Du befindest dich hier: Home » News » Die Ernüchterung

Die Ernüchterung


Die beiden Gutachten zur Entnahme von Problemwölfen sind nicht zur Zufriedenheit der Landesregierung ausgefallen. Nun sucht man verzweifelt nach einem Ausweg.

von Matthias Kofler

Die Landesregierung hat sich mit den Gutachten zur Wolfsentnahme – jene der Höheren Anstalt für Umweltschutz und Forschung (Ispra) sowie der Wildbeobachtungsstelle des Landes – befasst. Wie Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler mitteilte, sind beide Gutachten nicht zur Zufriedenheit des Landes ausgefallen. Der Grund: Die den Gutachten zugrundeliegende Durchführungsverordnung zum Landesgesetz widerspricht in mehreren Punkten der europäischen FFH-Richtlinie. Um Problemwölfe entnehmen zu können, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens müssen innerhalb von zwei Jahren mindestens 54 Schafs- und Ziegenrisse bzw. elf Rindrisse nachgewiesen werden. Zweitens muss klar begründet werden, warum es keine Alternative zur Entnahme, etwa Zäune oder Herdenschutzhunde, gibt bzw. man diese den Südtiroler Landwirten – so heißt es in der Verordnung von LH Arno Kompatscher – „nicht zumuten“ kann. Drittens schließlich muss der gute Erhaltungszustand des Wolfes und dessen positive Entwicklung gewährleistet werden. Alle drei Voraussetzungen, so heißt es in den beiden Gutachten unmissverständlich, werden derzeit nicht erfüllt.

Weil der LH noch vor den Landtagswahlen den ersten Problemwolf zum Abschuss freigeben will, sucht die Landesregierung verzweifelt nach einem Ausweg aus der Misere. In Betracht gezogen wird die Einholung eines alternativen Gutachtens bei einer unabhängigen Behörde, die darlegen soll, warum die Entnahme von einzelnen Wölfen in Südtirol alternativlos ist. Doch das wird nicht einfach, weil sich die Bauern in den vergangenen Jahren mit Händen und Füßen gegen die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen zur Wehr gesetzt haben. „Wir zahlen bitter für die Fehler der Vergangenheit“, bringt ein Regierungsmitglied die Situation auf den Punkt.

Auch Herbert Dorfmann sieht dringenden Handlungsbedarf: Seit Monaten drängt der EU-Parlamentarier die Länder, eigene Managementpläne für die Wolfpopulation zu erarbeiten. Nun bekommt er Rückendeckung von prominenter Seite: Die EU-Kommission fordert die Länder auf, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die die Rechtslage bereits bietet. Darüber hinaus will die Kommission die Wolfpopulation in Europa neu unter die Lupe nehmen und lässt zuverlässige Daten erheben, um auf deren Grundlage den Schutzstatus des Wolfs zu überdenken. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte verlautet, dass die steigende Zahl von Wölfen in manchen europäischen Regionen nicht nur eine Gefahr für Nutztiere darstelle, sondern potenziell auch für den Menschen. Sie forderte deshalb die Mitgliedstaaten auf, wo dies notwendig sei, Gegenmaßnahmen zu treffen. „Diese Erhebung wird ganz ohne Zweifel zeigen, dass die Zahl der Wölfe in Europa enorm gestiegen ist und deren Schutz in vielen Regionen überdacht werden muss“, ist Dorfmann überzeugt. Doch auch in Sachen Wolf-Monitoring spielten die Bauern (und der Bauernbund) bislang nicht mit, indem sie sich weigerten, Kameras aufzustellen.

Trotz der schwierigen Ausgangslage will der LH noch im Laufe dieser Woche das erste Entnahmedekret unterzeichnen. Schließlich war es Kompatscher, der gebetsmühlenartig wiederholt hat, dass die Gutachten nicht bindend seien. Allerdings geht man in der Landesregierung fest davon aus, dass das Entnahmedekret umgehend vom Verwaltungsgericht ausgesetzt wird. „Die Kommunikation in dieser Angelegenheit ist eine totale Katastrophe“, ärgert sich ein SVP-Abgeordneter.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (100)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen