„Alles ist möglich“
Um die Freiheitlichen ist es zumindest im Vorwahlkampf ziemlich ruhig geworden. Ist der Kreis der blauen Stammwähler noch immer so groß und so treu, dass die Ulli-Mair-Partei ihre beiden Mandate halten kann?
von Artur Oberhofer
Obwohl sie seit 20 Jahren im Landtag sitzt und bereits vier Landtagswahlkämpfe bestritten hat, muss Ulli Mair passen. „Es war noch nie so schwierig, die Stimmung einzuschätzen, wie diesmal“, erklärt die Frontdame der Freiheitlichen. Die Stimmung sei gut. „Aber auch aufgrund der vielen Listen es diesmal wahnsinnig schwierig, eine Prognose zu machen und die Frage zu beantworten: Bleiben wir gleich? Legen wir zu?“
Ulli Mair sagt damit genau das, was der Politbeobachter und Meinungsforscher Hermann Atz vor einer Woche im TAGESZEITUNG-Interview erklärt hat. Atz sagte, die Freiheitlichen täten sich bei diesen Wahlen schwer, weil sie „Konkurrenz von allen Seiten bekommen“ und „wohl selbst gespannt“ seien, wie das Rennen um die begehrten 35 Sitze im Südtiroler Landtag ausgehen wird.
Die große Frage ist: Ist der Kreis der blauen Stammwähler noch so groß und so treu, dass die Freiheitlichen ihre beiden Mandate halten und möglicherweise sogar noch ein drittes dazugewinnen können? Oder muss Südtirols ehemals größte Oppositionspartei Stimmen und Mandate an die zahlreichen Namenslisten oder an den SVP-„Rebellen“ Thomas Widmann abtreten?
Es gibt bei den Blauen auch die, die die Partei derzeit bei nur einem Mandat sehen.
Es ist vor allen Dingen die Kandidatur von Jürgen Wirth Anderlan, die die volkstumspolitische und die Mitte-Rechts-Szene in Südtirol aufwirbelt. Der Polit-Rapper Jürgen Wirth Anderlan fischt mit seinem Mix aus AfD- und Clown-Politik sowohl im Teich der Freiheitlichen – und wohl noch mehr im Teich der Süd-Tiroler Freiheit.
Dass sich die STF vor Wirth Anderlan fürchtet, belegt der Umstand, dass Sven Knoll seit Wochen – und wohl zum Leidwesen seiner „Mutti“ Eva Klotz – einen knallharten Anti-Ausländer-Kurs fährt und versucht, die JWA-Liste und die Freiheitlichen, die das Ausländer-Thema bislang „gepachtet“ hatten, rechts zu überholen.
Ob die Menschen das STF-Spiel durchschauen, bleibt abzuwarten. Denn Sven Knoll ist zwar ein begnadeter Rhetoriker, aber auch eine Reizfigur und nicht der große Simpaticone.
Bei den Freiheitlichen heißt es, die Menschen würden sehr wohl zwischen dem Schmied und dem Schmiedl unterscheiden können. Sprich: Die STF würden die Blauen kopieren.
Aber auch bei den Blauen traut man Jürgen Wirth Anderlan ein bis zwei Mandate zu.
Bei den Freiheitlichen geht man allerdings davon aus, dass der ehemalige Landeskommandant viel stärker bei der STF als bei den Blauen „grasen“ werde.
Das Kalkül: Der STF sei es vor fünf Jahren nicht gelungen, vom Totaleinbruch bei den Freiheitlichen zu profitieren. Warum sollten diesmal blaue Stammwähler Knoll & Co. wählen? Man räumt zwar ein, dass das ehemals kapillare Netz in den Bezirken zusammengebrochen und die Basisarbeit zum Erliegen gekommen sei, dennoch glaubt man bei den Blauen, dass die Stammwählerschaft noch stehe.
In den Zahlenspielen, die bei den deutschen Mitte-Rechtsparteien hinter den Kulissen gemacht werden, gibt es die verschiedensten Varianten. Sowohl bei der STF als auch bei den Freiheitlichen geht man davon aus, dass Thomas Widmann mit seiner Liste einen, möglicherweise sogar zwei Sitze erringen werde.
Thomas Widmann fischt zuallererst in SVP-Teich. Aber, so heißt es bei den Blauen, er kratze auch beim Team K, das – im Gegensatz zu den Freiheitlichen – noch keine Stammwählerschaft habe.
Niemand sagt es offen, aber STF und Freiheitliche kämpfen in erster Linie darum, ihren Mandatsstand von jeweils zwei zu halten.
Wohl auch deswegen bieten diese beiden Parteien keine echten Überraschungskandidaten auf.
Aber wenn STF und Freiheitlichen ihren Mandatsstand halten sollten, stellt sich die Frage, woher die Stimmen für Widmann und Wirth Anderlan kommen sollen?
So wie sie das Standing ihrer eigenen Partei nicht so richtig einzuschätzen weiß, tut sich Ulli Mair auch schwer, die Stimmung gegenüber der Volkspartei einzuschätzen. „Bei dieser Wahl mit so vielen Listen ist alles möglich“, sagt die heimliche F-Chefin. Auch dass die SVP drei Mandate verliert und der SVP-Chef und der LH ihren Hut nehmen müssen? „Auch das halte ich für möglich“, sagt Ulli Mair.
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