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„Gravierende Auswirkungen“

Franz Maier, Elisabeth Ladinser, Stephan Tischler

Der Umweltdachverband stellt im Rahmen seiner Bundesländer-Tournee zum 50-Jahr-Jubiläum den überbordenden Alpentransit in Tirol in den Fokus, der nicht nur am Brenner erhebliche Belastungen für Mensch und Natur mit sich bringt. 

„Die Alpenregion ist von der Klimaerhitzung besonders betroffen, der Temperaturanstieg ist doppelt so hoch wie im globalen Mittel. Dies hat gravierende Auswirkungen, nicht nur auf die lärm- und abgasgeplagte Bevölkerung, sondern auch auf die besonders sensiblen Ökosysteme im Alpenraum. Wir verlangen eine effektive Verlagerung auf die Schiene sowie eine Ökologisierung des Straßengüterverkehrs. Die CO2-Emissionen im ganzen alpinen Transitverkehr müssen auf Null reduziert werden – vor allem auch im Hinblick auf die geplante Klimaneutralität des Verkehrssektors, zu der sich die europäischen Staaten bis 2050 verpflichtet haben“, sagt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.

Transitverkehr ist immense Doppelbelastung für Mensch und Natur

„Vergangenes Jahr rollten rund 2,48 Millionen LKW über den Brenner – das sind 1,35 % mehr als 2021. Es kann nicht sein, dass wir in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise aufgrund unzureichender Maßnahmen der Alpenstaaten noch immer einen Anstieg des Transitverkehrs in Österreich verzeichnen. Sogar der von der Landesregierung ausgearbeitete und jüngst vorgestellte Mobilitätsplan geht von einer Zunahme des Verkehrs aus! Das Jahr 2022 knüpfte nahtlos an den Trend vor der Pandemie an, der historische Höchststand an Transit-LKW in Tirol zeigt einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf. Nicht nur, dass die ansässige Bevölkerung unter enormer Luftverschmutzung und Lärm leidet, auch das einzigartige Natur- und Kulturerbe der Alpen ist bedroht: Rund 30.000 Tier- und 12.000 Pflanzenarten leben in diesem vielfältigen Hotspot der Biodiversität“, betont Maier.

Aber gleichzeitig gehöre der Alpenraum zu den am intensivsten genutzten Ökosystemen der Welt und die dichten Straßen- und Schienennetze in den zum Teil sehr engen Tälern stellen eine enorme Belastung für die Umwelt dar. Auch wenn die Luftschadstoffwerte mittlerweile rückgängig seien – die Verkehrsbelastung befeuere die Klimaerhitzung und es komme in den Bergregionen immer häufiger zu Überschwemmungen, Hitzewellen und Waldbränden.

„Die Probleme, die den Erhalt der Biodiversität im Alpenraum erschweren, machen vor den Landesgrenzen nicht Halt. Daher müssen endlich Lösungen gefunden werden, die grenzüberschreitend wirken. Der Umweltdachverband fordert die Landesregierung dazu auf, nicht nur Symptombekämpfung – etwa durch Auflösung der Staus und Aufhebung sämtlicher Beschränkungen – zu betreiben, sondern langfristige Lösungen zur Entlastung von Mensch und Natur zu finden: Absolute Kapazitätsgrenzen und die Verlagerung auf die Schiene sind notwendig. Es braucht einen intensiveren Dialog mit den Verantwortlichen in Südtirol und Bayern auf Basis des gemeinsamen Memorandums der drei Länder vom 12. Juni 2018, um auf Landesebene endlich effektive Entlastungsmaßnahmen umsetzen zu können“, so Maier.

