Du befindest dich hier: Home » Südtirol » „Anzeigen ernst nehmen“

„Anzeigen ernst nehmen“

Julia Unterberger

Obwohl Celine Frei Matzohl ihren Ex-Freund Omer Cim im Juni wegen Körperverletzung und Bedrohung angezeigt hatte, gab es kein Annäherungsverbot. Reichen die aktuellen Gesetze aus? SVP-Senatorin Julia Unterberger im Interview.

Tageszeitung: Frau Senatorin, obwohl die 21-jährige Celine Frei Matzohl ihren Ex-Freund Omer Cim, bereits im Juni angezeigt hat, gab es kein Annäherungsverbot. Warum war dies nicht möglich?

Julia Unterberger: Theoretisch wäre ein Annäherungsverbot auf jeden Fall möglich gewesen. Es kommt aber darauf an, was die junge Frau zur Anzeige gebracht hat und ob sie geäußert hat, dass sie sich bedroht fühlt. Im konkreten Fall wurde kein Handlungsbedarf erkannt. Die Staatsanwaltschaft ist mit einer ganzen Flut von Anzeigen konfrontiert und hat die Schwierigkeit zu beurteilen, in welchen Fällen eine Gefahr für die Anzeigende besteht. Aber ich denke, angesichts der zahlreichen Morde an Frauen, von denen viele im Vorfeld eine Anzeige gemacht haben, ist die Staatsanwaltschaft gut beraten, äußerste Vorsicht walten zu lassen und die Anzeigen ernst zu nehmen.

Mit dem Codice Rosso wurde 2019 eine Regelung verabschiedet, welche eine vorrangige und beschleunigte Bearbeitung von Fällen häuslicher und geschlechtsbezogener Gewalt vorschreibt. Wird das Gesetz von den Behörden korrekt umgesetzt oder ist es nicht stark genug?

Die Grundidee ist, dass die Staatsanwaltschaft die anzeigende Person innerhalb von drei Tagen anhört, um zu beurteilen, ob Gewaltschutzmaßnahmen erforderlich sind. Leider funktioniert die Umsetzung nicht, weil die meisten Staatsanwaltschaften chronisch unterbesetzt sind und weil es sehr viele solcher Anzeigen gibt. Deshalb ist das Parlament dabei, einen sogenannten verschärften codice rosso zu verabschieden, der Sanktionen für säumige Staatsanwälte vorsieht. Das wird aber auch nur zielführend sein, wenn dem Justizapparat mehr Ressourcen und Personal zur Verfügung gestellt werden.

Welche Maßnahmen könnten eingeleitet werden, um die Frau zu schützen?

Wenn die Staatsanwaltschaft den Eindruck hat, es könnte eine konkrete Gefahr bestehen, könnte sie bei Gericht beantragen, dass über den vermeintlichen Täter ein Näherungs- und Kontaktverbot verhängt wird. In schwerwiegenden Fällen kann die Überwachung mit einer elektronischen Fußfessel vorgenommen werden. Wird diese nicht akzeptiert oder verletzt der vermeintliche Täter das Näherungsverbot, kann er sogar in Untersuchungshaft genommen werden. Ich halte das Näherungsverbot in Kombination mit der Überwachung mittels einer Fußfessel für die wirksamste Schutzmaßnahme in schwerwiegenden Fällen.

Muss es denn immer erst zu einem gewaltsamen Tod kommen, bis etwas passiert? Immerhin wurde Celine Frei Matzohl im Juni bereits angegriffen und bedroht…

Sie hat angeblich nur einen Vorfall zur Anzeige gebracht und von keinen weiteren Vorfällen gesprochen. Da ist es für die Staatsanwaltschaft nicht einfach, tätig zu werden. Schließlich muss ein Gericht ein eventuelles Näherungsverbot bestätigen. Die Verteidigung des Täters würde darauf pochen, dass ein isolierter Vorfall nicht für eine derartige Einschränkung der persönlichen Freiheit genügen kann.

