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„Vieles ist ausbaufähig“

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Zu wenig leistbarer Wohnraum und zu niedrige Löhne: Alexander von Walther, Vize-Vorsitzender der sh, zeigt sich besorgt über die Berufsaussichten junger Menschen in Südtirol. Was er sich von der Landesregierung erwartet.

Tageszeitung: Herr von Walther, die Südtiroler HochschülerInnenschaft bemüht sich um die Belange von Südtirols Studierenden im In- und Ausland. Was sind die größten Probleme, die Sie ansprechen möchten?

Alexander von Walther: Zum einen sind es die hohen Lebenshaltungskosten, wobei nicht nur Studierende davon betroffen sind. Ein weiteres heißes Thema ist die Studientitelanerkennung, an der stetig gearbeitet wird. Vor allem, was Fachhochschulen betrifft, ist noch vieles ausbaufähig, zumal eine in Deutschland oder Österreich abgeschlossene Fachhochschule in Italien oftmals nicht als vollwertiges Studium anerkannt wird. Ein dritter Punkt, den wir anstreben, ist die Leistungsstipendienvergabe, um das Studieren für alle möglich zu machen. Denn wir als sh vertreten nicht nur die, die bereits studieren, sondern auch diejenigen, die es in Zukunft gerne möchten.

Die sh ist des Öfteren in Gesprächen mit den verantwortlichen Politikern. Findet sie in der Politik genügend Gehör? 

Es gibt einen kontinuierlichen Austausch mit der Landespolitik und wir haben auch das Gefühl, wahrgenommen zu werden. In den letzten Jahren hat sich auch einiges auf unser Bestreben hingetan. Nicht alles, was wir fordern, ist umsetzbar, dessen sind wir uns bewusst. Aber wir sind auf jeden Fall zufrieden mit der Aufmerksamkeit, die wir von Seiten der Politik bekommen.

Wie zufrieden sind Sie mit den Universitätsstrukturen in Südtirol? 

Mit den Strukturen sind wir mittelmäßig zufrieden, es gibt nämlich noch einige Baustellen. Beispielsweise die Uni-Bar in Bozen, welche bereits seit einiger Zeit geschlossen hat, die für das universitäre Leben aber extrem wichtig wäre. Ein weiteres brennendes Thema sind die unbezahlten Praktika der Claudiana-Hochschüler. Nur Pflegestudenten bekommen im Rahmen eines Praktikums 600 Euro, andere Studiengänge, wie die Logopädie, sind davon ausgenommen. Wenn man mit dem europäischen Ausland mithalten will, muss man hier schauen, nachzuziehen.

Alexander von Walther

Ein weiteres großes Thema ist das leistbare Wohnen. Wie sehen Sie die aktuelle Wohnsituation in Südtirol?

In den letzten Jahren wurden die Studieneinrichtungen in Südtirol zunehmend ausgebaut. Denken wir an die neue Ingenieurs- oder Medizinfakultät in Bozen, hier ist die Landesregierung schon sehr bemüht darum. Allerdings ist es in diesem Sinne auch wichtig, die räumlichen Möglichkeiten dafür zu schaffen. Nicht was den Ausbau von Hörsälen oder der Universitätsstruktur als solche betrifft, sondern vor allem Wohnmöglichkeiten. Mehr Studiengänge erzeugen mehr Studenten, aber diese müssen natürlich auch irgendwo untergebracht werden. Daher ist es uns ein großes Anliegen, Möglichkeiten für Studenten zu schaffen, einen leistbaren Wohnraum zu finden.

Wie schätzen Sie die Berufsaussichten für junge Leute hier in Südtirol ein?

Offensichtlich sind die Berufsaussichten hier in Südtirol nicht gut genug, sonst würden nicht so viele abwandern. Zwar gibt es eine breite Auswahl an Studenten- und Nebenjobs, beispielsweise in der Gastronomie, aber für Jungakademiker schätze ich die Zukunftsperspektiven eher schwieriger ein.

Wie, glauben Sie, wird sich der Trend der Abwanderung von Jungakademikern in Zukunft entwickeln?

Braindrain ist seit Jahren ein großes Thema, worüber wir auch im ständigen Austausch mit den verantwortlichen Politikern sind. Man muss dem auf jeden Fall entgegensteuern und den Arbeitsmarkt in Südtirol für junge Leute wieder attraktiv machen, ansonsten werden sich in Zukunft sowohl Unternehmer als auch die öffentliche Verwaltung schwertun, Fachkräfte zu finden. Natürlich spielen hier wieder der Wohnraum und auch die unterbezahlten Löhne eine Rolle – ganz zu schweigen von den bürokratischen Hürden.

Vor Jahren hat sich die sh um eine direkte Zugverbindung nach Wien bemüht, die sie auch erreichen konnten. Wie ist Südtirols öffentliche Mobilität aufgestellt?

Im Großen und Ganzen gut. Es gibt jedoch einige technische Probleme, die so schnell nicht bewältigt werden können, wie beispielsweise das Euregio-Ticket. Es ist an und für sich ein Vorteil für Studenten, aber die Bestimmungen grenzen sich klar von denen in Österreich ab. Immerhin gilt das Euregio-Ticket in unserem Nachbarland auch für Intercity-Züge, wie Railjet oder Eurocity, während es hier in Südtirol nur für Regionalzüge Gültigkeit besitzt. Wir sind aber optimistisch, dass mit der direkten Zugverbindung nach Innsbruck, die in den nächsten Jahren kommen wird, sich wieder einiges für die studentische Mobilität verbessern wird.

Sie haben es bereits angesprochen: Die steigenden Lebenshaltungskosten stellen vor allem für junge Menschen ein großes Problem dar. Was kann die Politik dagegen tun?

Die Inflation ist da, daran ist es schwer, etwas zu ändern. Jedoch könnte die Politik mit mehr Beihilfen oder Subventionierungen, die weniger Bürokratieaufwand erfordern, den einzelnen Studenten finanziell besser unter die Arme greifen.

Welche Erwartungen haben Sie im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen im Herbst an die neue Landesregierung?

Wir erhoffen uns, dass wir nach wie vor eine gute Zusammenarbeit mit unseren Gesprächspartnern pflegen, dass sie uns zuhören und ihnen die Belange der Südtiroler Studierenden am Herzen liegen. Bozen ist eine Universitätsstadt geworden und das erfordert auch die Schaffung entsprechender Infrastrukturen.

Interview: Sylvie Debelyak

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