Güterverkehr muss ökologisiert werden

Kilometerlange Staus und die Notwendigkeit einer Blockabfertigung machen deutlich, dass der Transitverkehr über die Alpen längst an seine Grenzen stößt. Effektive Maßnahmen zur Reduzierung des Straßenverkehrs sind daher unabdingbar, um die sensiblen Alpenräume besser zu schützen. „Im Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention haben sich die Alpenländer und die Europäische Union bereits vor 30 Jahren darauf geeinigt, durch eine geeignete Infrastruktur und marktkonforme Anreize den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Doch mit der neuen Richtlinie zur Festlegung der Straßenbenützungsgebühren in Form der Eurovignette (Wegekostenrichtlinie), die im Februar 2022 erlassen wurde, ist dieses Ziel wieder in weite Ferne gerückt“, so Stephan Tischler, Vorsitzender von CIPRA Österreich.

Denn die Richtlinie führt zu einer massiven Vergünstigung des Gütertransportes auf der Straße durch batterie- oder wasserstoffbetriebene LKW. „Diese Maßnahmen stehen unter dem trügerischen Deckmantel des Klimaschutzes, denn realistisch ist es nicht möglich, den Transitverkehr auf der Straße umweltfreundlicher zu gestalten als auf der Schiene – selbst, wenn alle LKW mit Wasserstoff oder elektronisch fahren würden. Eine derart massive Reduktion der Mautgebühren für den Schwerverkehr auf dem Straßennetz der Europäischen Union widerspricht dem Verursacherprinzip, da auch vermeintlich emissionsfreie Fahrzeuge Lärm-, Stau- und Infrastrukturkosten verursachen. Nicht zuletzt beträgt der Energieeinsatz pro transportierte Tonne auf der Straße immer noch ein Vielfaches gegenüber dem auf der Schiene.

Dem derzeit bestehenden Ungleichgewicht in der Kostenwahrheit zwischen Straßen- und Schienengüterverkehr, das nicht zuletzt durch die hohen Trassengebühren zustande kommt, könnte u. a. durch einen gemeinsamen Mautzuschlag für Alpenkorridore durch Italien, Österreich und Deutschland entgegengewirkt werden. Außerdem muss durch die Stärkung des kombinierten Verkehrs (Novelle der „Combined Transport Directive“) mehr Kostenwahrheit geschaffen werden, wofür Investitionen in eine moderne, nachhaltige und hochleistungsfähige Infrastruktur notwendig sind – denn momentan ist der Transport über die Straße viel zu günstig! Nicht zuletzt ist eine Novelle der Luftqualitätsrichtlinie notwendig, damit die Geschwindigkeitsbeschränkungen nach dem Immissionsschutzgesetz – Luft (IG-L) aufrechterhalten bleiben können. Dafür braucht es dringend strengere Luftqualitätskriterien“, betont Tischler.

Mauterhöhung allein ist nicht ausreichend

Um die Transitbelastung in den besonders sensiblen Ökosystemen im Alpenraum zu reduzieren und die ansässige Bevölkerung besser zu schützen, benötigt es neben fiskalischen Maßnahmen, wie einer Kostenwahrheit im Straßengüterverkehr, auch eine Attraktivierung des Transportmediums Schiene. Durch verbesserte Betriebsabläufe insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr, flexiblere Buchungssysteme sowie schnellere und harmonisierte Abläufe kann die Schiene im Vergleich zur Straße konkurrenzfähiger und damit Umwegverkehr reduziert werden. Denn zurzeit nehmen rund ein Drittel aller Gütertransporte auf dem Brenner einen Umweg von rund 60 Kilometern in Kauf, um Kosten zu sparen. Nur etwa 40 % der LKW sind auf dem kürzesten Weg unterwegs. Zum Vergleich: In der Schweiz fahren fast 97 % der LKW ihre Bestroute.

