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„Rückstand aufholen“

Der Bozner Primar der Urologie Armin Pycha erklärt, wie sich die Roboterchirurgie positiv auf die Medizin auswirkt, und weshalb es unerlässlich ist, den Südtiroler Rückstand wieder aufzuholen.

Tageszeitung: Herr Pycha, vor Kurzem hat der Landtag einen Beschlussantrag angenommen, mit dem die Landesregierung beauftragt werden soll, für die urologischen Abteilungen der Krankenhäuser, Brixen, Bozen und Meran OP-Roboter anzukaufen. Der Grund, warum der Bereich Urologie ausgewählt wurde ist, dass dort OP-Roboter bereits als Standardtechnik anerkannt wurden. Aber wie funktionieren die OP-Roboter genau?

Armin Pycha: Der OP-Roboter besteht aus zwei Komponenten: eine ist die Konsole, bestehend aus einem Bildschirm, einem Rechner sowie Pedalen und Handgriffen, die dem Chirurgen ermöglichen, die Arme des OP-Roboters zu steuern. Dieser steht im direkten Kontakt mit dem Patienten und bildet somit die zweite Komponente. Bei den Armen handelt es sich um Vorrichtungen, die minimalinvasive laparoskopische Instrumente, welche zuvor an ihnen angedockt wurden, mechanisiert bewegen. Die Besonderheit der Arme ist, dass sie Freiheitsgrade haben, welche bis zu 720 Grad reichen. Daher können Gelenke zweimal um die eigene Achse gedreht werden, wohingegen das menschliche Handgelenk bei der Beugung und Streckung nicht ganz 180 Grad vorweisen kann. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass bei diesem System immer im richtigen Winkel operiert werden kann.

Gibt es noch weitere Vorteile?

Zum einen sitzt der Chirurg bequem an der Konsole. Des Weiteren ist das Bild in dreidimensionaler Form angegeben und Details können näher herangezoomt werden. Hinzukommt, dass der Monitor den Chirurgen mit etlichen Zusatzinformationen versorgt, wie beispielsweise, wie viele Instrumente sich im Körper befinden und welche Position sie dort einnehmen. Den Vorteil der Vergrößerung des Operationsfelds erkaufe ich mir allerdings durch Einschränkung der Übersicht: Wenn ein Chirurg mit einer Lupenbrille operiert, kann er dies bis zu einer sechsfachen Vergrößerung tun, da bei einer weiteren Vergrößerung dem Chirurgen schwindelig wird. Will man höher vergrößern, braucht man ein OP-Mikroskop. Die robotische Plattform hingegen verfügt über ein dreidimensionales Bild, welches um das Zwölffache vergrößert werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Maschine über einen Filter verfügt, der das Zittern verhindert. Jeder Mensch hat einen physiologischen Tremor, wobei sich dessen Stärke bei jedem unterscheidet. Beispielsweise verfügt ein Parkinsonkranker über den stärksten Tremor, dennoch könnte er mit dem Filter des OP-Roboters problemlos operieren, da der Tremor herausgefiltert wird. Dadurch kann der Chirurg sehr präzise Bewegungen ausführen. Die Kombination von Präzision eines Instrumentes und optimaler Position, ermöglich ausgezeichnete Operationsbedingungen.

Gibt es auch Vorteile für die Patienten?

Der Vorteil für den Patienten liegt darin, dass kleine laparoskopische Zugänge gelegt werden, wodurch keine größere Wunde an der Oberfläche entsteht. Durch die sehr kleinen Eintrittspforten, durch welche die Geräte in den Körper eingeführt werden, kann das Risiko einer Infektion minimiert werden. Ein weiterer Vorteil der robotischen Chirurgie ist die Indikationserweiterung, was bedeutet, dass immer mehr Eingriffe in minimalinvasiver Technik durchgeführt werden können.

Profitiert auch die Abteilung selbst davon?

Einen direkten Vorteil gibt es wohl nicht, da es sich vielmehr um eine Umwegrentabilität handelt: Ein minimalinvasiver Zugang bedeutet weniger Schmerzen, wodurch der Patient weniger Schmerzmittel und Assistenz benötigt. Auf diese Weise nimmt die Belastung für das Personal ab. Dasselbe gilt für die laparoskopische Chirurgie.

Gibt es auch Nachteile?