Können sich Frauen nur schützen, indem sie stets in Begleitung das Haus verlassen bzw. auch im Haus nie allein bleiben?

Wenn sie sich derart bedroht fühlen, ist es besser, sie wenden sich an einen Rechtsbeistand, der eine Gewaltschutzmaßnahme auch vor dem Zivilgericht beantragen kann.

Welche Schlussfolgerungen werden Frauen aus diesem Fall ziehen?

Frauen müssen lernen die Gewalttätigkeit ihrer Partner oder Expartner nicht zu unterschätzen. Vor allem in Trennungssituationen und erst Recht wenn der Mann aus einem Kulturkreis kommt, in dem Frauen sogar per Gesetz weniger wert sind, passieren Femizide. Immer wieder raten Experten, sich auf keinen Fall auf ein letztes Treffen einzulassen.

Welche zusätzlichen Maßnahmen tragen Ihrer Meinung nach zu einem Schutz von Frauen bei?

Meiner Meinung nach sind die strafrechtlichen Bestimmungen zwar wichtig, aber es müsste mehr dafür getan werden, das Problem an der Wurzel zu packen: das immer noch vorhandene gesellschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Dies führt dazu, dass viele Männer sich als Familienoberhaupt fühlen, dem die Frau sich unterzuordnen hat. Hinzu kommt oft eine finanzielle Abhängigkeit. Hier ist die Politik gefragt.

Interview: Sandra Fresenius

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (22)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • vinsch

    „Es kommt aber darauf an, was die junge Frau zur Anzeige gebracht hat und ob sie geäußert hat, dass sie sich bedroht fühlt. Im konkreten Fall wurde kein Handlungsbedarf erkannt“.
    „Sie hat angeblich NUR einen Vorfall zur Anzeige gebracht“
    Frau Unterberger, besser Sie hätten dieses Interview nicht gegeben.

    • gorgo

      Warum? Was hast du daran auszusetzen? Ich finde es sehr sachlich und seriös.

      • 2xnachgedacht

        @gorgo
        eine anzeige, weils jemand einfach mal so danach war? wird es auch geben…ansonsten hat es wohl eine begründung.
        abgehakt wird es unter umständen (anscheinend des öfteren) nach dem motto: einmal ist keinmal… klingt auch nicht gerade nach hilfestellung von seiten der zuständigen behörden.

        • andreas

          Es gibt wohl eine Schwelle, was durchaus nachvollziehbar wäre, an welcher die Justiz massiver eingreift und wie Frau Unterberger sagt, gibt es sehr viele solcher Anzeigen.
          Du hättest es aber sicher besser gewußt…

          Was hättest du unternommen?

          • 2xnachgedacht

            @andreas
            das wäre dann wohl amtsanmaßung 😉
            etwas zu unternehmen ist aufgabe der experten, leider mit den hinlänglich bekannten ergebnissen.
            schönen samstag.

        • bananajoe

          den Text verstehen ist halt auch so ne Sache. Es ist ein Unterschied ob ich jemanden Anzeige weil er mich geschlagen hat, oder ob ich jemanden Abzeige weil er mich ständig bedroht oder stalkt, mir das Leben zur Sau macht. Es scheint als wäre zum Zeitpunkt der Anzeige für das Opfer noch nicht absehbar gewesen, dass es zu zweiterem ausarten würde und sieh lediglich einen Vorfall zur Anzeige gebracht hat. Wie sollte dann Justizia das richtig einschätzen?

    • heracleummantegazziani

      Seit Tagen kommentieren einige hier – ohne eine blassen Schimmer von der Materie zu haben – und verurteilen Justizorgane und Polizei, weil sie nicht eingegriffen haben und obwohl auch schon Staatsanwalt Bramante die Schwierigkeit bei diesem Fall erklärt hat, motzen Sie jetzt, weil Frau Unterberger noch genauer erklärt, was das Problem war?
      Sie sind echt nicht ganz dicht.

