Augen waschen das Gehirn
Nina Menkes zeigt in ihrem Dokumentarfilm „Brainwashed“, was die Formsprache der Filme mit den Frauen macht. Bei „Female Views“ am 27.9.
von Renate Mumelter
Es gibt gar einige Meilensteine der Filmgeschichte, die dran glauben müssen, wenn Nina Menkes genau draufschaut. In ihrem Dokumentarfilm „Brainwashed: Sex-Camera-Power“ (2022) untersucht die unabhängige Filmemacherin und Dozentin an konkreten Beispielen, wie die Kameraführung die Sichtweise auf Frauen und indirekt auch das Selbstverständnis der Frauen beeinflusst.
Ausgeleuchtet oder platt
„Schauspielerinnen werden anders gefilmt als Schauspieler“, sagt sie und macht’s gleich konkret. Männer werden gut ausgeleuchtet, es gibt Licht und Schatten und dadurch wirken sie real. Sichtbare Falten sind egal. Die Männer werden zu Subjekten. Ganz anders bei den Frauen. Die werden glattgebügelt und damit zu Objekten, die betrachtet und begutachtet werden können. Diese Objektifizierung wirkt sich auch auf die betrachtenden Frauen selbst aus.
Von Lang bis Kubrick
Retten tut sich fast niemand aus dieser Patriachatsfalle, die so subtil ist, weil sich fast niemand Gedanken darüber macht, was wie ins Bild gesetzt wird. Und dann bringt Menkes eine ganze Reihe von konkreten Filmbeispielen, angefangen bei Fritz Langs „Metropolis“, den sie selbst noch lange als „männlicher Zuschauer“ betrachtet hat, über Hitchcocks „Vertigo“, Coppolas „Apocalypse Now“ bis zu Kubricks „Eyes Wide Shut“.
Die Unterhose
Die Kamera, die über den Körper streift, interessiert sich nur für weibliche Körper, die sehr schnell in ihre Bestandteile zerlegt werden, und das sogar von Frauen wie das beispielsweise in der Eingangssequenz von Sofia Coppolas „Lost in Translation“ der Fall ist. Die Frau erscheint als Hinterteil in Unterhose, als passives Objekt, und dort bleibt die Kamera eine ganze Weile. Bill Murray dagegen erscheint als realer Mensch. Coppola zeigt, dass auch Frauen selbst vom Blick, den das Patriarchat geschaffen hat, nicht frei sind.
Karrieren
Sehgewohnheiten haben sogar Auswirkungen auf Karrieren. Studien haben ergeben, dass es einen Unterschied macht, ob eine Frau oder ein Mann einen Film pitcht. Bei der Filmemacherin hören die Bewertenden nicht auf das, was sie sagt, sondern sehen ihren Mund. Das erklärt vielleicht auch, warum im Filmstudium noch 50% Frauen anzutreffen sind, im Beruf dann 8 bis 9%. „Hollywood ist auf einem Machtgefälle aufgebaut“, sagt Menkes und sie spinnt den Faden noch viel weiter, lässt auch andere Fachfrauen über ihre Selbstwahrnehmung und ihre Erfahrungen sprechen und sensibilisiert.
Beispiel Zeitlupe
Übrigens die Zeitlupe wird als visuelles Instrument eingesetzt. Den Männern wird sie bei Actionszenen gewidmet, wenn beispielsweise kämpfende Soldaten über explodierende Minen springen. Bei Frauen wird die Zeitlupe zum Instrument der Sexualisierung, wenn die Kamera beispielsweise über liegende nackte Körpersilhouetten tastet.
Dieser Essayfilm erfordert zwar etwas Aufmerksamkeit, bringt aber viel. Denn wer „Brainwashed“ gesehen hat, schaut nicht mehr so unvoreingenommen auf die gebotenen Bilder, hinterfragt vielleicht sogar die eigenen Sehgewohnheiten. In unserem visuellen Zeitalter finden Sehgewohnheiten nach wie vor viel zu wenig Beachtung.
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