestrigen Entscheidung verweist das Bozner Verwaltungsgericht ausdrücklich auf diese Verfügung des Staatsrats. Die Rede ist von einem „unumkehrbaren Schaden“, welcher aus der Vollstreckung der beiden Abschussdekrete von Landeshauptmann Arno Kompatschererwachsen würde. Dies angesichts einer „komplexen Verfahrensmaterie“ und einer geschützten Tierart, um die es hier gehe.
Formell begründet wird die Bestätigung der Aussetzung der beiden Abschussverfügung u.a. mit der auslaufenden Weide-Saison. „Die Landesverwaltung selbst hat darauf hingewiesen, dass in den vergangenen Jahren die meisten Wolfsrisse in den Sommermonaten, also im August, September und Oktober,verzeichnet werden. Deshalb ist das Risiko derzeit als eher gering einzustufen“, schreibt das Verwaltungsgericht.
Eine ähnliche Begründung wie in der Präsidialverfügung von Mitte September, als das Ende der Alm-Saison einige Wochen weiter entfernt war. Die Vertreter der Landesanwaltschaft wiesen in der gestrigen Verhandlung allerdings auch darauf hin, dass sich bis November weiterhin 35.000 Schafe und 25.000 Ziegen auf den Almen aufhielten. Die Gefahr von Wolfsrissen bestehe weiterhin.
Ein weiterer Punkt:
Das Verwaltungsgericht hält den Einwand der Tierschutzorganisationen der mangelnden Begründung der beiden Abschussdekrete des Landeshauptmannes für nicht unberechtigt. Ein Wink für den weiteren Verlauf des Verfahrens, in dem das im Sommer vom Landtag beschlossene Gesetz zu Bär und Wolf insgesamt auf dem Prüfstand stehen wird. Bei der Bewertung der Aussetzungsanträge zu den beiden Abschussverfügungen wurde nicht darauf eingegangen.
Schlussendlich stellen die Richter fest, dass in Abwägung der Interessen der Schutz des rechtlichen Gutes – die zum Abschuss bestimmten vier Wölfe – prioritär gegenüber wirtschaftlichen Interessen von Bauern und Landesverwaltung sei. Auch mit Verweis auf nationale und EU-Bestimmungen von geschützten Tieren. Auch dies ein Wink zur Hauptsache.
Der Richter unter Vorsitz von Präsidentin Lorenza Pantozzi Lerjefors (Berichterstatter: Michele Menstrina) verfügten Spesen-Kompensation.
Und die Politik muss erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass ihre Maßnahmen in Sachen Großraubwild entweder zu spät gesetzt wurden und rechtlich offenkundig auf wackeligen Beinen stehen.
Kommentare (22)
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