Der Frust der Lehrer
In einer Anhörung des Schulpersonals offenbarte sich ein wenig schmeichelhaftes Bild von Südtirols Schullandschaft. Wo es überall mangelt. Und wie man die enormen Probleme in den Griff bekommen will.
von Sandra Fresenius
In den vergangenen Wochen und Monaten gab es immer wieder Probleme an Südtirols Schulen. Mal waren es überforderte Lehrer, mal Sprachprobleme von Schülern und Eltern, dann – hinsichtlich zunehmender Gewalt und psychischer Probleme der Schüler –
Diskussionen über den Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Schule und zuletzt Unstimmigkeiten zwischen Angestellten und Vorgesetzten. Kurz: Es brennt an vielen Stellen in der Schule bereits lichterloh und das System arbeitet am Limit. Einzig dem Durchhaltevermögen, der Begeisterung für den Beruf und der Erfahrung der Lehrer, Direktoren und dem nicht unterrichtenden Personal ist es zu verdanken, dass es noch nicht zum Kollaps kam. „Im Grunde sind diese Aussagen und Fakten ein Armutszeugnis für ein modernes Bildungsland, wie es Südtirol ist und eine Bankrotterklärung für die Bildungspolitik“, sagt Alex Ploner, Landtagsabgeordneter des Team K.
Nun kamen auf seinen Antrieb hin, Führungskräfte, Lehrpersonen und Mitarbeiter von Bildungseinrichtungen aller drei Sprachgruppen und verschiedener Schulstufen zusammen, um zum Thema „Die aktuellen Herausforderungen an Südtirols Schulen in Anbetracht der vorhandenen Ressourcen“ angehört zu werden. Eingeladen waren insgesamt sechs Schulführungskräfte und sechs Lehrer – einschließlich einer Integrationskraft.
Alle Anwesenden zeigten eine große Offenheit und die Stimmung war von Konstruktivität geprägt. Das war zuvor nicht immer so. Zwar wären die verschiedenen Probleme von Seiten der Bildungseinrichtungen den Schulämtern und Landesräten offenbart worden, letztlich aber hätte man sich aufgrund der Aufforderung, besser den Mund zu halten und sich auf die Schule, anstatt auf die Politik zu konzentrieren, „weggeguckt“, weiß der Team K-Abgeordnete Ploner zu berichten.
Herausforderungen gibt es an allen Schulen, jedoch unterscheiden sich diese hinsichtlich des Standortes der Schule sowie hinsichtlich der Schulstufe und auch der Sprachgruppe. Allen gemeinsam aber ist der Mangel an Ressourcen beim Sprachunterricht für Nicht-Muttersprachler, wobei die Sprachproblematik vor allem an deutschen und ladinischen Schulen vorherrschend ist mit teilweise 15 bis 20 Prozent der Schüler, die einen Migrationshintergrund vorzuweisen haben. Ressourcen fehlen aber auch für Kinder mit besonderen Bedürfnissen oder beim Personal. Die Situation an den Schulen ist inzwischen so angespannt, dass sogar einige Stammrollenlehrer gekündigt hätten, berichtet der Landtagsabgeordnete. Immer weniger wird der Beruf des Lehrers wertgeschätzt. „Junge Lehrer werden verheizt, indem sie gleich an die Front müssen“, erzählt Ploner. Da eine Lehrkraft zudem nicht annähernd so viel verdienen würde wie als Fachkraft in der freien Wirtschaft, entscheiden sich immer weniger Personen für den Weg in die Schule.
Nachdem die Angehörten die zahlreichen und verschiedenen Probleme geschildert hatten, denen sie sich tagtäglich gegenübersehen und die ein letztlich düsteres Bild für die Bildungszukunft der Kinder zeichnen, präsentierten sie verschiedene Lösungsvorschläge, wie die Zurverfügungstellung von mehr personellen Ressourcen, um mehr Zeit für die Schüler zu haben und um Teamunterricht, der sich bereits in der Vergangenheit als sehr erfolgreiches Konzept erwiesen hat, wieder möglich zu machen. Ein anderer Vorschlag sieht die Einführung von Verwaltungsleitern für Schulpoole vor, die eine juridisch-administrative Ausbildung mitbringen und sowohl Schulführungskräfte als auch Verwaltungsmitarbeiter von der inzwischen durch die Schulautonomie bedingten enormen Bürokratie entlasten könnten. Eine in der Anhörung anwesende Direktorin berichtete, dass sie ihre Arbeitszeit zu 70 Prozent auf bürokratische Tätigkeiten verwenden muss – so sind beispielsweise allein 18 Verwaltungsschritte für den Ankauf von Schulmaterialien notwendig – und lediglich 30 Prozent für ihre schulpädagogische Arbeit bleiben. Auch von Geldverschwendung wurde in der Anhörung berichtet, weil Arbeiten für viel Geld an Privatfirmen ausgelagert würden. Um Kinder, die der Sprache nicht oder nicht ausreichend mächtig sind, wäre es sinnvoll das Modell der Willkommensklassen einzuführen. Ziel dieser extra für zugewanderte Kinder und Jugendliche eingerichteten Klassen, ist es den Schülern erste Grundkenntnisse der deutschen Sprache beizubringen, um sie danach in den Regelklassen integrieren zu können. Auch die Eltern müssten mehr in die Verantwortung genommen werden, so die Forderung.
„Die Anhörung noch vor den Wahlen durchzubringen, war ein wahrer Kraftakt. Aber ich habe damit noch in dieser Legislatur einen Startpunkt für einen Austausch auf institutioneller Ebene gesetzt. Es gilt nun dahinter zu bleiben, eine breit angelegte Analyse zu starten und endlich Dinge umzusetzen und zu verbessern. Das Ergebnis dieser Anhörung wird der neuen Regierung sofort auf den Tisch gelegt, damit in Zukunft einmal pro Jahr ein Austausch stattfinden wird“, sagt Alex Ploner. Damit soll also das Protokoll der Anhörung dem neuen Landtag Auftrag und Verpflichtung zugleich sein.
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