„Ich gehe mit Wehmut“
Peter Brunner ist als Bürgermeister von Brixen zurückgetreten. Im Abschiedsinterview spricht er über die wichtigsten Projekte, seine größten Verfehlungen und über Tipps an seinen Nachfolger.
Tageszeitung: Herr Brunner, Sie sind als Bürgermeister zurückgetreten Blicken Sie bereits mit Wehmut auf Ihre Zeit zurück?
Peter Brunner: Natürlich ist ein gewisser Wehmut da, ich habe das Amt mit viel Herzblut ausgeübt und versucht, mich voll einzusetzen. Wir haben es gemeinsam geschafft, einiges weiterzubringen, es ist Ruhe eingekehrt. Im Großen und Ganzen blicke ich also zufrieden zurück. Brixen und die Leute, mit denen ich gearbeitet habe, sind mir ans Herz gewachsen.
Mit welchen Projekten in Ihrer Amtszeit sind Sie besonders zufrieden?
Mir war es wichtig, einen guten Ausgleich gefunden zu haben. Brixen hat sich positiv weiterentwickelt, es gab keine Spaltungen. Die Lebensqualität in Brixen ist gut, die Leute fühlen sich wohl. Mich erfreut das gesamte Stimmungsbild, das mehr als positiv ist. Mir war es als Bürgermeister wichtig, nahe an den Menschen zu sein, mit ihnen ins Gespräch zu treten und mir viel Zeit für die einzelnen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu nehmen. Das war neben dem Weiterbringen von großen Projekten extra wichtig.
Gibt es auch Dinge, die Sie bereuen?
Nein, das würde ich nicht sagen. Die Arbeit der letzten Jahre ist durch eine ganze Gruppe zustande gekommen, die gemeinsam an einem Ziel gearbeitet hat. An den Projekten hätte ich nichts geändert, vielleicht hätte man aber manchmal eine andere Vorgangsweise wählen können. Wer arbeitet, macht auch Fehler. Ich würde nie den Anspruch erheben, fehlerfrei zu sein. Im Grunde genommen haben wir uns aber bei allen Projekten viele Gedanken gemacht.
Ein heißes Thema Ihrer Amtszeit war der Hofburggarten, der vom Künstler Andrè Heller gestaltet werden soll. Das Projekt wird immer wieder kritisiert. Zudem kam es zu großen Verzögerungen. Hätten Sie hier rückblickend etwas anders gemacht?
Das Projekt ist gut gestartet. Wir haben es im Gemeinderat ohne Gegenstimme genehmigt. Es sollte zuerst ein Landesprojekt werden, irgendwann ist es zu einem Projekt der Gemeinde geworden, die anschließende Beauftragung wurde angefochten. Zusätzlich hat sich eine Initiativgruppe gebildet, die sich dagegen ausgesprochen hat.Natürlich kann diese ihre Kritik vorbringen, allerdings hat der Gemeinderat als demokratisch gewählte Institution mehrmals über das Projekt abgestimmt und immer über 85 Prozent Zustimmung erhalten. Große Teile der Opposition unterstützen das Projekt und haben somit die Legitimation erteilt, es weiterzubringen. Wir sind bei diesem Projekt an gewisse Grenzen gestoßen. Leider. Nachdem wir laut Staatsrat in der Vergabe alles richtig gemacht haben, arbeiten wir weiter. Im Herbst wird das neue Konzept vorgestellt, einige Maßnahmen beginnen bereits jetzt. Es war ein holpriger Weg, hinter dem wir aber nach wie vor noch stehen.
Im letzten Jahr hat die Verbauung von Kranebitt für Kritik gesorgt. Haben Sie dafür Verständnis?
Die Kritik kann man gelten lassen, wir sind auch nicht immer einverstanden mit den Entwicklungen. Man muss aber differenzieren: Alle Verbauungen, die es in den letzten Jahren gegeben hat, sind bestehende Baurechte, die jetzt in Anspruch genommen werden. Die Gemeinde hat wenig Gestaltungsmöglichkeit. Die Kritik kann nicht der aktuellen Verwaltung vorgeworfen werden, die Entscheidungen wurden nämlich deutlich früher getroffen. Aber auch frühere Verwaltungen hätten nur schwer eingreifen können, denn wenn der staatliche Kubaturbonus angewandt werden kann, kann auch die Gemeinde nichts tun. Wir können uns nur bemühen, es so verträglich wie möglich zu machen. Das haben wir versucht, ist aber auch schwierig. Kritik ist hier einfach geübt, wenn aber jemand in die Tiefe geht, versteht man, dass die Verwaltung nicht viel tun kann. Es ist aber ein Eingriff in die Landschaft und sorgt für Verkehr. Diese Auswirkungen versuchen wir mit Mobilitätsinitiativen einzuschränken.
Als Bürgermeister haben Sie versucht, die wirtschaftliche Entwicklung Brixens zu fördern. Waren Sie in Ihrer Amtszeit zu wirtschaftslastig?
