„Stehen vor dem Durchbruch“
Alberich Hofer, Bergbauernvertreter im Südtiroler Bauernbund, begrüßt das Südtiroler Wolfsgesetz und die nun beschlossene Durchführungsbestimmung. Abschüsse hält er aber bereits vor der Ausweisung der Herdenschutzzonen für notwendig.
Tageszeitung: Was halten Sie von dem neuen Wolfsgesetz und der Durchführungsbestimmung, die am Dienstag von der Landesregierung beschlossen wurde?
Alberich Hofer: Die Durchführungsbestimmungen – sofern sie so angewendet werden können – sind sicher ein Plus für uns alle. Wir werden endlich diesen Herdenschutz los, der vorgeschrieben ist. Ich kann mir vorstellen, dass das ein Schritt nach vorne ist, das haben wir ja jahrelang schon empfohlen, weil Herdenschutz in unserer geografischen Lage nicht möglich ist. Technisch nicht möglich, finanziell nicht möglich und von dem Nutzen reden wir gar nicht. Ich kann mir vorstellen, dass diese Durchführungsbestimmung zum neuen Gesetz – das ja nicht angefochten worden ist, zumindest nicht von der Regierung in Rom – sicher die einzige Richtung in die Zukunft sind.
Halten Sie das neue Regelwerk für umsetzbar?
Ich denke schon, dass es umsetzbar ist. In dem Moment, wo der Landeshauptmann Abschussdekrete ausstellt, muss man erst schauen, wie wertvoll dieses Gesetz ist, weil angefochten wird es sicher werden. Wir haben aber auch in Trient gesehen, dass es ständig zu Anfechtungen kommen kann und die Tierschutzverbände Sturm laufen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir langsam vor einem Durchbruch sind.
Der Bauernbund hat die Politik in dieser Angelegenheit ziemlich vor sich hergetrieben. Wie es aussieht, mit Erfolg.
Wir als Bauernbund haben das Gesetz in die Wege geleitet, haben das fertige Gesetz der Politik in die Hände gelegt. Dieses ist durch den Landtag gegangen und unten jetzt in Rom vorgestellt worden, natürlich in Unterstützung von Professoren. Und zumindest die Regierung war überzeugt, dass wir in der Form, auf diese Art und Weise, arbeiten können. Das einzige Zugeständnis ist, dass die ISPRA 15 Tage Zeit für ihr Gutachten hat. Wir hatten zehn Tage vorgeschlagen, aber dies wird an der Thematik nicht viel ändern. Interessant wird es dann, wenn die ISPRA ein negatives Gutachten oder kein Gutachten ausstellen sollte, und bei uns die Beobachtungsstelle ein positives Gutachten ausstellt, was ich mir auch erwarte. Wie weit die Tierschutzorganisationen dann gehen werden, wird man sehen. Aber ich bin davon überzeugt, dass das schon mal der Schritt in die richtige Richtung ist. Es muss möglichst bald ein Dekret zum Abschuss von Wölfenausgestellt werden.
Rechnen Sie mit heftigem Widerstand der Tierschutzorganisationen?
Und wie. Das kann man sich ja vorstellen. Du darfst den Wolf nicht einmal schief anschauen, da kommt schon Kritik. Dieselbe Kritik müssen sie sich aber auch von uns gefallen lassen. Es kann nicht sein, dass der Wolf geschützt ist und unsere Nutztiere null Schutz haben. Und wenn in unserem Stall eine Kleinigkeit an Tierschutz fehlen sollte, was ja zu 99 Prozent nicht der Fall ist, dann bekommen wir eine Anzeige. Aber wenn Wölfe unsere Haustiere, unsere Nutztiere, qualvoll reißen oder auch nur halb reißen oder ihnen qualvoll bei lebendigem Leibe Muskeln herausgerissen werden und sie halb auffressen, da schreit kein Tierschutzverband. Das ist zum Schämen!
Wie stellen Sie sich das konkret vor, wie das mit den Wolfs-Abschüssen vor sich gehen wird?
Die Durchführungsbestimmungen sind nun bekannt, ich rechne damit, dass im September die ersten Dekrete unterzeichnet werden.
Glauben Sie, dass sich mit Abschüssen tatsächlich der Bestand der Wölfe regulieren lässt und die Risse abnehmen?
Ich denke schon. Das ist die einzige Möglichkeit. Was sollen wir sonst machen? Ich bin überzeugt, dass der erste und der zweite Abschuss einen Dammbruch darstellen wird, die Gesellschaft, die Tierschutzverbände müssen sich daran gewöhnen, dass es Abschüssen geben darf und soll. Wenn nichts geschieht, werden sich die Leute selbst helfen. Wenn man nichts tut, vermehren sie sich um so ein Vielfaches, in drei Jahren ums Doppelte. Eine jede Tierart kann und muss reguliert werden, ob das der Fuchs ist, ob der Kormoran oder Rotwild.
Die Almbauern forderten früher ja ein wolfsfreies Südtirol. Mit dem neuen Gesetz wird das nicht möglich sein.
Das Problem komplett zu lösen, ist aus heutiger Sicht zu weitreichend. Auf jeden Fall sind wir nun auf einem guten Weg. Wenn die Tierschutzverbände vernünftig wären, müssten sie sagen: Hurra, das Gesetz ist gut, wir können regulieren, ob mit Abschüssen oder keinen. Das ist jetzt mal ein Anfang, aber wir brauchen eine sinnvolle, über den Alpenbogen gespannte, schnelle Regulierung, weil es das Problem im gesamten Alpenbogen gibt und nicht nur hier in Südtirol.
Welche Weidegebiete sollten Ihrer Ansicht nach den Zonen zugerechnet werden, in denen kein Herdenschutz möglich und folglich die Abschüsse möglich sind.
In Gebieten, wo zwei oder drei Risse hintereinander stattgefunden haben, wie jetzt momentan im Pustertal oder in Kastelbell im Vinschgau, muss sofort ein Dekret ausgestellt werden. Man kann da nicht bis zum Almabtrieb warten. Was die Ausweisung der Gebiete betrifft, in denen kein Herdenschutz möglich ist, erwarte ich, dass ein Großteil der Almen dieses Kriterium erfüllt.
Interview: Sylvie Debelyak
Kommentare (24)
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