  • placeboeffekt

    „ Vor allem in Trennungssituationen und erst Recht wenn der Mann aus einem Kulturkreis kommt, in dem Frauen sogar per Gesetz weniger wert sind, passieren Femizide.“

    Wer vor einigen Jahren darauf hinwies dass der Zuzug aus solchen Ländern Probleme mit sich bringen würde, wurde Reflexartig ins rassistische Eckchen gestellt

    Die üblichen Verdächtigen verteidigen bis zur letzten Patrone, was von Multikulti übrig ist- aber bei diesem Satz von Frau unterberger versagt wohl die übliche linke Rhetorik

    • steve

      Was bitte soll das mit links und rechts zu tun haben? Jeder mit etwas Hausverstand wird bestätigen, dass der Zuzug aus diesen Kulturkreisen Probleme mit sich bringt. Probleme durch das Frauenbild in diesen Kulturkreisen, Antisemitismus. In diesen Ländern gibt es nicht eine funktionierende Demokratie!

      Jeder mit etwas Hausverstand versteht, dass die Welt nicht schwarz weiß ist! Alle schwafeln hier von links und rechts und jeder versteht darunter etwas anderes.

      • placeboeffekt

        Jemanden voreilig als rassist abzustempeln korreliert aber schon sehr stark mit einer gewissen politischen Einstellung – wollen Sie das abstreifen?

        Sonst gebe ich Ihnen recht : mit der Einteilung in links und rechts bei allem machen es sich viele zu einfach

        Und genau jene welche keinen Hausverstand und keinen Realitätssinn besitzen- sich aber als links und Feministisch und sonst noch was bezeichnen- die treiben die Leute in die Arme der rechten ratttenfänger

        • steve

          Ganze Bevölkerungsgruppen rassistisch auszugrenzen ist natürlich eine Untat, da es zu nichts als gesellschaftlichen Problemen führt.
          Jemand voreilig mit der Rassisten- oder Na zikeule zu belegen natürlich auch!

  • gorgo

    Es kommt eben darauf an wie etwas gesagt wird. Kulturelle Unterschiede wahrzunehmen und auf mögliche Problematiken zu verweisen ist nähmlich nicht rassistisch.
    Ich bin auch froh, dass Frau Unterberger im selben Absatz auf einen weiteren Umstand verweist, der vielen potentiellen Opfern nützlich sein kann. Kein Treffen, oder wenn nötig, nur mit Begleitung bzw. Zeugen. Es ist auch wichtig, damit der Tatbestand von stalking eindeutig ist.
    Viele Menschen erkennen diesen Punkt, sind aber nicht fähig es so zu artikulieren ohne das es so klingt als hätte das Opfer selbst schuld, was man aus Gründen der Pietät vermeiden sollte.
    Denn wir alle kennen die Hintergründe nicht. Manchmal ist emotionale oder herkömmliche Erpressung im Spiel .. zB. Suizid Androhung.

  • brutus

    Meine Frau würde von einem pigmentierten Wanderhändler an der Haustür sngespuckt und bedroht als sie nichts kaufen wollte und ging! Als ich die Sicherheitsorgane anrief kamen sie nicht einmal und im Unterton habe ich schon verstanden: “ Wir können nichts tun, ea braucht Zeugen!“

    • steve

      Nunja es gibt da vielerlei Möglichkeiten:
      Hausbesitzer unfreundlich/freundlich
      Wanderhändler unfreundlich/freundlich und alle Kombinationen!

      Hab auch schon die Variante „vattene negro di merda“ mit Wanderhändler freundlich mitbekommen!
      War auch nicht schön!

  • asd

    Solche Dinge sollen natürlich nicht passieren, es wird sich aber nie ganz vermeiden lassen, die Ordnungshüter haben ja auch keine Glaskugel, täglich Probleme vor allem mit Ausländern sind normal.