„Doch eine Mauterhöhung im Rahmen der EU-Wegekostenrichtlinie reicht nicht aus. Das Verkehrsaufkommen im Alpentransit muss grundsätzlich reduziert, besser gesteuert und auf umweltfreundlichere Transportwege verlagert werden, so wie es das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention vorsieht. Außerdem dürfen die hochrangigen Straßen in Zukunft nicht mehr ausgebaut werden, um erhöhte externe Kosten, bzw. Infrastrukturkosten zu vermeiden. Wir sprechen uns in diesem Zusammenhang auch dezidiert gegen den Ausbau der Brennerautobahn A22 zwischen Bozen Süd und Verona aus. Es zeigt sich jedoch, dass die Alpenstaaten in der Verkehrspolitik leider nicht an einem Strang ziehen. Denn durch die immensen Begünstigungen für E-LKW verläuft eine Mauterhöhung im Sand und die Probleme durch Staus sowie die gesundheitliche Belastung durch Lärm und Reifenabrieb bleiben bestehen. Um die Umweltbelastungen tatsächlich zu reduzieren, braucht es eine substanzielle Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs auf die Schiene. Dazu gehört ein verbesserter grenzüberschreitender Schienenverkehr mit vergünstigten Zugtickets für den Alpentransit nach dem Vorbild des 9- Euro-Tickets in Deutschland oder ein alpenweites Ticket (AlpTick), wie es der CIPRA-Jugendbeirat vorgeschlagen hat – zumindest für die Zeit der aktuellen Sanierungsprojekte, um ausartende Engpässe an den Transit-Flaschenhälsen zu vermeiden. Außerdem ist die Herab- oder Aussetzung der Trassengebühren für den Güterverkehr notwendig“, betont Elisabeth Ladinser, Vizepräsidentin von CIPRA Südtirol & Vizepräsidentin des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz.

Slot-System als Übergangslösung

„Nur eine funktionierende Bahn und ein Gesetz zur Verlagerung der Güter auf die Schiene kann das Transitproblem lösen. Weil beides jedoch auf sich warten lässt, wäre ein Slot-System eine effiziente Übergangslösung. Den rechtlichen Freiraum für eine solche Alpentransitbörse gäbe es bereits, den politischen Willen in den Ländern auch. Was derzeit fehlt, ist eine Einigung auf der Ebene der drei beteiligten Staaten, die schnellstmöglich getroffen werden müsste. Doch aus Italien kommt derzeit scharfer Gegenwind, eine Einigung scheint daher schwierig“, ergänzt Ladinser. Dabei verursacht der Lkw-Transport pro Tonnenkilometer rund 15-mal so viele Treibhausgase wie der Transport mit der Bahn. Das Slot-System könnte den Klimawandel – und v. a. auch das Transitproblem demnach mildern. Voraussetzungen dafür sind für Ladinser: „Erstens: Die maximale Menge an Slots richtet sich nicht danach, wie viel die Autobahn aushält, sondern was den Menschen an der Transitroute und der Natur zuzumuten ist. Zweitens: Am Wochenende und nachts sind Slots gar nicht erst buchbar, womit auch der Streit um das Nachtfahrverbot hinfällig würde. Und Drittens: Die Plattform zur Buchung von Durchfahrtsrechten ist an die Bahn gekoppelt, das heißt, je mehr Platz auf dem Zug, desto teurer wird die Autobahn“.

UWD fordert rasche Verlagerung von der Straße auf die Schiene

Abschließend appellieren Umweltdachverband sowie CIPRA Österreich und Südtirol: „Es müssen wirksame Anreize für eine Verkehrsverlagerung geschaffen werden, um zur Kostenwahrheit des Transitverkehrs beizutragen. Es kann nicht sein, dass in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise E-LKW die Alpen quasi kostenlos passieren dürfen, denn auch diese verursachen Lärm-, Stau- und Infrastrukturkosten. Die Alpenstaaten müssen endlich nachhaltige Lösungswege beschreiten, um gemeinsam das Verkehrsaufkommen und damit Emissionen, Feinstaub und Lärm zu reduzieren und letztlich zu einem besseren Schutz des Alpenraums beizutragen“.

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