10 neue Hausärzte
Südtirol krankt seit vielen Jahren an einem Mangel an Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin. Derzeit sind fast 80 Stellen vakant.
„Umso erfreulicher ist es, wenn Medizinerinnen und Mediziner die Ausbildung in Allgemeinmedizin in Bozen absolvieren, um danach die schöne und wichtige Aufgabe einer hausärztlichen Tätigkeit zu übernehmen”, freut sich Adolf Engl, Präsident des Instituts fürAllgemeinmedizin und Public Health Bozen.
Jetzt wurden 10 Absolvent:innen der Südtiroler Ausbildung in Allgemeinmedizin die Diplome überreicht.
Diplom nach drei Jahren Ausbildung
Nach Abschluss ihrer dreijährigen Ausbildung (2020–2023) am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health des Universitären Ausbildungszentrums für Gesundheitsberufe „Claudiana“ in Bozen haben 10 Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin ihr Diplom erhalten: Moriz Biamino, Esperia Bianchi, Giuliano Nicola Brucoli, Maria Vittoria Bulferi, Rita Kiem, Magdalena Klammer, Laura Mazzoleni, Luigi Trovato, Davide Trubian und Ilaria Deli dürfen künftig als Hausärztinnen und Hausärzte arbeiten.
„Die Allgemeinmediziner:innen bilden dasFundament unseres Gesundheitswesens. Mehr als 80% aller gesundheitlichen Probleme der Bürger:innen können im Rahmen der Allgemeinmedizin gelöst werden“, unterstreicht Dr. Giuliano Piccoliori, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.
Südtirols Ausbildung in Allgemeinmedizin
Die Ausbildung am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen dauert drei Jahre und kann in Voll- oder Teilzeit absolviert werden. Nach Abschluss der Ausbildung wird der Titel ,Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin’ verliehen, der auf EU-Ebene anerkannt ist.
Nur wer im Besitz dieses Titels ist, kann mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst einen Vertrag als Hausärztin/Hausarzt abschließen. Die Ausbildung besteht aus zwei Teilen: Der praktische Teil (Vollzeit) umfasst 144 Wochen, zusätzlich zwölf Wochen erlaubte Abwesenheit. Darin eingebettet ist der Theorie-Teil mit ca. 100 je vier- bis fünfstündigen Seminaren.
Die Theorie-Seminare finden am Universitären Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe „Claudiana“ in Bozen statt. Im Falle der Ausbildung in Teilzeit müssen gewisse Praktika dennoch in Vollzeit absolviert werden.
„Durch die Ausbildung in Bozen lernen die künftigen Hausärztinnen und Hausärzte das Südtiroler Gesundheitswesen und das Bezugsspital für die spätere Praxistätigkeit kennen. Das 11-monatige Praktikum in den allgemeinmedizinischen Praxen garantiert eine praxisorientierte Ausbildung“, sagt Adolf Engl, Präsident des Instituts. „Die Ausbildung in deutscher und italienischer Sprache ermöglicht es den Teilnehmer:innen, auf Wissen und Erfahrungen aus zwei sehr unterschiedlichen ,Medizin-Welten’ – der italienischen und der deutsch-österreichischen – zurückzugreifen“, betont Giuliano Piccoliori.
Ein Stipendium für die Ausbildung in Bozen
Für die Südtiroler Ausbildung in Allgemeinmedizin ist ein monatliches Stipendium vorgesehen, das vom Landesamt für Gesundheitsorganisation festgelegt und ausbezahlt wird. Im Gegenzug
verpflichten sich die Absolventinnen und Absolventen dazu, innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der Ausbildung für drei Jahre als Hausärztinnen/Hausärzte in Südtirol zu arbeiten. „Das Südtiroler Stipendium ist fast viermal so hoch wie jenes im restlichen Staatsgebiet“, sagt Giuliano Piccoliori, seines Zeichens Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin.
Hausärztinnen und Hausärzte braucht das Land!
In Südtirol gibt es derzeit 288 Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin.
Doch fast 80 Stellen sind vakant. Die Ursachen hierfür sind zum einen die Pensionierungen von Hausärztinnen und Hausärzten, zum anderen fehlen Nachwuchskräfte, die nach ihrem Studium eine Ausbildung in Allgemeinmedizin absolvieren. Südtirols Institut für Allgemeinmedizin hat 2022 eine Umfrage unter Medizin-Studierenden in Innsbruck und unter Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung in Innsbruck und an allen Krankenhäusern mit Ausbildungsberechtigung im Bundesland Tirol durchgeführt.
Die Erhebung ging der Frage nach, welche Faktoren die Wahl des Hausarztberufes begünstigen oder behindern. Aus der Erhebung konnten zehn Vorschläge für Maßnahmen gegen den Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten abgeleitet werden:
- Mehr Zusatzdiagnostik in den Hausarztpraxen (z.B. Ultraschall und EKG)
- Mehr Gemeinschaftspraxen mit bereitgestelltem nicht-ärztlichem Personal
- Bürokratieabbau für mehr Betreuungsqualität, wo immer möglich
- Anstellungsverhältnis aller Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung
- Aufwertung der allgemeinmedizinischen Ausbildungstätigkeit im Krankenhaus unter Tutor:innen
- Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Hausarztpraxen
- Teilzeitbeschäftigungen in Hausarztpraxen
- Werbung für die Südtiroler Ausbildung in Allgemeinmedizin an Universitäten in Italien, Österreich und Deutschland
- Stärkere Verankerung der Allgemeinmedizin im Medizinstudium
- Facharzt für Allgemeinmedizin auch in Italien
„Ich bin davon überzeugt, dass die Einführung des Medizinstudiums in Bozen ab Herbst 2024 und die damit verbundene Verankerung der Allgemeinmedizin in Praxis und Theorie ein zentraler Lösungsansatz sein kann, um dem Hausarztmangel entgegenzuwirken“, freut sich Adolf Engl.
„Darüber hinaus müssen wir endlich das alte Modell des allein arbeitenden Hausarztes aufgeben“, ergänzt Giuliano Piccoliori. „Junge Ärztinnen und Ärzten wollen sich viel lieber in einem Team weiterentwickeln. Zudem müssen Hausärztinnen und Hausärzte viel stärker von Aufgaben entlastet werden, die nicht rein medizinischer Natur sind. Das setzt Zeit und Energie für die Betreuung der Patienten frei. Der Einsatz von zusätzlichen diagnostischen Mitteln würde einen gezielteren Diagnoseweg ermöglichen und die berufliche Zufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte erhöhen. Südtirol kann diese Entwicklung mit Ressourcen fördern und dem Beispiel anderer Regionen (z.B. Veneto) folgen“, unterstreichtPiccoliori.
Ausbildung 2024–2027
Das Amt für Gesundheitsordnung des Landes Südtirol schreibt jährlich einen Wettbewerb zur Teilnahme an der Ausbildung in Allgemeinmedizin aus. Die nächste Ausbildung beginnt im Frühjahr 2024. Die Gesuche für die erste Session können ab Mitte Dezember 2023 eingereicht werden. Alle Informationen dazu finden sich unter:
https://www.provinz.bz.it/gesundheit-leben/gesundheit/gesundheitspersonal/allgemeinmedizin- grundversorgung.asp
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