„Absolut einfordern“
Die Lega will Eltern von Schulschwänzern bis zu zwei Jahre in Haft stecken. Was Südtirols Bildungsräte dazu sagen und welche Maßnahmen Philipp Achammer für Eltern fordert.
von Christian Frank
Die Schule zu schwänzen ist ein Delikt, dem sich vermutlich die meisten ehemaligen und noch aktiven Schüler an einem gewissen Punkt ihrer schulischen Laufbahn für schuldig bekennen. Die Konsequenzen waren dabei bis dato in den meisten Fällen schuldisziplinarischer Natur und zogen Unannehmlichkeiten wie Strafaufgaben, Eintragungen oder ein tadelndes Elterngespräch mit der Schulführungskraft mit sich.
Wenn es nun jedoch nach der Lega gehe, sollen die Eltern weit mehr als nur mit einem Gespräch in die Mangel genommen werden. Im Zuge eines Gesetzesdekretes, welches der Ministerrat am Mittwoch überprüfte, sorgte ein spezieller Vorschlag der Lega für Aufsehen. Eltern, deren Kinder die Schule übermäßig schwänzen, sollen nämlich bis zu zwei Jahre ins Gefängnis kommen. Das Dekret, in welchem dieser Vorschlag vorkommt, fokussiert sich auf die Bekämpfung von Jugendarmut, Missständen in der Bildung und Jugendkriminalität. Dabei ringt noch das mediale Echo des kürzlich stattgefundenen Vorfalls in Caviano mit, bei dem zwei Kinder im Alter von zehn und zwölf Jahren von bis zu 15 Jugendlichen und jungen Männern vergewaltigt wurden. Dies sorgte für einen Staatsbesuch von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, welche für härtere Konsequenzen plädierte.
Ein solch harsches Vorgehen gegen die Eltern wäre jedoch ein Novum in der italienischen Gesetzgebung.
Die TAGESZEITUNG hat bei den Südtiroler Bildungsräten nachgefragt.
Während Lega-Politiker und Bildungsrat für italienische Schule Giuliano Vettorato mitteilt, wenig Kenntnis über einen solchen Vorschlag zu haben, äußerte sich der Bildungsrat für deutsche Schule, Philipp Achammer, dazu: „Einerseits kann ich es verstehen, andererseits bin ich aber kritisch.“
Achammer begrüßt den zu Grunde liegenden Sinn dieses Vorschlages, welcher Eltern mehr in die Verantwortung ziehen will, wenn es um das schulische Leben ihrer Kinder geht: „Ob das aber der richtige Weg ist, bezweifle ich.“
Er hegt starke Zweifel, dass diese Maßnahme den gewünschten Effekt erzielt: „Oftmals kommen solche Fälle von Schülern in sozial prekären Situationen, wo die Eltern sehr wenig oder gar nicht mehr im Leben der Schüler involviert sind. Es mag zwar gut gemeint sein, die Eltern mehr in die Verantwortung zu ziehen, aber ich bezweifle, dass es die erhoffte Wirkung erzielt.“
Achammer räumt dabei ein, dass es auch in Südtirol durchaus problematische Fälle gebe, er sehe jedoch klare Unterschiede zwischen Südtirol und dem Rest Italiens: „Italien hat nicht wie wir ein praktisches Schulsystem. Sie haben diese absurde Idee, jeden durch die Matura zu peitschen. Das ist irrsinnig. Es braucht andere Antworten auf die Bedürfnisse junger Menschen.“
Konkret bezieht sich Achammer auf die praxisnahen Bildungsangebote, welche man bereits mit 14 beziehungsweise 15 Jahren in Form von Lehren und schulbegleitenden Berufsausbildungen in Südtirol wahrnehmen kann.
Eine Problematik, welche Achammer jedoch im Zusammenhang mit elterlicher Verantwortung „absolut einfordern“ möchte, ist die verpflichtende Sprachbegleitung. „Wenn ich beispielsweise ein Kind in eine deutschsprachige Schule schicke, unabhängig davon, ob ich einer anderen Sprachgruppe oder Kultur angehöre, ist es für mich nicht akzeptabel, wenn ich als Elternteil mein Kind nicht sprachlich auf seinem Bildungsweg begleiten und unterstützen kann.“
Dabei beruft sich Achammer auf die Gesetzesbestimmung der SVP, welche Eltern verpflichtet, parallel zum Schuljahr des Kindes einen Sprachkurs zu absolvieren. Bereits im letzten Schuljahr sorgten die sprachlichen Hürden beziehungsweise der Umgang mit Fremdsprachen in Südtirols Schulen für Unmut und polarisierende Debatten in Politik und Medien. Inwiefern nun dieser Gesetzesvorschlag der Lega zu den Schulschwänzern Südtirols Schüler und deren Eltern betreffen würde, ist fraglich. Südtirol besitzt im Bereich Schulen sekundäre Gesetzgebungskompetenzen. Das bedeutet, dass es sich an die Richtlinien des italienischen Staates halten muss, jedoch einen gewissen Handlungsspielraum besitzt. Achammer zeigt sich diesbezüglich selbstsicher und sagt, dass Südtirol auch in sekundärer Gesetzgebung Gesetze erlassen könne und „die Prinzipien auf eigene Art und Weise umsetzen“ könne. Genaue Aussagen über eine Umsetzung einer solchen Maßnahme ließ Achammer jedoch offen: „Ich muss zuerst mal einen Text dazu sehen, und dann kann man werten, welche Möglichkeiten bestehen.“
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Kommentare (8)
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nobodyistperfect
Find ich eine super Idee, dasselbe sollten wir auch bei den Politikern einführen, wenn sie die Landtags- oder Parlamentssitzungen schwänzen. Zudem sollten sie die Hälfte der erhaltenen Diäten zurückzahlen.
vinsch
@nobodyistperfect Stimmt, zuerst sollen die Politiker zwei Jahre in Haft, die ihre überbezahlte Arbeit schwänzen.
placeboeffekt
Sollte diese Forderung Wirklichkeit in der Form eines Gesetzes werden, dann wird wahrscheinlich der einzige Ort wo es angewendet wird Südtirol sein-während im Rest Italiens es ein papiertiger bleiben würde
2xnachgedacht
und die kinder (weisen für 2 jahre) werden zwischenzeitlich wo untergebracht und betreut? frage nicht für einen freund, sondern weils mich interessiert! 😉
kirchhoff
Welchen Nutzen haben all diese Papierfetzen, auf denen Vorschriften vermerkt sind, wenn bei der Umsetzung seitens der Behörden geschludert wird?
romy1988
Auch in Südtirol wird bald jeder durch die Matura geschleust, trotz negativer Noten. Ich kenne einige Beispiele, deshalb haben auch wir zu viele unbrauchbare Maturanten.
dn
Es ist eh kein Platz im Knast.
opa1950
Es ist schon eine Frechheit von Achammer von den Eltern etwas zu fordern.Für Dinge welche die Landesregierung nicht imstande ist zu regeln kann man doch nicht Eltern dafür verantwortlich machen.