    Zu bedenken ist jedoch auch, dass das weibliche Geschlecht auch nicht immer heilig ist. Vor allem in Trennungssituationen werden Kinder als Waffe gegen den Mann eingesetzt oder es wird schnell mal eine Geschichte erfunden.
    Auch das passiert täglich und muss bestraft werden.

  • nobodyistperfect

    Die Politik regiert zu spät, wenn überhaupt und die Justiz zu lasch, es wäre besser wenn ihr alle den Mund halten würdet, Eure Ausreden sind zum Kotzen.

  • tiroler

    #Wenn sie sich derart bedroht fühlen, ist es besser, sie wenden sich an einen Rechtsbeistand, der eine Gewaltschutzmaßnahme auch vor dem Zivilgericht beantragen kann#
    Es scheint so, dass die blonde Conte Verehrerin Werbung in eigener Sache macht, anstatt fas Problrm zu benennen….

  • cosifantutte

    War gerade in Islamabad, für die meisten TV aufgeklärten Europäer vermutlich eine Horrorvision, das reinste „Mittelalter“ wegen der verschleierten Damen (die aber sehr ‚chatty‘ sind, da mangels Femminismus noch genuin am Geschehen interessiert). Jeder der dort lebt und ein Handy hat, vom Ziegenhirten in Quetta zum General in Karachi, muß die SIM und IMEI Nummer (International Mobile Equipment Identity) des Gerätes amtlich registrieren, sonst gibt es keine Handynutzung. Der private Anbieter pusht dann eine „courtesy“ App auf das Gerät, die jedem seine Positionshistorie anzeigt, also dem Nutzer wird klar gemacht dass der Anbieter, und somit die Behörden, jeden tracken (tun sie sowieso). Alles machbar, was tut der „Staat“ (dito Unterberger) denn nicht alles für die Sicherheit seiner Schafe. Die App zeigt als „Feature“ sogar den Weg mit Zeitstempel graphisch auf Google Maps auf: vor 30 Minuten war ich im beim Despar, dann in der Bank, am Markt, in der Moschee, an der Tankstelle und dann Zuhause, besonders praktisch wenn man den Schlüssel irgendwo liegen hat lassen. Warum macht man denn nicht sowas mit einer Person, die bereits als problematisch aufgefallen ist? Ihn wundert es wahrscheinlich selbst, warum er diese für ihn unverständliche Narrenfeiheit geniessen darf. Wozu eine Fussfessel, das ist doch Technologie von vor 30 Jahren? Iris- und Gesichtscan, als biometrische Daten erfassen (machen sie auch in Tumbuktu), bei Grenzübertritt und sowieso bei Ausstellung des Arbeitserlaubnisses für den HGV, registrierte Sim und IMEI, und eine KI drûber lassen die sich 24/7 um seine Sicherheit kümmert und dazu seine Position auswertet. Der (ultra linke!) Mielke hâtte vor Freude in die Hosen gemacht, wenn er dieses Spielzeug zur Verfügung gehabt hätte.
    Leute, wir werden einfach nur mehr zur Lachnummer. Und kommt mir bitte nicht mit der Privacy denn ihr habt sie bei der Pandemie sowieso restlos aufgegeben, aus Liebe zum Nâchsten.

    • andreas

      Jetzt wolltest aber nur angeben, dass in Pakistan warst, dein Kommentar macht sonst nicht viel Sinn….

      Die Taliban haben weder das Personal, noch die technischen Voraussetzungen oder das Geld das Volk
      flächendeckend zu überwachen.

      Den biometrischen Pass gibt es in Italien seit 2009.

      Aber erkläre doch mal, wie man jemanden trackt, welcher sein Handy nicht mitnimmt und wie, wenn man die biometrischen Daten hat.

      Wenn du schon schlau daherreden möchtest, solltest du wenigstens das chinesische System propagieren, die können das.

    • tiroler

      cosifantutte: ihr kommentar ist für die dame zu komplex…

  • cosifantutte

    Ein Narziss hat IMMER das Handsy dabei, schon allein wegen der Kamera.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen