Die Macht der Umfragen
Noch nie zirkulierten im Vorfeld einer Landtagswahl so viele Umfragen. Wie verlässlich sind die Wahlbarometer? Und wie sehr beeinflussen sie die Stimmung im Lande?
von Matthias Kofler
Von Winston Churchill stammt der berühmte Satz: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Zahlen haben immer einen objektiven Anschein. Doch mit kleinen Tricks lässt sich fast jede Statistik frisieren, damit sie den eigenen Interessen dient. Im Vorfeld der heurigen Landtagswahlen haben Meinungsumfragen und Wahlprognosen Hochkonjunktur. Nicht nur die Südtiroler Wirtschaftszeitung, die Athesia und die SVP, sondern auch viele Oppositionsparteien greifen mittlerweile auf selbst in Auftrag gegebene Wahlbarometer zurück, um ihre eigenen Beliebtheitswerte beim Volk messen zu lassen. Für die Parteien greift in den Par-Condicio-Zeiten kein Umfrage-Verbot: Während die Medien in den beiden Wochen vor dem Urnengang keine Wahltrends mehr veröffentlichen dürfen, können die Parteien bis zum Wahltag die eigenen Werte abchecken lassen. Die Kosten einer Umfrage halten sich in Grenzen: Da sich die Politiker und Parteien meist an größere Studien „dranhängen“ und nur zwei, drei Fragen stellen – Welche Partei wollen Sie wählen? Wer soll LH werden? Welche Partei(en) sollen regieren? –, bezahlen sie auch nicht mehr als ein paar Tausend Euro.
Aber wie verlässlich sind solche Umfragen wenige Wochen vor den Wahlen? Sind sie mehr als ein Gradmesser? Experten, mit denen die Tageszeitung gesprochen hat, mahnen zur Vorsicht. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive seien die Wahlbarometer nicht über alle Zweifel erhaben. Vor allem die Methodik gewisser Umfragen wird stark angezweifelt. Der Grund: Heute ist es kaum mehr möglich, nach dem Zufallsprinzip Stimmberechtigte über eine Telefonumfrage zu erreichen. Das Erfurter Institut Insa-Consulere, das im Auftrag der Athesia die Sonntagsfrage gestellt hat, und die Agentur Komma des ehemaligen SVP-Landessekretärs Stefan Premstaller greifen deshalb auf einen Mix zurück: Die BürgerInnen werden teils telefonisch, teils online interviewt. Das Apolis-Institut von Hermann Atz setzte für die SZW-Umfrage hingegen rein auf Telefonanrufe. Weil viele Südtiroler keinen Festnetzanschluss mehr haben und auch übers Handy nicht an Umfragen teilnehmen, müssen die Wahlforscher mit einer Gewichtung arbeiten, also die fehlende Repräsentanz künstlich herstellen. Das ist in Südtirol mit seinen drei Sprachgruppen kaum möglich. Was die Verlässlichkeit von Umfragen zudem beeinträchtigt, ist der Zeitraum der Befragung: Apolis hat für seine Umfrage im Sommer sechs Wochen in Anspruch genommen – ein langer Zeitrahmen, in dem sich die Meinung der BürgerInnen ständig verändern kann. Die österreichischen Institute brauchen für ihre Umfragen mittlerweile weniger als eine Woche.
Tatsache ist, dass in der Vergangenheit die Sonntagsfragen in Südtirol häufig daneben gelegen haben. Das Wiener Institut Market schätzte die Freiheitlichen im Juli 2018 auf 16 Prozent – am Ende wurden es gerade einmal sechs Prozent.
Politologen werden deshalb nicht müde zu betonen, dass Umfragen maximal eine Momentaufnahme, aber nie eine Prognose sind. Das Team K und die Grünen liefern sich aktuell ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den zweiten Platz. Einen Tag ist die Partei von Brigitte Foppa vorne, am nächsten die von Paul Köllensperger. Beeinflusst wird das Ergebnis von den tagesaktuellen Themen, die einmal der einen und beim nächsten Mal der anderen Partei in die Karten spielen.
Die große Unbekannte, die die Wahlforscher schwer „ausrechnen“ können, ist und bleibt aber die Mobilisierung: also wer letztendlich wirklich wählen geht. Das kann man in Umfragen kaum erfassen. Deshalb stellt sich auch die Frage, wie wichtig solche Wahlbarometer für die Parteien sind – und wie sehr sie die Stimmungslage im Land beeinflussen. Umfragen sind zwar keine Wahlprognose, aber ein guter Gradmesser, um aufzuzeigen, wo man als Partei aktuell steht. Die meisten Parteien, die auf Umfragen setzen, sind überzeugt, dass die Ergebnisse öffentliche Debatten anregen können, um die eigene Wählerbasis besser zu rekrutieren. Man darf in der Sonntagsfrage also nicht zu schlecht, aber auch nicht übertrieben gut abschneiden. Die 32 Prozent, die die SWZ der SVP bescheinigt, werden in der Brennerstraße deshalb auch stark angezweifelt: Laut eigenen Umfragen liegt man derzeit bei 35 bis 36 Prozent – mit Luft nach oben: Ein Ergebnis von 38 Prozent ist demnach noch drin.
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