Damit ein OP-Roboter eingesetzt werden kann, müssen die Patienten für bestimmte Operationen in extreme Positionen gebracht werden, wie beispielsweise in eine extreme Kopftieflage, was, abhängig von der Dauer des Eingriffs, eine Belastung für den Patienten darstellt. Der größte Nachteil ergibt sich aber aus den Kosten: In der Urologie reichen sie von der Anschaffung des Roboters, was ungefähr zwei bis 2,4 Millionen Euro ausmacht, über die jährliche Instandhaltung, was 200.000 bis 400.000 Euro beträgt, bis hin zum Verbrauchsmaterial pro Eingriff, dessen Kosten bei ungefähr 2.000 Euro liegen. Würden wir alle onkologischen Prostataeingriffe in Bozen, was zirka hundert Personen betrifft, mit dem OP-Roboter ausführen, würden die jährlichen Verbrauchskosten um 200.000 Euro steigen. Das könnte man wiederum gegenrechen, indem man erklärt, dass die Leute kürzer im Krankenhaus liegen, wobei jeder Liegetag zirka 1.000 Euro kostet. Wenn nun diese 100 Menschen zwei Tage weniger liegen würden, bringt man die 200.000 Euro wieder rein. Eine solche Rechnung würde die Argumentation der Firmen und Befürworter unterstützen, jedoch würde es nichts daran ändern, dass der Eingriff an sich teurer ist. In den USA, wo 44 Prozent aller OP-Roboter platziert wurden, festigte sich die Entwicklung des  „Robotic Surgeon“: Hierbei operieren Ärzte zwar in verschiedenen Bereichen, jedoch sind sie lediglich darin geübt, Eingriffe mit dem Roboter durchzuführen. Daraus ergibt sich ein weiterer Nachteil, den man in den USA bereits erkennen kann: Junge Chirurgen, die nur am Roboter trainiert wurden, sind oftmals nicht mehr in der Lage, offen zu operieren. Wenn dann eine Komplikation auftritt und konvertiert werden muss, brauchen diese „Roboterchirurgen“ meist einen erfahrenen Urologen, der sie unterstützt. Ein weiterer Nachteil der Roboterchirurgie ist, dass sie zumeist mehr Zeit in Anspruch nimmt als die offene, was bei Ressourcenknappheit und Arbeitsverdichtung ein nicht unwesentlicher Faktor ist.

In welchen Bereichen wird die Roboterchirurgie angewandt?

Die Domäne seit den späten 90er Jahren ist die Prostatachirurgie. Zwischenzeitlich wird sie am meisten in der gesamten Urologie angewandt, gefolgt von der Allgemeinchirurgie und Gynäkologie. Auch in der Thoraxchirurgie, der HNO wie auch zum Teil in der Herzchirurgie kommt sie zum Einsatz. Zwar gibt es auch exotische Indikationen, wie in der ästhetischen Chirurgie, jedoch rechtfertigen diese kaum den Einsatz eines OP-Roboters.

Sie setzen sich seit 2006 für OP-Roboter in der Urologie ein, bisher ohne Erfolg. Denken Sie, dass es dieses Mal funktionieren wird?

In Anbetracht dessen, dass der erste robotische Eingriff schon im Jahr 1998 ausgeführt wurde, Innsbruck schon drei Jahre später einen OP-Roboter sein Eigen nennen konnte und für Trient im Jahr 2010 OP-Roboter angekauft wurden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Südtirol über OP-Roboter verfügen wird. In Italien sind zurzeit 170 Roboter im Einsatz, wobei lediglich zwei Provinzen diese Technik noch nicht vorweisen können, eine davon ist Südtirol. Somit haben wir keine Vorreiterrolle, sondern müssen vielmehr einen Rückstand aufholen, weswegen wir uns dieser Technik nicht länger verweigern können. Bis jetzt wurde ja nur eine Resolution über einen beabsichtigten Ankauf im Landtag genehmigt. Da mir die wechselvolle und zähe Geschichte über den Ankauf einer robotischen Plattform nur zu präsent ist, glaube ich es erst, wenn ich den Roboter im OP sehe.

Interview: Stefanie Putzer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • andreas

    Die Sanität kostet uns fast 4 Millionen am Tag, wenn es nach Dr. Ploner und Rieder gehen würde wohl 5 Millionen, da würde ich eine solche Investition eher als Lappalie ansehen.
    Schade, dass die cugini von Widmann keine anbieten konnten, sonst hätten wir schon längst welche. 🙂

    Genial finde ich die 12fache Vergrößerung, wenn da bei Rechten wie rumer oder SVP Mitglied summer1 das Gerät nach Hirn sucht, könnte die Suche nach der einen Zelle durchaus von Erfolg gekrönt sein.
    Und mit der 720 Grad Drehung kann das Gerät diese einzigartige Entdeckung 2 x die Runde drehen und ev. verifizieren.

  • summer1

    Ach wenn die Ärzte Kandidaten des TeamKaputt arbeiten und nicht wahlwerben würden, ginge auch was schneller weiter!
    Oder sind diese nur Unterstützungskandidaten, die eh nicht mit dem Einzeug un den Landtag rechnen?
    Man weiß es nicht!

    • pingoballino1955

      Welche Ärztekandidaten des TK,meinst du Dr. FRANZ PLONER,der ist mit Verlaub schon in ehrlich verdienter Pension,im Gegensatz zu dir hat er bis jetzt enormes geleistet und kümmert sich noch ehrenamtlich um Verbesserungen in der Sanität.summer1 KEEP COOL,deine Attacken sindd nur peinlich und ohne Erfolg! Merkst du eigentlich gar nichts???

      • summer1

        Pingo
        Merkst du eigentlich gar nichts? Dr. Ploner wollte als Goldpensionär mit 15.000 € monatlicher Rente noch die Landtagsdiät einstreichen.
        Da ihm dies nicht geglückt ist, soll er anscheinend in diversen Privatklinken arbeiten. Ob das ehrenamtlich ist?
        Und noch eines: gibt es außer Dr. Ploner keine anderen Ärzte auf der Kandidatenliste des TeamKaputt für die Landtagswahl im Oktober 2023?
        Du bist und bleibst ein Lügner und so führst du dich nachweislich hier seit über 5 Jahren auf: Lügen, Hass und Hetze verbreiten.
        Dass es dir nur nicht um die Zeit zu schade ist und nicht zu blöd ist?

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