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„Rational vorgehen“

Lega-Chef Matteo Salvini will eine chemische Kastration für Sexualstraftäter einführen. Bringt das wirklich mehr Sicherheit für Frauen? Was die Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa und Ulli Mair dazu sagen.

Tageszeitung: Nach den neuerlichen Fällen von Vergewaltigung in Italien will Lega-Chef Matteo Salvini eine chemische Kastration bei Sexualstraftätern einführen. Was halten Sie von dieser Idee?

Brigitte Foppa (Grüne): Ich verstehe die große Betroffenheit, aber das ist jetzt eine politische Antwort.

Ulli Mair (Die Freiheitlichen): Die Idee an und für sich ist für mich unterstützenswert. Allerdings glaube ich auch, dass alles, was aus einer Emotion heraus, aufgrund eines aktuellen Falles gesagt wird, etwas anderes ist als das, was dann wirklich in der Realität umsetzbar ist. Für mich sollte ein Sexualstraftäter – egal ob die Tat Kinder oder Frauen betraf – als Mindestmaß an Strafe lebenslang bekommen. Sollte jemand beispielsweise aufgrund von Therapien doch in Freiheit entlassen werden, dann müsste die chemische Kastration die Folge sein.

Kann man mit so einem Gesetz wirklich Frauen besser vor Vergewaltigung schützen? 

Brigitte Foppa: Nein. Wenn ich das Problem gesellschaftlich, seriös und nachhaltig angehen will, dann muss ich auf einer ganz anderen Seite ansetzen – bei einem kulturellen Wandel. Wir müssen an der toxischen Männlichkeit arbeiten und müssen gesellschaftlich gewahr werden, was diese für Probleme mit sich bringt. Außerdem müsste die Sicherheit gestärkt werden und diese Straftaten müssen mit Strafgefängnis geahndet werden. Es braucht ein ganzes Paket aus kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen.

Ulli Mair: Ich weiß nicht, ob Frauen durch chemische Kastration besser vor Vergewaltigung geschützt sind, aber bei Kindern gibt es Studien dazu. Studien belegen auch, dass Sexualstraftäter – vor allem Pädophile – Mehrfachtäter sind. Dennoch bleibt die chemische Kastration eine Maßnahme unter mehreren, da auch die Strafen drastisch angehoben werden müssen, denn Frauen sind in unserem derzeitigen System absolut nicht geschützt. Geschützt sind nach wie vor die Täter.

Die Lega hat mit diesem Vorschlag in Vergangenheit bereits aufhorchen lassen. Dieses Mal ist die Lega aber Teil der Mehrheit. Glauben Sie, dass die Regierung diesem Vorschlag zustimmen wird? 

Ulli Mair: Ich wünsche mir von Salvini, dass etwas dabei herauskommt und er nicht nur Töne spuckt, welche die Leute vielleicht hören wollen. Er ist Minister, regiert und hat die Kompetenzen –ich nicht. Ich wünsche mir aber zumindest, dass den vielen Worten und Sonntagsreden Taten folgen.

Brigitte Foppa: Es hängt ein bisschen von der Stimmung im Land ab. Es ist eine Rechtsregierung, die auf oberflächliche Stimmungen reagiert und dann etwas hinknallt. Salvini hat ja schon oft Ankündigungen gemacht, die dann ins Leere gegangen sind.

Was denken Sie, sagt die Bevölkerung dazu? Viele fordern ja seit Jahren strengere Gesetze und Maßnahmen, um Frauen zu schützen…

Ulli Mair: Viele Leute sagen aus dem Bauch heraus, dass solche Täter beseitigt gehören. Der Großteil wäre in einer Abstimmung sicher für die chemische Kastration. Die Menschen aus der Bevölkerung reagieren hart und streng. Sie zeigen – verständlicherweise – Emotionen.

Brigitte Foppa: Gegen strenge Regeln ist ja nichts einzuwenden. Ich bin dafür, diese Delikte mit einem richtigen Strafmaß zu ahnden. Aber die Maßnahmen sollten auch wirksam sein und nicht lediglich auf Rache und Vergeltung abzielen. In vielen von uns gibt es den Impuls, jemanden, der eine schreckliche Straftat begangen hat, auch ordentlich zu bestrafen. Das ist aber nicht das gleiche, was die Justiz leisten muss, wo der gesellschaftliche Nutzen abgehoben werden muss. Hier muss wirklich rational vorgegangen werden und nicht hormonell oder emotional geleitet.

Die Idee ist nicht neu und wird bereits in Polen für pädophile Sexualstraftäter vorgeschrieben. Die EU hat Polen deswegen immer wieder kritisiert – muss man auch in Italien mit Gegenwind aus Brüssel rechnen, sollte so ein Gesetz verabschiedet werden? 

Brigitte Foppa: Das wäre sehr wünschenswert. Ich denke, dass die EU auch die Aufgabe hat, Menschenrechte zu sichern und einen Standard an Gesetzgebung in Europa zu haben, der in der modernen Zeit angesagt ist. Man sollte außerdem prüfen, ob so ein Gesetz überhaupt mit der italienischen Verfassung vereinbar wäre, was mich sehr wundern würde.

Ulli Mair: Um wen geht es: um die Opfer oder um die Täter? Alles dreht sich im Justizsystem, das immer nur Täterschutz betreibt, um das Wohlergehen eines Täters und weniger um das zerstörte Leben der Kinder und Frauen. Wenn es uns bei diesem Thema als Politik nicht gelingt, wirklich harte abschreckende Strafen einzuführen, dann haben wir sowieso versagt. Es braucht zudem Richter, die diese Strafen auch tatsächlich verhängen. Erinnern wir uns an das 10-Sekunden-Urteil… Da lass ich mir von Brüssel und von niemanden etwas sagen. Das Thema muss endlich ernst genommen werden. Sexualstrafdelikte sind die grausamsten Verbrechen, die wir in unserer Gesellschaft haben.

Hinter sexuellen Gewalttaten stecken nicht nur hormonelle Probleme. Kann die Maßnahme der chemischen Kastration als rein physische Maßnahme die Problematik der Sexualdelikte lösen?

Brigitte Foppa: Nein, eben nicht. Die Überlegung, dass Männer Testosteron gesteuert sind und deshalb einen unkontrollierbaren Geschlechtstrieb hätten, ist völlig überholt und entspricht überhaupt nicht der Realität. Das Zurückführen auf hormonelle Gründe ist etwas, das in der Vergangenheit letztlich entschuldigend war. Wenn Männer sexuelle Übergriffe begehen, Frauen missbrauchen, wenn Frauen auch in der Ehe zu einem Geschlechtsverkehr gezwungen werden, den sie nicht wollen, dann ist das in der Vergangenheit letztlich immer damit legitimiert oder zumindest erklärt worden. Solche Maßnahmen spiegeln einzig dieses Paradigma wider.

Was könnte man sonst noch tun, um Frauen besser zu schützen? 

Ulli Mair: Die Strafausmaße müssen erhöht werden, Personal ist zur Verfügung zu stellen bzw. aufzustocken bei all den Stellen, die sich mit der Tat in irgendeiner Form beschäftigen. Das Personal muss in diesen Thematiken geschult sein. Die harten Strafen sind auch anzuwenden. Das kostet natürlich, aber der Staat ist doch verantwortlich für die Sicherheit, besonders von Frauen und Kindern. Anzeigen müssen ernst genommen werden. Es muss abschreckend wirken. Täter haben bei uns wenig bis nichts zu befürchten. Es müssten auch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass jeder Fall einzeln bewertet werden kann. Wenn Ausländer diese Tat begehen, sind sie sofort abzuschieben – und zwar in das Gefängnis der Staaten, aus denen sie kommen, damit sie dort nach dem Strafgesetzbuch dieser Länder verurteilt werden. Bei einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz kommen wir nicht weiter. Davon reden wir schon seit Jahrzehnten. Nicht die Gesamtgesellschaft muss geschult werden, sondern die, die für die Sicherheit der Frauen verantwortlich sind.

Brigitte Foppa: Es ist weiterhin da anzusetzen, Mädchen und junge Frauen zu stärken, ihre Meinung zu sagen, ihre eigenen Wünsche auf jeden Fall auch geltend zu machen. Da braucht es ein ganzes Netzwerk aus Sozialarbeit, Schule, Justiz, Polizei und Politik, was zusammenarbeitet, um Gewalt zu verhindern und Sicherheit zu gewährleisten. Frauen dürfen nicht zu Objekten gemacht werden, an denen Mann die eigene Gewalt ausleben kann. Männer müssen lernen, Trauer und Verlust nicht in Gewalt umzusetzen.

Interview: Sandra Fresenius

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (26)

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  • steve

    Ob dann der Sohn Grillos und la Russas auch chemisch kastriert werden?

    Aber bei einheimischen Straftätern ist es ja laut Giambruno, Partner von Meloni, der jetzr öfters im Fernsehen Auftritt, Schuld der Frau:
    „Keine Frau wird vergewaltigt, wenn sie nicht getrunken hat!“

    Oder so ähnlich!
    Jedenfalls bei einheimischen Straftätern gilt: Schuld der Frau
    Ausländischer Staftäter: sofort abschieben

    Also ist chemische Kastraktion eh nicht mehr nötig!

    • rumer

      Warum hört man von den Grünen nie, dass Gewalt vorwiegend von nordafrikanischen Migranten ausgeht? Dass DEREN Frauenbild geändert werden muss?

      • leser

        Rumer
        Missbrauch an Frauen und Kindern ist zu ahnden ohne Diskussion
        Egal ob Ausländer oder der Onkel
        Die Politik sollte allerdings gleiches strafmass für alle ohne Ausnahme
        Wenn auch Politiker Bänker Richter usw. In den Missbrauchsfällen verwickelt sind
        Das können wir jeden Tag in den Medien lesen

      • steve

        Kürzlich trat ein Lega Vizebürgermeister in der Provinz Verona beim Dorffest mit einem Tshirt mit der Aufschrift auf:
        „Se non puoi sedurla, puoi sedarla“

        Also in dem Fall einheimischer Täter, Lega Mitglied: Schuld der Frau!
        Zu scharf angezogen!

        Es gibt einheimische Straftäter, es gibt ausländische Straftäter, es gibt auch Frauen, die die Situation ausnutzen: siehe Kachelmann!

      • heracleummantegazziani

        Einfach weil es nicht stimmt. Diese Vorstellung spielt sich wieder mal nur in Ihrem Kopf ab, weil Sie wollen, dass es so ist. Glaubt die STF wirklich, dass sie jetzt mit der Rassismus-Karte punkten kann? Wieso benennt man sich nicht in AfS um? Viele Punkte, die die AfD charakterisieren sind ja schon vorhanden.
        https://pagellapolitica.it/articoli/violenze-sessuali-stupri-stranieri

    • pingoballino1955

      Seltsam,man hört nichts mehr von den beiden “ Muttersöhnchen“ sei es vom Sohn “ LaRussa Meloni“ und Sohn Grillo,5 Sterne?

  • asd

    Da müssen wir nicht lange mit Kindergartenargumenten sinnlos rum diskutieren.

    Eindeutig ja, nachdem jemand mit 100%er Sicherheit Täter ist.

    • gorgo

      Vielleicht wäre es noch besser, sich einfach kurz zu informieren.
      Die chemische Kastration scheint nähmlich wenig effektiv, außer sie ist vom Betroffenen selbst gewünscht und Teil einer Therapie.

  • placeboeffekt

    „ Wir müssen an der toxischen Männlichkeit arbeiten und müssen gesellschaftlich gewahr werden, was diese für Probleme mit sich bringt.“

    Frau Foppa, Sie sollten vorsichtiger mit solchen Äußerungen sein.

    Aus dem einfachen Grunde potenziell Missverständnisse zu streuen.

    Männer könnten leicht auffassen dass Männlichkeit von Ihnen grundsätzlich als toxisch abgestempelt wird- was aber hoffentlich nicht so gemeint ist.

  • robby

    Frau Foppa und ihre grünen Mitläuferinnen: ein Paradebeispiel toxischer Weiblichkeit

  • nochasupergscheiter

    Frau die für den Tod ihres Kindes verantwortlich ist = Entfernung der Gebärmutter…
    Naja ich weiss nicht solche sachen können natürlich auch unschuldige treffen… Ergo Forderung immer schwierig

  • summer1

    An der toxischen Männlichkeit arbeiten?
    Ja Frau Foppa, ich behaupte mal so plakativ wie Sie, die Männlichkeit ist aus anderen, bestimmten Kulturkreisen weit toxischer als meine.
    Lassen Sie also solche, höchst gefährliche Allgemeinplätze bleiben, denn dies ist nichts anderes wie bei der Verallgemeinerung im Rassismus und im Antijudaismus (denn den Antisemitismus als solchen gibt es so nicht, wie das Pseudolinke so gerne verwenden).
    Hier wird also ein ganzes Gruppe aufgrund ihres Geschlechts unter Generalverdacht gestellt und somit in Geiselhaft genommen. Pfui!

  • foerschtna

    Ja, die toxischen alten weißen Männer sind anscheinend das Problem. Dass Männer in bestimmten Kulturkreisen sich bis heute ein Harem zulegen können, und ihre Frauen und Töchter „züchtigen“ und im Falle von Ehebruch steinigen lassen können, wie es im Buche des Propheten so schön steht, ist natürlich kein Problem, denn da geht es natürlich um Toleranz und Religionsfreiheit. Einfach nur noch grauslich, diese Doppelmoral der Grünen.

  • cosifantutte

    „Hier muss wirklich rational vorgegangen werden und nicht hormonell oder emotional geleitet.“

    Ja sicher. Am rationalsten wäre es, künstliche Intelligenz einzusetzen, die völlig ideologiefrei und emotionslos, nicht hormonell sondern digital geleitet, auf der Grundlage von Auswertungen ALLER verfügbaren statistischer Daten an die Problematik herangeht. z.B durch Anwendung multivariater Statistik.

  • gulli

    Und Räuber/innen könnte man eine Hand abhacken

  • nobodyistperfect

    Alles bloß Sonntagsreden und bis zum Schluss passiert nix, gar nix. Weil ihr Frauen und Männer in der Politik nicht wollt, dass sich etwas ändert.

  • brigittefoppa

    Beeindruckende Kommentare. Wenn ich dagegen argumentiere, Männer chemisch zu kastrieren, dann ist das „toxische Weiblichkeit“. Das ist bemerkenswert.

    • andreas

      „Wir müssen an der toxischen Männlichkeit arbeiten und….“
      Der Begriff stammt aus dem aktivistisch feministischen Kontext, wurde in der mythopoetischen Männerbewegung der 1980er und 1990er Jahre geprägt und anfangs überwiegend für Männer am Rand der Gesellschaft (etwa in Gefängnissen) gebraucht.

      Aber erklären sie doch mal, wie Sie daran arbeiten wollen und vor allem bei einer multikulturellen Gesellschaft, für welche wie plädieren.
      Die „toxische Männlichkeit“ ist Folge der Erziehung und des Umfelds.

      • steve

        Erklär du uns mal Andreas wie du die multikulturelle Gesellschaft verhindern willst, wenn Meloni zusammen mit dem Mann von Ulli Mair es geradeeinmal geschafft haben die „invasione“ von Süden zu verdoppeln!

      • heracleummantegazziani

        Die Gesellschaft ist gar nicht so multikulturell, wenn über 60% der Ausländer aus europäischen Staaten kommen. Multikulturalität ist auch nicht grundsätzlich das Problem, sondern – da hast du recht – die Erziehung und das Umfeld. Aber eben genau in diesem Bereich entsteht u.U. toxische Männlichkeit. Da die offiziellen Daten aber zeigen, dass nicht das Multikulturelle hauptsächlich für Gewaltakte verantwortlich ist, dürfte das Problem Erziehung und Umfeld ein lokales sein.

        • andreas

          Wie hoch die %tuelle Beteiligung ist, weiß ich nicht, hat aber auch keine Relevanz.
          Was mich stört sind Floskel, ohne konkrete Vorschläge, mit welchen man anscheinend Probleme in Griff bekommt.

          Meiner Ansicht nach wäre die beste Vorsorge Frauen darüber aufzuklären, wie sich solche Männer verhalten und dass diese sich schon bei den kleinsten Anzeichen sofort trennen sollten.
          Die Frauen können nichts dafür, dass ein Typ einen an der Waffel hat, sie können aber durchaus zum Selbstschutz frühzeitig handeln.

          Das ganze Blah, Blah von härten Strafen, chemische Kastration, usw. bringt doch rein gar nichts..

          • gorgo

            @andreas
            Entweder du kannst nicht sinnerfassend lesen, oder es geht dir einzig darum, Frau Foppa eine reinzudrücken, denn nichts Anderes sagt sie im letzten Absatz.
            Ohne ‚blah blah‘, ohne gesellschaftliche Auseinandersetzung auf allen Ebenen mit selbst- und fremdschädigenden, sprich toxischem Verhalten, ist Selbstschutz schwer möglich.
            Eigentlich müsstest du die Aussagen von Frau Maier kritisieren, die sich mit der Thematik offenbar nie wirklich auseinander gesetzt hat, denn Pädophile und Serien Sexualstraftäter lassen sich bekanntlich durch hohe Strafen kaum abhalten.

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