2015, als wir mit mir als Bürgermeister unsere Arbeit begonnen haben, hatten wir ganz andere Voraussetzungen. Es gab Jugendarbeitslosigkeit und auch sonst Leute, die keine Arbeit fanden. Es gab in Europa in den letzten Jahren aber eine Trendwende. Die Entwicklungen, die wir in Brixen geschaffen haben, waren richtig, weil es uns gelungen ist, Familien- und international tätige Betriebe in der Brixner Industriezone zu halten. Sie haben damit geliebäugelt, Südtirol zu verlassen. Wir haben jetzt tolle, hochqualifizierte Arbeitsplätze für die Jugend. Zeitgleich ist es uns gelungen, die Plose auf Vordermann zu bringen. Beim Seilbahnreferendum stand die Zukunft dort noch auf dem Spiel, mittlerweile haben wir zwei neue Bahnen, neue Hotels und somit einen Umschwung erreicht. Man darf die Wirtschaft nicht gegen andere Sektoren ausspielen. Als Gemeindeverwalter müssen wir das Gesamtgefüge im Blick halten. Wenn wir gute Betriebe haben, haben wir auch Wertschöpfung. Das heißt, die Bürger haben durch die Betriebe ein gutes Einkommen. Wir haben auch ein breit gefächertes Wirtschaftsgefüge. Sollte ein Segment Probleme haben, werden andere es auffangen. Ich höre von vielen Arbeitnehmern, dass sie dankbar für diese Arbeitsplätze sind. Junge Menschen können sich den Arbeitsplatz aussuchen. Das sehe ich in keinster Weise negativ. Man muss im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen für die richtigen Interessen treffen. Wenn man diese für die Wirtschaft trifft, trifft man sie auch für die Arbeitnehmer. Letztendlich haben die Betriebe der Gemeinde viel Geld eingebracht und auch die Vereine unterstützt.
Sie haben die Plose bereits angesprochen. Ist es in Zeiten, in denen man in Südtirol immer wieder von Overtourism spricht, richtig, große Betriebe in Brixen anzusiedeln?
Ich glaube, in Brixen können wir nicht von einem Overtourism sprechen. Wir haben zwischen 2005 und 2015 fast 200 Betten verloren und diese mittlerweile wieder dazubekommen. Es handelt sich hierbei um Betriebe, die nicht auf Quantität, sondern auf Qualität achten. Uns ist klar, dass es gewisse Grenzen gibt, weshalb wir auch nicht jeden ansiedeln lassen wollen. Wir haben gewisse Projekte auch abgelehnt. Die Seilbahnen sind hingegen im gesamten Mobilitätskonzept wichtig. Wir wollen die Menschen nicht mit dem Auto, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln befördern, es geht hier nicht um Masse.
Sie haben zahlreiche Pläne in Ihrer Amtszeit erstellt, die vor allem für die künftige Entwicklung Brixens wichtig sind. Ist die Zukunft der Stadt damit in den nächsten zehn bis 15 Jahren festgelegt?
Ich glaube, das ist immer das Ziel von Plänen. Wir haben eine Vision, wohin Brixen sich entwickeln soll. Deshalb haben wir bei der Erstellung derselbigen auf Partizipation gesetzt. Uns war wichtig, dass die Pläne konkrete Maßnahmen beinhalten, aber auch Anpassungen vorgenommen werden können. Das war sowohl beim Mobilitätsplan, beim Fahrradmobilitäts-Plan als auch beim Projekt StadtLandFluss der Fall. Einige Maßnahmen dieser Pläne sind bereits in Umsetzung, das war uns immer wichtig, die Politik wird nämlich nicht an Plänen, sondern vor allem an konkreten Maßnahmen gemessen.
Wie sehen Sie Brixen in zehn Jahren?
Brixen ist eine attraktive Destination und ein attraktiver Wohnort, wo es sich gut leben lässt. Wir sind gut erreichbar und haben alle Dienste, die man braucht. Es gibt aber viele Herausforderungen. Wir müssen Wohnraum schaffen, dieser Wohnraum ist teuer und wir müssen Infrastrukturen schaffen. Ich glaube, dass es ein stetiges Wachstumm geben wird, hier ist es wichtig, sich zu fragen, was für die Gemeinde zuträglich ist. Hier wird das Gemeindeentwicklungsprogramm uns anhand von empirischen Daten helfen, die Entwicklung festzulegen.
Welche Spuren haben sie in Brixen hinterlassen? Wofür werden Sie in Erinnerung bleiben?
Brixen hat sich zu einem attraktiven Lebensraum entwickelt. Am meisten Freude habe ich mit Projekten wie die Bibliothek, die Musikschule im Priel-Gelände, die Sanierung des Rathauses, die Entwicklung der Mobilität oder das Astra. Ich glaube, da gibt es einige Punkte, an denen man erkennt, dass meine Zeit als Bürgermeister eine gute Zeit war. Auf der anderen Seite hoffe ich, als Bürgermeister in Erinnerung zu bleiben, der Nahe an den Menschen war. Mir war es wichtig, unkompliziert zu helfen. Wenn das übrigbleibt, würde ich mich freuen.
Was empfehlen Sie Ihrem Nachfolger?
Ich bin überzeugt, dass Andreas Jungmann es als Bürgermeisterkandidat gut machen wir und hoffe, dass die SVP eine stabile Mehrheit behalten wird. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass diese Mehrheit gute Resultate erzielt: die Bürger profitieren von dieser Stabilität am meisten. Ich hoffe, dass er Brixen und seine Menschen in sein Herz schließt und so auch seine politischen Entscheidungen trifft. Ich wünsche mir, dass diese Gruppe weiterhin so besteht und junge Kandidaten nachkommen. Die Zukunft gehört nämlich der Jugend.
Interview: Markus Rufin
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