Überall Plastik
Mikroplastik landet in den Flüssen, im Meer, im Grundwasser – und in Südtirol in Gestalt von Klärschlämmen in der Landwirtschaft, was Marco Palmitano vom Ecocenter für problematisch hält. Grenzwerte für die Klärung gibt es bisher allerdings keine.
von Sandra Fresenius
Eine Studie der Gewässerökologin Veronica Nava von der Universität Mailand und Dutzenden Kollegen aus vielen Ländern zeigt, wie sehr Flüsse und Seen von Mikroplastik vermüllt sind. Es sind dabei zwei Arten zu unterscheiden, die für die Verschmutzung verantwortlich sind: Zum einen ist es Mikroplastik, welches durch die Nutzung und Entsorgung von Kunststoffgegenständen in die Umwelt gelangt, beispielsweise achtlos weggeworfene Plastikflaschen, aber eben auch das Waschen von Textilien, die aus synthetischen Fasern bestehen oder der Abrieb von Autoreifen.
Dazu eine beeindruckende Zahl: Das Waschen von sechs Kilo Synthetik-Kleidung spült nicht weniger als 700.000 Mikroplastikpartikel verschiedener Größe in die Abwasserkanäle.
Zum anderen geht es um Produkte, denen bewusst Mikroplastik zugesetzt wird, wie Kosmetika, die zu den größten Verursachern von Mikroplastik im Wasser zählen. „Mikroplastik findet sich überall dort, wo Kunststoffe benutzt werden, die sich irgendwie abreiben können. Solange wir Kunststoffe benutzen, wird es auch Mikroplastik geben“, fasst der Generaldirektor der Ecocenter AG, Marco Palmitano, dieses ökologische Problem zusammen.
Ecocenter betreibt in Bozen Süd die größte Kläranlage des Landes.
Um Mikroplastik vom Wasser zu trennen, braucht es Kläranlagen. Diese entnehmen die Kleinstteile durch sogenannte Klärschlämme. Dabei handelt es sich um Bakterien, die das Abwasser reinigen und dann von diesem getrennt werden. Die dabei entstehende Biomasse enthält großteils Mikroplastik. „Das ist auch ein Grund, warum man, wenn möglich, Klärschlämme kurzfristig aus der Landwirtschaft entfernen sollte. Die Klärschlämme sollte aus diesem Kreislauf verbannt werden“, sagt Palmitano.
Auch die Amtsdirektorin des Biologischen Labors in Leifers, Alberta Stenico, sieht den Einsatz von Klärschlämme in der Landwirtschaft mit Sorge. Zwar ist der Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage in St. Lorenzen bereits geplant, mit dem Bau begonnen wurde aber bisher nicht.
Im Moment ist es so, dass nach der Klärung ein kleiner Teil des Mikroplastiks im Wasser verbleibt. Dieses zu entfernen ist zwar keine einfache Aufgabe, aber die Entwicklung neuer Technologien führt laut Stenico zu Abwasserreinigungssystemen, denen es zunehmend besser gelingt, es aus dem Wasser zu entfernen. „Ob alles, also hundert Prozent, herausgefiltert werden kann, das glaube ich kaum“, zeigt sich die Direktorin des Biologischen Labors jedoch zweifelnd.
„Unser Labor führt dazu Untersuchungen durch, aber die Ergebnisse habe ich noch nicht“, weiß der Generaldirektor des Ecocenter keine konkrete Antwort darauf zu geben, wie viel Mikroplastik die Kläranlage in bestimmten, festen Zeiträumen, wie beispielsweise einer Woche oder einem Monat, entnimmt und wieviel noch im Wasser verbleibt.
Überhaupt stecken viele Untersuchungen hinsichtlich dieser Thematik noch in den Kinderschuhen, weshalb es an – vergleichbaren – Daten mangelt. „Mikroplastik ist eine Thematik, die in den letzten Jahren aufgetaucht ist und daher muss man erstmal Daten sammeln, um zu verstehen, wie groß das Problem ist und welche Gefahren damit verbunden sind, ob es auch sinnvoll ist, Mikroplastik gänzlich aus dem Wasser zu entfernen. Erst auf Grundlage dieser Basis kann man entscheiden, was man effektiv macht. Es gibt verschiedene Versuche, die laufen, aber eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen, auch weil es im Moment noch keine gesetzlichen Grenzwerte für diese Bestandteile gibt“, äußert Marco Palmitano.
Ob der aktuell fehlenden Datengrundlage weiß auch Amtsdirektorin Stenico. „Es ist so, dass in Italien kaum jemand diese Art von Analysen macht. Wir in Südtirol haben bereits die Geräte“, erklärt sie.
Ein Anfang ist also gemacht, aber es mangelt vor allem an noch fehlenden Grenzwerten, die einzuhalten wären hinsichtlich des Anteils an Mikroplastik im Wasser, und auch an einer offiziellen Methode, die einen Vergleich der Daten erst möglich machen würde. „Es gibt sehr viele verschiedene Probeentnahmearten und -methoden. Es spielt eine Rolle, welche Chemikalien und wie viel Probe man nimmt, wie lange man probt. Auch beim Auswerten gibt es viele Möglichkeiten: Welche Art von Mikroskop nimmt man, berücksichtigt man nur die größeren oder die kleineren Teile. Die Variablen sind sehr viele“, erklärt die Direktorin des Biologischen Landeslabors.
Zwar gibt es bereits Bestrebungen in diese Richtung und auch die EU hat sich diesem Thema angenommen, wann es aber konkrete Richtlinien geben wird, ist noch nicht bekannt. „Wenn wir eine offizielle Methode hätten und auch Grenzwerte. Dann wäre es für uns leichter, etwas zu tun“, ist sich Alberta Stenico der großen Wichtigkeit dieser Entscheidung bewusst.
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Kommentare (3)
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cosifantutte
Und über die immer grösser werdenden Schutzhütten und Gastronomiebetriebe in das Wasser der Bergwelt.
ultnerbaer
Und warum wird er Klärschlamm nicht in der Müllverbrennungsanlage Bozen verbrannt? Die könnte das problemlos machen, man müßte keinen Müll mehr aus dem Trentino zur Auslastung herankarren, man würde sich die Investitionskosten (Steuergelder) für die Anlage in St. Lorenzen (30-40 mio.) sparen und hätte das Problem sofort gelöst.
waage
Mikroplastik ist bestimmt ein ernsthaft anzugehendes Thema.
Nun bin ich kein Fachmann, aber die Logik sagt mir, dass es vermutlich noch einen weiteren, für unsere Gesundheit viel bedenklicheren und bedeutsameren Aspekt gibt, der zudem aus technischer Sicht nochmal um Einiges schwieriger zu lösen sein wird.
Hierbei handelt es sich um die unglaublichen Mengen an Medikamente, angefangen von den Antidepressiva bis hin zu den Antibiotika, den Hormonen, den Schmerzmitteln, den Chemotherapeutika, usw., die sich im Abwasser wiederfinden und die keine Kläranlage herauszufiltern vermag. All diese, oder deren Abbauprodukte, gelangen früher oder später in unseren Nahrungskreislauf.
Wenig bis gar nichts an stichhaltigen Forschungsergebnissen scheint es diesbezüglich zu geben und dies ist aufgrund der Vielzahl an Stoffen, deren Wirkungsweisen und Interaktionen beängstigend.